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Adhen

Als mir der kühle Abendwind ins Gesicht schlug, kam ich ins Schwanken, nachdem dieser Kampf in der Hitze und der qualmigen Luft des Gasthauses ausgebrochen war.

Anteriel aber wollte zurück in das Gasthaus, er wollte weiter morden, als wenn er von einem wilden Tier besessen war. Genau wie die Wilden in der Wüste.

„Anteriel! Anteriel, höre mich!“, ich schrie ihn an, fletschte die nicht vorhandenen Fänge, was recht albern ausgesehen haben musste, doch erst das Aufglimmen zweier blutroter Augen ließen den neu entstandenen Ahalun aus seinem Rausch erwachen und er sah mich mit seinen katzenhaften Augen an. Ich fragte mich, welcher Bann dies aus ihm gemacht hatte.

„Lasst mich da hinein Meister, ich werde diesen widerlich stinkenden Menschen und Arfejia schon zeigen, wer der neue Herr über diesen Teil der Stadt ist!“ schrie er zurück und versuchte sich nun gegen mich aufzubäumen. Doch ich war stärker und Anteriel landete nach einer kräftigen Ohrfeige mit dem Gesäß zuerst auf der harten Straße.

Es war ein Fehler einem Menschen zu trauen, dies musste ich mir in dem Augenblick eingestehen, ich fragte mich, ob alle Menschen eines Tages zurück an ihre Anfänge vor vielen Zeitaltern kehren sollten, so wie es mit Anteriel und all den armen Seelen in der Wüste geschah.

Gewann schließlich doch die Bestie in jedem Wesen?

„Anteriel, komm wieder zur Besinnung, hörst du dich eigentlich reden? Was ist nur mit dir geschehen? Was ist aus dem kleinen Mann geworden, der Abends sein fröhliches Lied von den Sternen sang?“, appellierte ich an ihn, doch dieser Ahalun knurrte mich nur bedrohlich an und ehe ich mich versah, war er auch schon wieder auf den Beinen und attackierte mich mit seinen überraschend gezielten Schwertstichen.

Es war ein leichtes für mich, ihnen auszuweichen, aber ich wusste, dass diesen Kampf nur einer von uns überleben sollte, wenn ich ihn nicht zurück zur Vernunft bringen konnte.

Um uns herum hatten sich bereits einige Menschen versammelt, zum größten Teil Händler, die bereits von ihrem Tavernenbesuch auf dem Heimweg waren, einige Stadtwachen hatten sich um uns aufgestellt und sahen sich das Schauspiel interessiert an und auch vier oder fünf junge Frauen, die ihren Körper für Geld oder etwas Essbarem verkauften, sahen uns zu.

Auf sie mussten wir wie zwei betrunkene Wirken, ein Arfejia und ein Mensch, die im Rausch anfingen zu streiten und vom Wirt bereits vor die Tür befördert wurden.

Wenn es doch nur ein kleiner Streit gewesen wäre, wegen irgendeiner Belanglosigkeit, doch dies war es nicht.

„Anteriel, ich werde nicht mit dir kämpfen, hörst du?“ rief ich, doch er hörte nicht auf immer und immer wieder mich zu attackieren und versuchte um jeden Preis meinen Hals zu treffen.

Aber ich wollte nicht gegen ihn kämpfen, zuviel schon hatte er für mich gegeben, zuviel schuldete ich dem kleinen Mann, als dass ich ihm auch noch sein Leben nehmen wollte; alles was ich tun konnte war, seinen Schwerthieben auszuweichen oder sie mit dem Dolch abzublocken.

Doch dann geschah etwas unerwartetes, die Tür des Gasthauses flog auf, der Dicke Wirt kam heraus gestampft und rief nach den Wachen, die noch immer um uns herum standen und das Schauspiel betrachteten.

Von der Wucht die von der aufgeschlagenen Tür ihm in den Rücken traf, wurde Anteriel nach vorn gestoßen und er fiel geradewegs auf mich zu.
Ich war zu überrascht um zu reagieren und um zu verhindern, dass er genau auf den nach vorn zur Parade bereit gehaltenen Dolch stürzte. Die klinge des Dolches bohrte sich tief ins Fleisch vom Calas und war lang genug, sein Herz zu durchbohren. Er fiel mir in die Arme, als ich den Dolch aus seiner Brust zog.

Mit weit aufgerissen Augen sah er mich an, sein Atem ging flach, die kleinen Hände zitterten und er ließ den Säbel fallen.

„Welch unwürdiges Ende. Ich hoffe, eines Tages trifft es euch genauso…“ dies waren die letzten Worte dieses Menschen, bevor das Leben aus den gelben Augen erlosch und sein Herz für immer aufhörte zu schlagen.

Seine Worte waren wie ein Messerstich in mein Herz, ich hatte ihn geliebt, ja ich liebte den kleinen Mann, wie einen Bruder.
Alles was ich je gewollt hatte, war sein Glück, über Leichen wollte ich für ihn gehen, um ihn am Leben zu sehen.
Und nun, nun war er gegangen, ohne diese Liebe je zu spüren bekommen zu haben.

Meine Arme wurden schwer wie Blei unter dem Gewicht Anteriels und meine Knie begannen zu zittern, ich zitterte am ganzen Leib und der Schmerz über diesen Verlust zwang mich in die Knie.

Die Menschen um uns herum schwiegen, einige der Wachen waren bereits in die Schenke gestürmt um den Tumult darin zu stoppen und all die betrunkenen Köpfe hinaus zu geleiten, einige hatten wohl den Weg in die Kerker der Fürstenburg gefunden.

Alle anderen gingen nach wenigen Sekunden weiter, es gab nichts mehr zu sehen, doch ich, ich blieb wo ich war, am Fuße der einen Stufe die in die Schenke führte, ich hielt den leblosen Körper Anteriels in meinen Armen und eine einzelne, silbern schimmernde Träne floss meine Wange herab, sie fiel zu Boden und zerschellte dort; sie zerschellte wie das Leben, all das Glück, das ich an der Seite dieses Bauern aus dem Norden hatte.

Die Träne verblasste wie das Leben dieses Menschen und niemals wieder sollte sie zurückkehren in meine Augen und keine Freudenträne würde sie jemals mehr sein.

Dann erhob ich mich und hob Anteriel auf meine Arme.

Niemals hätte ich seine sterblichen Überreste hier in dieser Gaunerstadt zurück gelassen, sie hätten seinen Körper nur entwürdigt, ihm all seine Kleidung abgenommen und letztendlich wäre er nur ein weiterer toter Streuner auf den Straßen der großen Hafenstadt geworden.

Nein, dieses Schicksal musste ich ihm ersparen, Anteriel hatte es verdient eine -für Menschen- würdige Bestattung zu erhalten.
Mit gesengtem Blick schritt ich durch die dunklen Straßen der Stadt, keine einzige Laterne brannte mehr und hier, weiter im Ostviertel der Stadt herrschte um diese Zeit, kurz vor Morgendämmerung, eine bedrückende Stille. Ich trug Anteriel hinaus aus der Stadt, weit über die grünen Felder der Wahlasebene, von wo mich mein Weg in einigen Wochen bis an die Nordspitze des Kontinents führen sollte und ich suchte auf einem einsamen Hügel mitten in dieser Steppe das passende Grab für den Menschen auf.

Ich grub mit meinen bloßen Händen eine tiefe Grube, in die ich den Körper des Bauern herabsinken ließ und ihn mit der Erde aus der er entstammte bedeckte.

Bei Morgengrauen, als die Sahalin ihre roten Lichtstrahlen über die weite Ebene fallen ließ und das Land in ein morgendliches Rot tauchte, welches ihm Frieden und Stille schenkte, war meine Arbeit verrichtet und ohne weitere Worte an den Toten zu richten, stieg ich vom Hügel wieder herab um meinen Weg wieder allein fortzusetzen; allein meinem Endgültigem Schicksal entgegen.

Ich erinnerte mich an die vielen Stunden vor den kleinen wärmenden Feuern irgendwo in der Wüste, wo Anteriel Abend für Abend bei ein paar Schlücken Wasser und wenigen Stücken Brot seine Lieder sang und beim Gedanken an jene heitere Stimme wurde mein Herz für wenige Schritte von all dem Schmerz befreit, den der Tod meines treuen Kumpanen verursacht hatte.

Ich sah ein letztes Mal zurück zu dem Hügel und wie einer der weißen Türme von Marven erhob er sich gegen das Sonnenlicht und die kleine Erhöhung, dort oben auf dem Hügel schien ein seltsames Licht auszustrahlen, in diesem Augenblick wusste ich, dass Anteriel den Weg zu den Engeln gefunden hatte und sein Glück am Ende seines Lebens lag.

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Published inGarten der Engel

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