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Die letzte Schlacht

Anscheinend ist dieses Land auch noch nicht gänzlich gesäubert worden. Die Späher berichteten von einer fünfzig Mann starken Einheit Buras hinter der Anhöhe. Sie haben ein kleines Lager hier und ein zweites ungefähr einen halben Kilometer westlich errichtet. Der Kommandant bespricht gerade die Vorgehensweise mit den Rittern. Warum gehst du nicht zu ihm und fragst, welchem von ihnen wir uns gleich zum Frühstück vorwerfen sollen?“

Opeg hatte Recht, auch wenn der Kommandant einer der Besten unter den Kriegsführern der königlichen Garde war; er war auch einer der skrupellosesten.

Für ihn waren die Söldner nur Schilde, die er aufstellen konnte. Dennoch, sie alle waren sich dessen bewusst, als sie den Vertrag mit den Rittern aus Catallien eingingen.

Gerade als Mafariel dies dem jungen Söldner zurück ins Gedächtnis rufen wollte, kam das Zeichen des Kommandanten. Sie griffen an.

Als wäre es ein lang einstudiertes Stück einer Oper, eines der großen Stücke auf den Vergnügungsringen der königlichen Hauptstadt, erhoben sich Ritter und Söldner zugleich und im einstimmigen Tenor erklang ein Schlachtruf- der Ruf der freien Länder.

Sie kämpften erbittert, doch die Armee der Buras war ihnen zahlenmäßig überlegen. Einer nach dem anderen der Ritter und der Söldner fiel. Mafariel selbst hatte große Mühe seine Angreifer abzuwehren, doch er wusste, wenn sie versagen sollten, gäbe es niemanden mehr, der sich den Armeen der dunklen Engel stellen würde. Sie mussten einfach siegen.

Das stumpfe Schwert war gerade noch gut genug, die Angriffe seiner Gegner zu parieren; der Söldner schlug blindlings auf die Buras ein, und hier und da erwischte es einen auf die Nase und er fiel taumelnd zurück. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis auch er fallen sollte…

Und dass es jemanden gab, der diese Schlacht entscheiden konnte, daran glaubte Mafariel nicht. Aber alle schlugen sich tapfer, auch der Kommandant lebte noch und kämpfte erbittert ums Überleben.

Bald sollte der Rückzugbefehl kommen. Doch dann geschah etwas Seltsames. Es fielen immer mehr Ritter, doch nicht durch die Äxte der Echsen, sondern durch die Klingen der Söldner. Erschrocken sah sich Mafariel um. Er traute seinen Augen nicht, konnte nicht glauben was er da sah.

Die Söldner hörten auf, die Buras zu bekämpfen und fielen über die Ritter her. Bei den Engeln, was geschieht hier?

Der Anführer der Söldner schlug einen weiteren Buras nieder, der ihn eigentlich nicht angreifen wollte, sondern ihm ein neues, scharfes Schwert reichte. Aber Mafariel war dies egal, niemals wollte er sich mit diesen abscheulichen Kreaturen verbünden. Überhaupt, welcher Wahnsinnige ist bloß auf diese Idee gekommen und konnte die Söldner auch noch davon überzeugen?

Eine Wahnsinnstat braucht einen Wahnsinnigen, der sie ausführt… „Opeg!“, Mafariel schrie den Namen voller Abscheu heraus, „Opeg! Welch Wahnsinn hat dich geritten!“

Die Söldner und Buras starrten den wutentbrannten Mafariel erschrocken an. In seinen Augen flammte das Feuer des Hasses auf. Er rannte auf Opeg zu, seine Klinge zum Schlag erhoben- doch noch ehe er diesen ausführen konnte, wurde Mafariel von einem Söldner und einem dieser echsengleichen Wesen festgehalten.

Mit aller Kraft versuchte sich Mafariel aus den Griffen der Beiden zu lösen, doch sie waren zu stark.

Vor allem der Echsenmensch mit seinen langen Armen, die sich wie Schlangen um seinen Körper wanden, hatte Mafariel fest im Griff. „Mafariel, ich verstehe deine Wut. Ich hätte dich schon vorher über meine Pläne aufklären sollen, aber du warst ja ständig zu sehr mit dir selbst beschäftigt.“

Mit sanfter Stimme sprach Opeg den zornigen Mafariel an. Vor seinem geistigen Auge, sah sich Mafariel dem Verräter eigenhändig das Herz aus der Brust reißend.

Wie konnte er es nur zulassen, dass sich das Dunkle auf Tierrana ausbreitet? „Was hat dir Feraziel für deinen Verrat an der freien Welt versprochen?“ Mafariel spuckte diesen Satz, voller Abscheu dem Herrscher der dunklen Engel gegenüber, aus.

Opeg aber war es egal, ob sein früherer Anführer ihn nun hasste oder nicht. Er war nun sein eigener Herr hier draußen, mit seiner eigenen Armee. Mafariel wusste, dass dies den Mann, der sein ganzes Leben unter der Knechtschaft der Ritter verbracht hatte, schon immer gereizt hatte. Doch niemals hätte er erwartet, dass er dafür über Leichen gehen würde.

„Ich weiß, dass ich mich dafür schämen sollte“ begann Opeg, nun wieder mit lauter, kräftiger Stimme. Die Söldner hatten sich um die Beiden versammelt. Einige hielten triumphierend die Schwerter und Schilde der stolzen Ritter von Catallien in den Händen, andere ihre Gefangenen aus diesen Reihen. Auch der Kommandant war unter ihnen. Bewusstlos hing er in den Armen dreier Söldner, die mit stolzer Brust nahe bei ihrem neuen Anführer standen.

„Ich sehe es so, Mafariel. Die Menschen scheinen nur in Zeiten der größten Not ihre Nächstenliebe wieder zu entdecken. Ansonsten sehen sie nur die Macht und den Reichtum. All die Könige und Adligen verschanzen sich in ihren Palästen aus Glas, sicher hinter den schützenden Mauern ihrer befestigten großen Städte.
Sie schicken uns einfaches Volk hinaus in die Schlacht, um ihre goldenen Gesäße zu beschützen. Sie sehen nicht, dass ihre Welt verloren ist, Mafariel. Sie sehen nur ihre Reichtümer, sie scheren sich einen Dreck um uns und ihre Ritter. Siehst du, hier draußen, wo der Einfluss der Reichen und Schönen nicht mehr wirkt, da sind wir die Herren. Hier draußen herrscht das Recht des Stärkeren. Und das werde ich sein.
Ich, Opeg aus Zandania werde der stärkste und mächtigste Herrscher über die freien Länder des Nordens sein. Den dunklen Drachen werden sie mich nennen. Erzittern werden sie vor mir, diese erbärmlichen Fürsten, sie mir zu Füßen legen werde ich, sie werden meine Fußabtreter sein!“

Opeg verfiel in einen Rausch von Euphorie. „Der dunkle Drache“, Mafariel hatte ein ungutes Gefühl dabei, und wie um dieses zu bestätigen, hörte er auf einmal das Schlagen von gewaltigen Flügeln.
Opeg sah den Söldner an, wieder einmal hatte der Wahn von ihm Besitz ergriffen,

„Hörst du sie? Meine Kinder, sie kommen, sie kommen mir zu dienen…“ wisperte er.
Drachen.
Wie die Boten eines grausamen Schicksals, wie der Donner, welcher den Zorn der Götter ausdrückte, stiegen sie hinter den Hügeln empor. Riesige Kreaturen, die ihre Unheil verkündenden Schatten über das Land warfen.
In Mafariels Brust explodierte ein Schmerz, als er der größten und stolzesten der geflügelten Bestien entgegen sah. Etwas in ihm regte sich, als der Drache auf die Gruppe um Opeg zusteuerte, es war wie ein Wink der Götter.

Auf einmal war da dieser Schrei, ein helles Licht blendete Mafariel, er konnte spüren, wie sich seine Aufpasser von ihm lösten. Benommen und geblendet sank er auf die Knie. Er spürte Hitze. Sie brannten.

Vor langer Zeit, als sich die Engel entschieden, auf die Welt hinab zu steigen und den hilflosen Geschöpfen wie Väter beizustehen und die junge Welt zu beschützen, brachten sie die Himmelsechsen mit. Sie waren ihre Boten und Verbündeten im Kampf gegen die Dämonen aus der Schattenwelt. Doch als der Krieg der Engel beendet war und die Unzel (die weißen Engel) Tierrana für immer verließen, blieben die Drachen als Schoßhunde der dunklen Engel zurück.

Doch Eines sollte immer bestehen bleiben- die Drachen unterwarfen sich niemals einem anderen Geschöpf als einem Engel. Alles andere war für sie ein gefundenes Fressen.

Mafariel wusste, dass diese Schlacht nicht gewonnen werden konnte. Wieder einmal war ein Mensch nur das Werkzeug, waren die Handlanger nur das Spielzeug der Mächtigen gewesen.

Sie alle sollten von vornherein sterben. Um dies zu gewährleisten, spielte der Erzengel seine Diener und seinen Feinde gegeneinander aus. Nun waren alle Karten aufgedeckt und die letzte Schlacht galt als gewonnen. Er sah auf zu den Wolken. Feuer- der Himmel brannte.

Es war der Schlag der Götter; Hitze, überall diese panischen Schreie. Er rannte, rannte um sein Leben, er wollte leben, seine Frau ein letztes Mal wieder sehen. Es roch nach verbranntem Fleisch, brennende Menschen liefen um ihn herum und er rannte, immer weiter in die Ungewissheit.

Mafariel sah ihn brennen, den Verräter. Vor Schmerzen weit aufgerissen, sahen die braunen Augen zu ihm herüber, während ein weiterer Schwall des alles vernichtenden Feuers auf das Land niederging. Opeg hatte seinen Irrtum erkannt, doch es war zu spät. Der Verräter wurde verraten.

Mafariel lief weiter, er konnte ihnen nicht mehr helfen.

Dann sah er ihn, seine Glieder erstarrten- Angst und Bewunderung überkamen ihn zugleich, da er wusste, dass dies seine letzte Schlacht gewesen war. Dann kam das Feuer- nach ihm die Dunkelheit…

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Published inGarten der Engel

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