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Druswyns Geschichte

Das Ende

Druswyn saß auf ihrem Pferd. Es war schon alt, lahmte etwas und war oftmals ziemlich stur. Aber mehr hatte ihre Mutter ihr damals nicht geben können. Die guten Pferde des Hengstacker Hofes waren schlichtweg zu teuer und wurden sowieso nicht nach Thal gebracht. So musste eines der Breeländer Pferde herhalten. Leider hat dieses die bisherigen Ereignisse nicht sehr gut überstanden, so dass es beim ersten Anzeichen von Gefahr scheute und – wenn Druswyn nicht auf ihm saß – es vorkam, dass es einfach davon galoppierte. Deshalb war es lange in den Ställen von Bree geblieben, während Druswyn sich auf ungewisse Reisen mit oder ohne Andromos gemacht hatte.

„Wo ist er?“, Druswyns Stimme war befehlend, vielleicht drohend aber auf jeden Fall so laut, dass sicherlich jeder Gast der Taverne mithören konnte. Der hagere Küchenjunge verlor fast den Boden unter den Füßen und er schnappte bereits nach Luft – Druswyn hatte ihn mit beiden Händen am Kragen gepackt und riss ihn immer weiter in die Höhe.

„I…Ich weiß nicht… Wie ich sagte, ist er plötzlich aufgebrochen und hat sein Zimmer aufgegeben. Er hatte wohl nicht vor, so bald zurück zu kehren.“, stotterte der Küchenjunge, sichtlich eingeschüchtert durch die hochgerüstete Menschenfrau mit der Berufung des Hauptmannes.

Druswyns Helm hätte wohl schon gereicht um den Burschen an der Wand zu befestigen, zeigte der prunkvolle Hauptmannhelm doch Ausläufer die ein wenig wie Hörner wirkten. Schnaubend setzte sie den jungen Burschen wieder ab und er war froh, dass sie nicht ihren Zweihänder vom Rücken zog um ihn zu enthaupten. Denn so wie sie ihn anblickte schien sie genau dieses vorzuhaben.

„Er hat nicht zufällig gesagt wo er hinwollte?“, sprach sie nun etwas ruhiger. Ihre Fassung langsam zurück bekommend.

Der Küchenjunge rieb sich den Hals und schüttelte vorsichtig den Kopf: „Nein, er murmelte irgendetwas vor sich hin. Ich glaube er sprach von Abenteuern fern von Bree. Es wirkte auf mich als suche er die Herausforderung weiter im Herzen des Feindes.“

Druswyns Augen weiteten sich erstaunt: „Oh, Andromos, wenn ich dich dort erwische… welcher Bilwiss hat dich geritten…Bursche, wenn ihr lügt….“, schon wurde ihr Blick wieder finster. Der Küchenjunge winkte panisch ab.

„Falls er doch noch hier sein sollte…sagt ihm: Falls er mich suchen sollte, ich bin in den Trollhöhen. Aber er soll mir keinesfalls nachreisen sondern in Bree auf mich warten.“ Mehr musste er nicht wissen. Also weder der Küchenjunge noch Andromos. Es gab da etwas persönliches zu klären…

Verwinkelt waren die Trollhöhen, das Pferd verfluchte seine Reiterin bestimmt das ein oder andere Mal, als sie erneut bergauf oder durch irgendein Gewässer mit ihm ritt. Nun ja, mehr als Schritttempo gönnte das alte Pferd sich nicht mehr. Druswyn zerrte das Pferd auch mehr in eine Richtung als das es in irgendeiner Form freiwillig gehen würde.

Plötzlich brach ein riesiger Bär aus dem Unterholz. Sein Gebrüll und die angsteinflößende Haltung auf den Hinterbeinen waren mehr als deutlich. Die Tiere hier in den Trollhöhen waren Besuchern nicht gerade aufgeschlossen. Druswyn erinnerte sich, vor einigen Stunden war sie schon einmal auf eine Bärin gestoßen. Diese konnte sie sich aber mit einem gezielten hieb ihres Zweihänders vom Leibe schaffen. Dieser Bär hier war um einiges größer und sicherlich nicht davon angetan das Druswyn nach Bärenblut roch. Welch fataler Fehler.

Mit einem kräftigen Hieb schlug der Bär Druswyn aus ihrem Sattel. Ihr Pferd stürzte und kam nicht schnell genug wieder hoch um weiteren Hieben des wütenden Fellknäuls zu entkommen. Schmerz durchfuhr Druswyns linke Schulter, als sie unsanft am Boden aufkam. Ihre schwere Rüstung hatte nicht gerade dafür gesorgt, dass sie sich elegant abrollen konnte. Plump schlug sie auf dem Waldboden auf, ihr entfuhr ein Schmerzenslaut. Mühsam stemmte sie sich nun hoch, den Zweihänder in der rechten Hand haltend, der linke Arm hing etwas herab.

Als sie vor sich das blutende, halb zerrissene Pferd liegen sah, hatte sie ein ganz schlechtes Gefühl im Magen. Der Bär richtete sich gerade wieder auf und wandte den mächtigen Kopf in ihre Richtung. Furcht überkam Druswyn. Doch sie schalt sich innerlich selbst, jetzt nur nicht aufzugeben.
„Eine kräftige Stimme hast du für deine Gefährten, sie zu ermutigen im Kampfe. Doch für dich selbst hast du keinen Ton? Wie erbärmlich.“, Druswyns Atem stockte als sie die wohl bekannte Stimme wahrnahm. Sie gönnte sich einen knappen Seitenblick, den Bären kurz aus den Augen lassend. Er war es wirklich!

Der blonde Mensch schulterte eine mächtige Hellebarde, die grünen Augen hatten den Bären fixiert. Keine Angst war darin zu sehen, Übermut, Selbstsicherheit und Arroganz. Keine Herausforderung war dieser Bär für Richard. Zumal er nicht allein war. Hinter ihm versammelten sich eine Handvoll weiterer Männer, sie waren mit Armbrüsten und Schwertern ausgerüstet. Erstere wurden gerade geladen und auf den Bären gerichtet.

Nach einem knappen Befehl erschossen sie den Bären, welcher durch die Bolzen tödlich verletzt zu Boden ging. Richard hatte keinen Finger gerührt. Druswyn viel auf, dass er mittlerweile einen Bart trug, der ihn künstlich älter wirken ließ. Aber wieder etwas, um sich Respekt zu verschaffen. Wussten seine Gefährten mit wem sie umherzogen? Druswyn vermutete das auch diese nichts weiter als Banditen und Räuber waren.

So stand sie da, den linken Arm nur unter Schmerzen bewegen könnend, in der rechten Hand noch immer den Zweihänder haltend. Auch wenn dessen Spitze gen Boden gerichtet war. Ihre dicke Rüstung wog schwer auf ihren Schultern. Ihr Pferd war tot.

Richard trat an sie heran, während sein Gefolge einen Kreis um Druswyn bildete. Langsam.

Mit einem kecken, überheblichen Blick musterte er Druswyn. Warum war ihr diese offensichtliche Überheblichkeit nicht schon damals aufgefallen? Oder empfand sie diese nur jetzt so? Angestrengt beobachtete Druswyn seine Gefährten aus den Augenwinkeln.

„Oho, wer hat dir denn das Gesicht zerkratzt?“, grinste er sie an. Woher sie die Narbe unter dem rechten Auge hatte ging ihn gar nichts an. So beantwortete sie seine frage lediglich mit einem finsterem Blick. In ihrem Kopf hatte sie ein Gedankenkarussell, unterschiedliche Gefühle prasselten auf sie ein, völlig Gegensätzliche Handlungsdränge wollten sie bewegen. Es war das reinste Chaos. Es kostete Kraft nichts davon nach außen scheinen zu lassen, zu verharren und abzuwarten was nun auf sie zukommen würde.

„Meinen Respekt, du bist immer noch am Leben, Dru. Selbst diesem Nazghul bist du entkommen.“, es war ein Lachen von Richard’s Gefährten zu vernehmen. So war es also Richard gewesen der seine Schergen im Schwarzwoldlager hatte. Dort, wo Druswyn das erste Mal auf Andromos gestoßen war. Dort wo Amdir mit der Nazghulklinge verletzt wurde. Druswyns Faust um den Griff des Zweihänders knackte.

Richard spazierte um sie herum, sein hämisches Grinsen hätte sie ihm am liebsten auf der Stelle aus dem Gesicht geschnitten. War er denn für nichts anderes hier um sich über sie lustig zu machen? Nach all dem? Der Tod ihres Vaters, das Niederbrennen ihres Heimatdorfes. Wahrscheinlich war er auch dafür verantwortlich, dass ihre Mutter immer noch an irgendeinem seltsamen Gift litt. Sie sollte ihn töten. Auf der Stelle.

„Wo ist deine Armee, Dru? War deine Ausbildung so schlecht? Och… hatten deine Eltern etwa nicht genug Geld für die Militärakademie? Du bist hier ganz allein und willst ein Hauptmann sein?“

„Schweig!“, Druswyns Stimme zitterte. Mehr als sie eigentlich wollte. Zuviel verriet es über ihren Gemütszustand. Doch noch konnte sie ihre Tränen zurückhalten. Was wollte er bezwecken? Sie heulend und wimmernd zu Boden gehen sehen? Nein, diese Genugtuung würde er nicht bekommen. Sie würde nicht nach dem warum fragen, sie hat letztes Mal auch keine vernünftige Antwort bekommen. Richard war einfach so. Ihr viel kein geeignetes Schimpfwort ein, das ihm auch nur annähernd beschreiben könnte.

„Du bist ein Niemand, Druswyn. Wenn man nach deinem Namen fragt, kennt dich keiner. Drüben in Thal bist du nur die verlorene Tochter auf der der gleiche Fluch wie auf ihren Eltern liegt.“, mittlerweile stand Richard wieder vor ihr. Seine Stimme hatte nichts Spottendes mehr. Er klang mehr wie ein Vater, der einen guten Ratschlag geben wollte.

Druswyn schluckte und blickte ihm in die Augen, wollte keine Schwäche zeigen. Genau das wollte er, ihre Aufmerksamkeit. Seine Stimme war sein Werkzeug. Er wusste wie man Menschen manipulierte, wusste wie man jene mit schwachem Geist anführen konnte. Er war ein Hauptmann, doch er nutzte seine Gabe als Redner für düstere Zwecke.

„Druswyn du bist am Ende, sieh‘ es ein. Wenn du uns begleitest zeige ich dir wie man stark wird. Wie man sich das nimmt, was man verdient hat. Du kannst…“, weiter kam er nicht. Der Rest des Satzes ging in einem Schmerzenslaut unter. Zornig erwiderte er ihren Blick und griff mit beiden Händen nach ihrem Handgelenk. Ihr Zweihänder ragte ihm aus dem Rücken, sie hatte seine rechte Schulter durchbohrt.

Zielstrebig blickte sie ihn an: „Ich brauche keine falschen Freunde um zu leben. Ich werde niemandem etwas wegnehmen, nur weil ich es selbst haben will. Ich bin nicht wie du. Ich bin nicht wie mein Vater. Ich bin ich.“ Richard schlug nach ihrem Gesicht, wodurch sein Plattenhandschuheinen schmerzhaften Riss in ihre Wange grub. Es blutete stark.

Die Armbrüste wurden erhoben und obwohl Druswyn sehr offensichtlich Richard als Schutzschild nutzte, feuerten die Anderen. Unter Schreien und Getose ging Richard zu Boden, durchlöchert von Armbrustbolzen. Druswyn rannte. Sie stieß einen der Armbrustschützen um, entriss ihm das Schwert und stach ihn damit nieder. Dann rannte sie weiter, stets die Bäume im Rücken. Sie wußte das Nachladen der Armbrüste würde Zeit kosten, aber dann waren diese Kriegswaffen tödlich. Druswyns Schulter schmerzte im Lauf, mit dem Schwert in der rechten Hand schlug sie sich die Äste vor dem Gesicht weg.

Bald schon hörte sie das Surren der Bolzen in der Luft, die Männer waren ihr dicht auf den Versen. Heißes Blut verteilte sich über ihre Wange, tropfte das Kinn herab und färbte ihren Kragen rot. Einige Bolzen schlugen knapp neben ihr in einen Baumstamm. Sie hörte das brüllen eines Bären, Hufgetrappelt von Wildhirschen und duckte sich auch unter einem riesigen, fliegenden Insekt hinweg. Der Wald war aufgescheucht und sie war blind hineingerannt. Zum Glück waren Richards Gefolgsleute ohne ihren Anführer auch nicht mehr als ein aufgeschreckter Hühnerhaufen, der ziemlich wirr durch den Wald huschte.

Ein erneuter stechender Schmerz durchbohrte ihre linke Schulter. Die Wucht des Armbrustbolzens riss sie zu Boden. Tränen des Schmerzes schossen in ihre Augen und verklärten ihre Sicht. Hinter sich hörte sie einen gellenden Schrei und einen wütenden Bären. Er hatte sein erstes Opfer gefunden.

„Steh auf!“, brüllte Druswyn sich selbst an. Dann stemmte sie sich hoch, doch sofort wurde ihr schwarz vor Augen. Wankend ging sie voran, den rechten Arm nach vorne ausgestreckt. Ihre Knie waren kurz davor nachzugeben, als sie sich an einem Baum festhalten konnte. War das ihr Ende?

Ein Wolfsjaulen war das letzte, dass sie vernahm, bevor die Ohnmacht sie gänzlich einhüllte.

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