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[Gruppe 3] Kapitelabschluss: 5 – Das Vermächtnis der Jeanne D’Arc

Raziels Füße rutschten quietschend über den Boden, als sie sich gegen diesen stemmte.

„LASS MICH LOS!“, sie zerrte an Tarots Hand, mit der er ihren Arm festhielt, während er sie aus dem Raum und über den Gang schleifte. Sie wandte sich mit aller Kraft aus seinem Griff, nur mäßig erfolgreich. Innerlich fluchte sie, kein Vampir mehr zu sein, es wäre ein leichtes gewesen sich zu widersetzen. Doch Tarot ging unbeirrt weiter den Gang entlang zur Treppe nach oben. Raziel stolperte hinterher, griff nun mit der freien Hand nach seinen Fingern und wollte diese einzeln von ihrem Arm nehmen. Sein Griff wurde fester, dass es schmerzte und das wiederholen ihres Ausrufs einen schmerzverzerrten Unterton bekam. „Du tust mir weh!“

Dem Ruf gefolgt, kam nun Niklas schnell die Treppe hinunter gelaufen. Die Müdigkeit von dem Nickerchen eben war bereits vollständig verflogen, der Grimm in seinem Gesicht wechselte aber zur Überraschung, als er Tarot erblickte: „Was ist los?“

Tarot reagierte nicht, dafür Raziel: „Niklas! Wir haben einen Dämon im Haus! Markus legt sich gerade mit ihm an!“
Niklas Augen weiteten sich: „Warum hilfst du ihm nicht?“, der Vorwurf ging gegen Tarot, an dem Niklas nun aber eilig vorbeihuschte: „Fuck! Warum macht er das alleine?!“ Da er sowieso keine Antwort von Tarot erwartete, ging er sehr schnell in einen Sprint über. Wieder zogen Raziels Schuhe mit einem Quietschen über den Boden: „Tarot! Lass. mich. los! Was soll das?!“

Niklas blickte kurz zurück als er vor der Tür stand, die er als die richtige vermutete – was wohl an dem Krach dahinter lag. Er fing den Blick von Tarot auf – und die Welt explodierte.

Raziel hörte das Krachen der Innenwand und sah zugleich, wie Niklas auf die Knie ging. Völlig haltlos klappte sein Körper nach vorne und der Boden schien seinen Körper hart abzufedern, als er auf diesem aufkam. Raziel konnte auf die Entfernung sehen, dass etwas Blut aus Niklas Ohr floss, der rest des Gesichtes lag am Boden. Auch die Geräusche, die man von drinnen hören konnte waren nicht besonders vielversprechend. Raziels Herz raste – und sie schrie ein schrilles, entsetztes Gefühl heraus, dass nicht enden wollte.

Raziel erwachte.

Stimmung
Die Welt um Raziel zerriss, die Wände wurden durchsichtig, sodass sie hindurch blicken konnte. Alle Materie war wertlos und sogar die Körper um sie herum wirkten wie geisterhafte Schemen, die Energie bei den Bewegungen produzierten. Ihr Kopf wandte sich zu dem Dämon, der hinter der Wand wütete, die Luft um ihn herum schien schwarz zu pulsieren, das Flammenschwert hingegen hatte einen zornigen, goldenen Schimmer und für einen Moment schien es Raziel, als würde jede Bewegung von Markus einen fließenden Abdruck in der Wirklichkeit hinterlassen. Seine Energie stob aus ihm heraus, überall dort, wo der Dämon ihn verletzt hatte, verlor die gesamte Gestalt etwas Farbe und wurde zunehmends grauer – so wie die Struktur des Gebäudes.

Risse bildeten sich in dieser Form der Wirklichkeit, vom Dämon ausgehend. Hindurch wühlten sich purpurne Dornenranken, die wie ein fleischiger Organismus alles andere unter sich begraben wollten. Schwärzliches Gift triefte an diesen pflanzenartigen Ranken herab und ätzte den Boden weg. Der Dämon selbst schien ebenfalls davon überzogen zu sein und Raziel sah, wie diese Ranken seinen Schultern entsprangen und angriffslustig in Markus Richtung zustoben. Dort wo sie seine Schulter trafen, spritzte Vitae und die Haut wurde verätzt. Das purpurne Gift frass sich bis zu seinen Knochen, es war als hätte der Dämon ihn damit angespuckt. Raziel war wie erstarrt, ihr eigener Schrei hallte noch immer in ihren Ohren.

Sie riss ihre Arme problemlos zu sich vor den Oberkörper und legte die Handflächen zwischen ihre Brustbeine, dort wo vor Jahrhunderten das Kreuz ruhte, welches sie durch die Schlachten geführt hatte. Es war ihr, als leuchtete es an dieser Stelle und erwärmte sie von innen heraus. Das Leuchten schoss durch ihren Rücken hindurch nach oben, um dort einen Bogen zu machen. Raziel nahm ihre Umgebung nun nicht mehr wahr – für einen Augenblick formte das Licht riesige Schwingen eines Engels.

Raziel stürmte vor, rannte den Flur entlang und es war ihr, als würde sie nun selbst leuchtende Abdrücke in der Wirklichkeit hinterlassen, die golden nachschimmerten. Der Boden erzitterte, als sie sich vor Niklas auf die Knie sinken ließ. Auch er war nichts weiter, als eine beschädigte Hülle für etwas machtvolles. Raziel sah seinen Avatar, verzerrt und dunkel ruhte er in seiner Seele. Er wollte toben und rasen, sie legte ihre schimmernden Hände auf Herz und Stirn von Niklas, um ihn zu besänftigen. In einem Echo aus Gefühlen und Gedankenbildern sprach sie zu seiner Seele, die weitere Erinnerungen von ihr beherbergte. Es war eine zeitlose, aber gemeinsame Reise in ferne Gefilde, fernab von menschlicher Vorstellungskraft.

„Komm. Steh auf. Wir müssen Markus da rausholen. Ich brauche deine Hilfe.“, sprach sie nun sanft. Langsam bekam sein Körper wieder Farbe, das grau wich. Das Blut, welches aus den Augen getreten war, hinderte ihn nicht mehr diese zu öffnen. Das Leben kehrte wieder zurück, nachdem er den Tod kennengelernt hatte. Doch war er sich dem Leben nun mehr bewußt denn je. Raziel lächelte. Niklas war jetzt ein Euthanatos, auch wenn nur er das gerade verstand. Ein Mundwinkel hob sich von ihm, ihr Avatar war wunderschön und machtvoll. Mehr als sein eigener… oder einfach anders?

Die beiden Magi erhoben sich wieder, Raziel legte die Finger an die Schläfen. Diese Sicht der Dinge war auf Dauer anstrengend. Niklas riss die Tür auf. Über Tarot dachten beide gerade nicht nach, es gab wichtigeres zu tun.

Das Dämonenblut quoll aus der Tür und Niklas griff reflexartig nach Raziel um sie davon zurück zu ziehen. Stinkender Qualm zog auf, als der Boden davon zerfressen wurde.

„FUCK!“, Niklas spähte in den völlig zerstörten Raum, der vollends mit dieser purpurschwarzen Soße bedeckt war. Das Dämonenblut schmolz gerade die restliche Einrichtung in sich ein. Von Spank oder Markus keine Spur, aber da war ein sehr großes Loch in der Wand zum Nebenraum. Niklas war mit zwei großen Sätzen an der anderen Tür und riss auch diese auf, allerdings vorgewarnt mit Sicherheitsabstand um dem ätzenden Blut auszuweichen.

„Was zur…“, Raziel legte eine Hand über Niklas Mund: „Sag es besser nicht…“, dann folgte sie seinem Blick an die Decke, von der etwas von dem zähflüssigem, schwarzen Blut tropfte. Der völlig verdrehte und hingerichtete Körper von Markus hing dort, mit den Gewändern Chamuels gehalten – durch das Katana in die Decke gerammt. Die Konstruktion war nicht besonders stabil, die Stoffe rissen langsam, das Katana drohte aus der Decke zu rutschen und der Kopf von Markus hatte eine ungesunde 180° Drehung vollführt – das Fleisch an seinem Hals hatte schon Risse, es waren deutlich nicht mehr die Knochen, die seinen Kopf am Körper hielten. Er hing wie eine ungeliebte Marionette am seidenden Faden, welcher gerade von dem Dämonenblut, welches noch an Markus haftete, zerfressen wurde.

Raziel packte Niklas gerade noch am Arm, um seinen Impuls, einfach hinein zu stürmen, zu unterdrücken. Dabei schlitterte sie allerdings doch etwas über den Boden, erst ihr Ausruf riss ihn zur Besinnung: „Nicht!“

Niklas stoppte und schaute Raziel hilfesuchend an. Er hatte absolut keine Idee, wie sie ihm jetzt helfen konnten. Spice hätte einfach ein Portal an der richtigen Stelle aufgemacht und wäre mit Markus hindurchgeschlüpft.

„Diese verfluchte Kröte!“, stieß er nun aus.

Raziel blickte ihn irritiert an, ehe er erklärte. Seine Hände waren zu Fäusten geballt: „Fuck, wenn Enigma Spice nicht zum Vampir gemacht hätte, könnte sie ihn da problemlos runterholen!“

Tarot stand unverhofft hinter den Beiden und sprach in der gewohnten, ruhigen Art: „Du kannst das auch, jetzt wo du vollkommen bist.“ Er blickte kurz zu Raziel: „Obwohl sie gerade erst begreift, was sie da in den Händen hält, ihr könnt das zusammen schaffen. Du mit der schicksalshaften Sphäre der Entropie und der Macht über die Zeit und sie mit der Macht des Kerns und des Lebens.“

Niklas und Raziel runzelten die Stirn, ersterer schüttelte den Kopf: „Hey, sowas ähnliches hab ich schonmal gehört…“, er dachte dabei an die Theoriestunden mit Acid zurück, bei denen er nur mit einem Ohr zugehört hatte. Er konnte sich in den Arsch beißen, dass er sowenig Interesse an der Theorie gehabt hatte.

Raziel seufzte und deutete auf Markus Hals, der gerade noch ein gutes Stück länger wurde: „Was haben wir schon für eine Wahl. Wir müssen es irgendwie versuchen und zwar schnell! Wenn er den Kopf verliert, rieselt da nurnoch Asche!“

Niklas musterte Tarot misstrauisch: „Kannst du uns nicht helfen? Du kannst doch sonst auch alles.“

Tarot hob einen Mundwinkel: „Euch rinnt die Zeit davon.“, das reißende Geräusch von Stoff erklang von der Decke und Markus Körper schlitterte ein Stück weiter hinab. Damit wandte Tarot sich von dem Raum ab und spazierte den Flur entlang nach oben.

„Also Nein.“, knurrte Niklas und wandte sich wieder dem Raum zu: „Manchmal frag ich mich was in seinem Kopf vorgeht.“

Wie auf Kommando erklang die Melodie von War – What is it good for aus Tarots Mund in gepfiffener Form.

Raziel legte eine Hand auf Niklas Schulter und sie schüttelte den Kopf: „Lass dich nicht ablenken, wir haben was zu tun.“

Niklas nickte: „Magick nennt sich das.“

~*~

„Halt den Kopf fest!“, schnauzte Niklas Raziel an.

„Was glaubst du, was ich hier tue! Wenn du nicht so wackeln würdest, ginge das viel besser, okay!“, keifte sie zurück, während sie mit beiden Händen den Kopf von Markus festhielt.

Stefan rollte mit den Augen: „Anstatt euch anzufauchen, könntet ihr beide auch einfach weiter gehen. Das ding ist schwer!“, er stemmte das Metallbrett, welches sie als Trage missbrauchten, wieder hoch und zog demonstrativ daran, um Niklas, der am anderen Ende festhielt zum gehen zu bewegen. Raziel ging nebenher und achtete auf den Kopf, welcher doch etwas hin und her schwang, da Niklas beim gehen humpelte.

Endlich in dem Raum mit dem seltsamen Gerät, welches aussah wie eine Unterdruckkammer, angekommen, legten sie die Trage direkt auf das Bett daneben. Niklas musste sich hinsetzen, das rechte Hosenbein war komplett zerfressen und es roch nach verbranntem Fleisch. Stefan wusch sich die Hände, um den Rest des Dämonenblutes los zu werden. Seine Finger konnte er erstmal vergessen.

„Niklas, lass mich das versuchen zu heilen.“, Raziel betrachtete sein Gesicht, er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber der Schmerz saß tief bis auf die Knochen. Niklas schüttelte den Kopf: „Kümmer dich um Markus.“

Raziel wandte den Blick wieder zu jenem, viel war nicht übrig, noch dazu wusste sie überhaupt nicht, ob die neu entdeckten Heilkräfte auch bei totem Gewebe funktionierten. Vorsichtig fuhr sie über den zerrissenen Hals und tastete nach dem Genick. Sie fing an zu schwitzen und merkte schnell wie die Finger anfingen zu zittern.

„Ich werd‘ eben Tamara beim Tragen helfen… und euch nicht weiter stören. Sagt Bescheid, wenn’s nicht mehr so heikel ist.“, Stefans Blick war besorgt. Niklas nickte ihm zu: „Ich informier‘ dich schon, keine Sorge.“

Kaum hatte sich die Tür hinter Stefan wieder geschlossen fluchte Raziel: „Scheiße, ich bekomms nicht hin!“

Niklas zog den Mund kraus und meinte: „Ihn nochmal bewegen kommt gar nicht in Frage, das war eben schon knapp als wir ihn auf die Trage gepackt haben…“

„Hey, du kannst nichts dafür, dass er dir abgeseilt ist. Wir sollten froh sein, dass ihr beide noch existiert.“, Raziel nahm die Hände wieder von Markus und legte ihre Fingerspitzen an die Schläfen. Langsam massierte sie diese, das war alles zuviel heute. Sie blickte auf die Druckkabine, die genauso aussah wie jene, in der sie erst vor kurzem aufgewacht war. Niklas wurde darin ebenfalls regeneriert. Markus musste da einfach rein. Aber mit dem lose herumhängenden Kopf war das ein Ding der Unmöglichkeit, da hatte Niklas vollkommen Recht.

Niklas zog sich hoch und humpelte zu Raziel, sein Bein dabei hinter sich herschleifend. Er betrachtete das zerfressene Häufchen Elend vor sich: „Tja… und was machen wir nun? Ihn draußen lassen und hoffen, dass er heute Nacht wieder zusammengewachsen ist? Meinst du das kann ein Vampir wieder heilen? Du kennst dich doch aus damit…“

Raziel presste die Lippen für einen Moment aufeinander, ehe sie antwortete: „Ich war einmal dabei, als mein Erzeuger sich mit nem Dämon angelegt hat… danach war er wie verwandelt. Das Problem ist nicht… das er es nicht irgendwann heilen könnte… Vampire haben viel Zeit und können sogar die Spuren von Sonnenlicht nach ein paar Nächten wieder heilen. Aber…“, nun schluckte sie schwer.

Niklas legte einen Arm um sie zum Trösten und sein Blick verhärtete sich.

„Ich werde den Dämon schon aus ihm rausprügeln, wenn sowas wirklich passieren sollte.“, dann glitt sein Blick zu dem Katana, dass neben Markus verstümmeltem Körper ruhte.

Published inRollenspiel-Storys

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