Zum Inhalt

Klares Denken

Mein Blick ging wieder zum Telefon, welches neben mir auf dem Bett lag. Ich konnte Rin nie wieder unter die Augen treten. Niemals! Das zog mich viel mehr runter als die Angst vor Gambit – die belebte mich eher noch. All diese Gefahren hielten mich am Leben, ob ich sie nun selbst verursacht hatte oder sie Teil meines Pfades waren. Gefahr bewegte mich, nicht so wie in Okinawa, wo ich vor mich hindümpelte. Nein, ich brauchte diese Action irgendwie.

Aber ich konnte Rin nicht erzählen, was ich getan hatte. Ich konnte nicht guten Gewissens überhaupt mit ihr sprechen. Sogar Umeko hätte ich es erzählen können, dafür wäre ich bereit gewesen. Seltsam. Warum war das so? Sie war selbst so vermenschlicht… aber sie war noch immer ein Vampir, sie hatte selbst schlimme Dinge getan. Sie wusste, wie das ist. Wie es ist ein Raubtier zu sein, dass versucht sich seiner Beute anzupassen. Aber Rin?

Mein Kopf sank nach vorn bis meine Hände ihn auffingen. Sogar Anastasia und Rain haben keine reine Weste… niemand den ich kannte oder kenne. Vampire, Magier, Wechselbälger…. Adrian! Verflucht! Ich schloss meine Augen. Wir waren nicht wie Menschen, auch wenn wir so taten. Sogar diejenigen, die eingeweiht sind – so wie Adrian und Rin, haben niemals solche Dinge getan… unsere speziellen Kräfte verblenden uns. Wir maßen uns an über Leben und Tod, Manipulation und Lüge zu entscheiden. Wir schaffen mehr Probleme, als wir tatsächlich beseitigen können – und letztlich sind es doch nur die Probleme, die uns selbst interessieren. Wir helfen nicht, wir machen es nur noch schlimmer!

Ich nahm die rechte Hand von meinem Kopf und betrachtete den Schnitt auf meinem Daumen. Irgendwann ereilt uns die gerechte Strafe für unser tun. Aber es rücken immer neue Leute nach, neue Vampire werden gewandelt, neue Magi erwachen… und irgendjemand wird immer versuchen das alles zu beherrschen. Das wiederum liegt auch in der Natur des Menschen… ein ewiger Kampf umd ie höchste Position, die ewige Angst von seiner Position verstoßen zu werden. Wie die Tiere, die um das Überleben kämpfen, nur mit mehr Möglichkeiten, mehr Schmerz, Hass und Angst. Und diejenigen, die sich selbst aus diesem System aussperren sind auch allein.

Einsamkeit.

Anastasia ist ein Wunder… sie macht das Beste aus der Situation, sie arbeitet mit mir zusammen….trotzdem. Sie ist überhaupt nicht zerbrechlich…. genauso wie Rain. Sicher, beide haben wunde Punkte – aber sie sind viel stabiler als die meisten Frauen mit denen ich zutun hatte. Anastasia, Rain und Rin. Warum kann ich es ihr nicht erzählen? Weil alle Erinnerungen mit ihr glückliche sind. Keine Sorgen und Ängste, die ich mit ihr verbinde. Das weiße Blatt, das ich nicht verdrecken will…. Kim wird nicht mehr lange machen, aber das ist soweit weg für mich – außerdem weiß ich, dass sie stark genug ist, um damit fertig zu werden. Ich kann… ihr vertrauen. Niemand, auf den ich ständig acht geben muss. Sie funktioniert problemlos alleine – und ich will da auch gar nicht eingreifen.

Aber nachdem, was ich getan habe…. Kann ich ihr eigentlich nur das Anwesen übertragen und sie fortan in Ruhe lassen. Ich richtete mich wieder auf und trat zum Fenster, blickte hinaus. Solche endgültigen Entscheidungen passten gar nicht zu mir. Dinge fort zu geben, die ich erlangt habe. Besitz, Macht, Erinnerungen. War es Zeit, los zu lassen? Neu an zu fangen und das alles hinter mir zu lassen? Warum dachte ich so?

Weil ich im Augenblick lebe. Japan war nicht nur räumlich weit weg gerückt. Was wichtig war, war hier. Die Dinge die mich beschäftigten passierten direkt um mich herum. Und ich stand bis zum Hals in der Scheiße, die ich mir selbst eingebrockt hatte. Ohne Ausrede. Ich hatte alles was ehrbar war mit Füßen getreten und wegen einer Kalkulation, die ich selbst nicht verstand, jemanden verletzt. Wirklich verletzt. Oder war das nichts weiter als das wegwischen der eigenen Hilflosigkeit, indem ich jemand anderen noch hilfloser gemacht habe?

Ich wusste es nicht, ich verstand mein eigenes tun nicht. Aber eigentlich war das doch schon immer so. Ich war kein logisches Konstrukt, welches man berechnen konnte. Sicher gab und gibt es Dinge, Verhaltensweisen, die berechenbar waren an mir. Aber nur soweit ich mir das auch selbst hätte denken können. Alles das, was ich selbst an mir nicht verstand entzog sich jeder Logik – und war damit auch für andere nicht berechenbar…. oder?

Nein, es gibt doch hoffentlich niemanden, der aus dem Vergehen an Anastasia einen Nutzen zieht… Ich schaute mich um und suchte die Zigarettenschachtel, welche ich irgendwo hin geworfen haben musste. Als ich sie schließlich fand, öffnete ich das Fenster und warf die Schachtel in hohem Bogen heraus. Wäre ja gelacht, wenn ich dem Drang nach der Zigarette nicht entgehen könnte! Ich schloss das Fenster wieder und verließ das Zimmer.

Es gab noch eine Sache zutun, bevor ich das alles hinter mir lassen konnte. Ich musste die tickende Zeitbombe entschärfen.

Ich musste mich Gambit stellen, mit allem was kommen würde. Das würde Platz schaffen. Platz für das Gleichgewicht.

Just as planned.

Published inRollenspiel-Storys

Schreibe den ersten Kommentar

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert