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Kapitelabschluss: Konstrukt 01B III

Akio betrachtete den leeren Inkubationszylinder. Im hinteren Teil des Labors gab es zwar noch mehr, solcher Zylinder, die auch gefüllt waren. Allerdings enthielt davon keiner eine Kopie von Amanda. Er hatte dafür gesorgt, dass alle anderen Subjekte Fehlschläge werden würden. Nichts war mit Amanda vergleichbar gewesen. Alle anderen Schöpfungen waren irgendwie fehlerhaft gewesen. Immerhin waren Teshi und seine Freundinnen aus dem Komplex entkommen. So war es immerhin möglich den Fragen nachzugehen, die ihr Besuch hier aufgeworfen hatte. Wieso lebte Teshi noch? Weshalb wollten sie Amanda in die A.R.R.U. Stecken. Welche Geheimnisse verbarg dieses Mädchen? Wieso war er nicht gefragt worden? Er hätte sofort zugesagt, wenn man ihm diese Chance gegeben hätte.
Nun allerdings hatten sie sich für einen anderen Weg entschieden. Einen Weg, der sie nicht ans Ziel führen würde. Sie würden keine Fortschritte mehr durch ihn machen, dass hatte er bereits beschlossen. Seufzend wandte er sich ab und deaktivierte den Zylinder an der Steuerkonsole. Er rief die Daten auf, die der Zylinder gesammelt hatte und kopierte diese auf einen Flashspeicher.

 

„Was tust du da Akio?“ Nataschas Stimme klang Müde und abgehetzt. Sie hatte ihn eingearbeitet, es war also einmal ihr Projekt gewesen. „Ich betreibe Datensicherung. Jetzt wo Amanda nicht mehr da ist, müssen wir noch einmal anfangen. Ihr habt doch sicher noch Genproben von Anastasia Grabs oder?“ Er hatte sich nicht zu ihr umgedreht, sondern beobachtete den Fortschrittsbalken, des Kopiervorgangs. „Ja, ja wir haben noch Material von ihr.“ Akio nickte. „Dann fangen wir nochmal von vorne an. Was sind schon sechs Wochen, wenn es um die Forschung geht?“ Natascha bewegte sich in seinem Rücken. Die Bewegungen waren langsam und unkontrolliert. Nichts war von der energischen, energiegeladenen Frau geblieben, die ihn eingearbeitet hatte. „So einfach…ist das diesmal nicht. Es geht nicht um sechs Wochen. Es wurden alle Daten vernichtet, gelöscht, oder zerstört. Wir konnten nur verschwindend geringe Datenfragmente retten. Das bedeutet das sechs Jahre Forschung vernichtet wurden. Nicht nur sechs vermaledeite Wochen! Und würdest du mich endlich ansehen, wenn ich mit dir spreche!“ Nataschas Stimme war lauter geworden, den letzten Satz hatte sie fast geschrien. Langsam, beinahe schon lässig, drehte er sich zu der Genforscherin um, die tatsächlich Ringe unter den Augen hatte, es sah wirklich so aus, als wenn sie eben erst aufgewacht wäre. „Und? Dann eben sechs Jahre. Was für einen Unterschied macht das schon?“ Nataschas Mund öffnete und schloss sich mehrmals wieder, bis sie die Sprache wiederfand. „Du…du…interessiert dich das gar nicht? Es ist dein Projekt, welches gestohlen wurde und..:“ „Es war DEIN Projekt Natascha!“ unterbrach er sie. „Ich habe nur getan wozu du nicht in der Lage warst. Nämlich Amanda soweit zu vervollkommnen das sie für die A.R.R.U. Einsetzbar ist. Deine Versuche sind ja generell gescheitert. Wobei ich nicht weiß, wieso du hier noch arbeitest, wenn du schon das Projekt an jemanden übergibst und es dann auch noch zerstören lässt.“
Nataschas Augen weiteten sich, während sie wohl versuchte seine Worte zu verstehen. Aber entweder war sie beschränkter als er dachte, oder aber sie war sich über seine Anschuldigungen vollkommen im klaren. Beides lies ihn den Mundwinkel leicht nach oben verziehen. Natascha hatte diesen Gesichtsausdruck schon immer gehasst, und er liebte es sie so ein wenig zu provozieren. „Natürlich stört mich das. Immerhin ist auch meine Arbeit damit vernichtet worden. Aber im großen und ganzen gibt mir das die Chance ganz von vorne anzufangen, ohne deine Fehler, die ich erst noch ausbügeln musste. Also bin ich vielleicht nicht so traurig, wie ich sein sollte.“

Natascha starrte den jungen Japaner immer noch an. Er hatte ihr eben gesagt das sie unfähig war. Das sie Fehler beim Projekt gemacht hatte. Er hatte ihre sechsjährige Arbeit in den Dreck gezogen. So lies sie sich nicht von einem Laborassistenten behandeln. Besonders nicht, wenn dieser nichts besseres war, als ein Schönling mit einem Intelligenz steigerndem Chip. „So kannst du nicht mit mir reden du räudiger Straßenkater! Ich bin immer noch deine Vorgesetzte!“ Akio drehte sich wieder um, als ein leises fiepen den Abschluss des Kopiervorgangs anzeigte. Er zog den Flashspeicher aus der Konsole und lies ihn in seine Hosentasche gleiten. „Das mag sein. Aber du hast dieses Projekt mir gegeben und ich halte dir nichts weiter als Fakten vor. Diese Fakten wirst du akzeptieren müssen, denn sie entsprechen der Realität Natascha. Wie ich bereits sagte, werde ich das Projekt neu aufziehen und ich werde sicher keine sechs Jahre für die Forschung brauchen.“
Nataschas blaue Augen funkelten wie Saphire, als sie ihn mit schneidender Stimme erwiderte: „Du vergisst das ich deine Zugangsrechte immer noch beschränken kann! Du vergisst, dass du MEINE Ressourcen für das Projekt benutzen musst. Es ist und bleibt also mein Projekt. Allerhöchstens wird es zu unserem Projekt, aber niemals wird Amanda zu DEINEM!“ Akio drehte sich wieder um, ohne Natascha eines weiteren Blickes zu würdigen. „Du kannst skandieren was du möchtest, aber verlass MEIN Labor dafür! Ich habe zu arbeiten!“
Schnaubend drehte sich Natascha um und verschwand durch die offen stehende Schiebetür. Auf Akios Lippen lag ein leichtes Schmunzeln. „Sollte sie sich doch aufregen. Sein Zwilling hatte ganze Arbeit geleistet. Daten vernichtet, das Projekt in Sicherheit gebracht, sogar Alexej zum verzweifeln gebracht. Wirklich ganz hervorragend. Nichts anderes hatte er von seinem Ebenbild erwartet. Perfektion schien in der Familie, oder dem Klon zu liegen. Das blieb noch zu klären, aber dafür hatte er noch genug Zeit. Langsam begann er einen Metallkoffer zu packen. Er brauchte Ausrüstung, wenn er Amanda erforschen wollte. Ausrüstung, die er außerhalb dieser Einrichtung sicher nur schwer bekommen würde. Also besser vorbereitet sein. Kurze Zeit später klappte er den Deckel zu und hob ihn testweise an, um das Gewicht zu prüfen. Perfekt. Der Koffer würde ihn kaum behindern. Ein letztes Mal lies er seinen Blick durch das Labor gleiten, dann zuckte er mit den Schultern und verließ seinen Arbeitsplatz. Zurückblicken war noch nie etwas für ihn gewesen. Er hatte lange genug für diesen Verein gearbeitet. Zwar gab es hier noch eine Menge Geheimnisse zu entdecken aber er konnte später wiederkommen und sie holen. Jetzt war es erst einmal Zeit ein anderes Geheimnis zu lüften. Klon? Bruder? Wofür war Amanda gedacht gewesen? So viele Geheimnisse in der Welt da draußen. Immer noch Schmunzelnd drückte er den Knopf für den Fahrstuhl.

~*~

Natascha ging in ihrem eigenen Labor auf und ab. Akio hatte sich zum negativen entwickelt. Nicht nur das er sie tatsächlich überflügelt hatte, nein er hatte sie auch aus der Fassung gebracht. Er hatte ihr auf jedem Terrain gezeigt, dass er ihr überlegen war und das ohne überhaupt irgend etwas zu tun. Er hatte nur geschmunzelt. Sie würde sich nicht von so einer räudigen Scheunenkatze runter kriegen lassen. Egal wie sehr sie seine Fähigkeiten gebraucht hatten. Der Chip war zu gefährlich geworden. Es wurde Zeit ihn weiter zu entwickeln und einem weniger eigensinnigen Geschöpf einzupflanzen. Das bedeutete natürlich das auch ihr Experiment mit Akio endete, aber er hatte gute Testresultate erzielt. Alles weitere lies sich auch mit weniger schwierigen Probanden testen. Dafür war er nicht weiter wichtig. Sie brauchte nur die Einwilligung der Stammväter. Die lies sich aber sicherlich organisieren.
Sie setzte sich an ihren Laptop, den Alexej soweit wieder hergestellt hatte, dass er wenigstens wieder funktionierte, und schickte eine Kommunikationsanfrage. Der Bildschirm wurde sofort schwarz und eine verzerrte Stimme fragte: „Ja?“
So schnell hatte sie gar nicht mit einer Antwort gerechnet. Das hieß wahrscheinlich nichts gutes. „Ich würde gerne einen Antrag auf Projekteinstellung stellen.“
„Um welches Projekt handelt es sich?“
„Das Projekt „AKIO. Der Proband wird zum Problem und der Chip scheint unangenehme Nebenwirkungen zu haben. Die Kontrollkomponente scheint ausgefallen zu sein. Ich würde daher zur Sicherung der Anderen Projekte lieber eine Beendigung der Tests veranlassen.“
„Hat das etwas mit dem Angriff auf ihr Labor zu tun, bei dem eines der anderen Projekte verschwand?“
Natascha schluckte und war gerade sehr froh, dass ihr Gegenüber ihr Gesicht auch nicht sehen konnte.
„Nunja. Ja!“ Sie atmete tief durch. „Ich habe berechtigten Verdacht, dass Projekt AKIO am verschwinden von Projekt Amanda beteiligt war. Er ist nicht mehr tragbar für uns.“
„Wir verstehen. Wir haben ihr Gesuch abgewogen und stimmen ihm hiermit zu. Beenden sie Projekt AKIO und holen sie Projekt Amanda zurück!“
Natascha atmete erleichtert auf. „Sehr wohl.“ Der Bildschirm wurde wieder normal, die Verbindung war unterbrochen worden. Mit geschlossenen Augen dachte sie noch kurz über das Gespräch nach. Eigentlich war das zu einfach gewesen. Sie hatten ihr sehr schnell erlaubt den Chip zu entfernen und noch schneller waren sie über das Verschwinden und den Einbruch hinweg gegangen. Hier stimmte irgendetwas nicht. Egal darüber würde sie sich Gedanken machen, wenn sie mit Akio fertig war. Sie erhob sich und verließ das Labor.

~*~

Die Sonne ging gerade über der Steppe auf und überschüttete die Dünen mit blutrotem Licht. Es sah beinahe aus wie eine See aus Blut. Mit erstarrten Wellen und Gischt auf den Kronen. Eine wunderbare Landschaft, aber Akio hatte kaum einen Blick für diese Wilde Unberührtheit. Er hatte nur ein Ziel: Severedonetsk und das würde er noch vor Mittag erreichen. Wenn nur dieser elende Kopfschmerz nicht wäre. So konnte er überhaupt nicht denken und das war jetzt eigentlich nötig. Wie sollte er denn die Geheimnisse entschlüsseln, wenn sein Kopf kurz vor der Explosion stand?
„Das Projekt wurde beendet.“
Nataschas Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Er blieb stehen und sah zurück. Da stand sie. Ihr blondes Haar, wie immer zu einem strengen Zopf gebunden. Ihr schmaler Körper aber steckte in einer Kampfrüstung. Vollkommen in halbflüssigem Stahl gekleidet stand sie auf der Düne über ihr.
„Ich dachte schon sie hätten dich direkt abgefrühstückt. Aber scheinbar haben sie mir meine Ausführungen nicht geglaubt.“
Natascha rührte sich nicht, dafür wurden seine Kopfschmerzen schlimmer. Was war hier los? Wieso wirkte sie so? „Heute wird das Experiment mit dir beendet. Deine Haltbarkeit ist abgelaufen.“ Ihre Stimme war schneidend. Akios Gesicht verzog sich zu einem Schmunzeln. „Tut mir leid, aber ich glaube nicht.“ Nataschas Lächeln erstarb, während sie langsam nach vorne sackte und die Düne herunter rollte. Genau vor ihm kam sie zum liegen. Ihr Gesicht war ausdruckslos und nur ihre Augen bewegten sich noch. „Dachtest du wirklich du könntest einfach in mein Labor marschieren, MEIN Projekt für deines ausgeben und dann auch noch mich ausschalten?“ Akio schüttelte den Kopf. „Natascha, so wirst du nie eine gute Wissenschaftlerin. Du hättest dich wirklich nicht so provozieren lassen sollen. Das ist ungesund siehst du?“ Er beugte sich zu ihr herab und strich etwas Schaum von ihrem Mundwinkel. „Du bist schon längere Zeit einem Zellgift ausgesetzt gewesen. Ich wusste du würdest mich irgendwann ausschalten wollen, um Amanda wieder zu deinem Projekt zu machen, sobald es abgeschlossen war. Deswegen habe ich die Apparaturen der Inkubationsröhre mit dem Zellgift präpariert.“ Akio zog einen Mundwinkel nach oben. „Ich habe bei der Bedienung immer Handschuhe getragen. Du offensichtlich nicht.“
Immer noch lächelnd stand der Japaner auf wandte sich ab und fiel wie vom Blitz getroffen um. Natascha hätte am liebsten gelacht, aber das Zellgift verhinderte das. Egal. Der Plan war aufgegangen.

Published inRollenspiel-Storys

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