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Lightning

Stimmung

Das leise Rascheln der Blätter, die sich durch die sanfte Brise bewegten und das Kitzeln des Grases an meinen Knöcheln war für einige Zeit das Einzige, das mich begleitete. Den Geruch des Sektes auf meinem Hemd konnte ich für einige Zeit ignorieren, genauso wie den Lippenstift, der immer noch in meinem Gesicht klebte. Irgendwo meldete sich noch ein verspäteter Vogel zu Wort, aber dieser trübte das Bild nicht, dass sich in mir und um mich herum aufbaute.

Was hatte ich nur für ein Glück gehabt, dass meine weibliche Begleitung selbst viel zu betrunken war, um zu merken, dass der Typ neben ihr nicht mal atmete beim ’schlafen‘. Außerdem war sie verplant genug, mich einfach dort zu lassen, um bei Einbruch der Nacht bereits wieder – oder immer noch – betrunken mit dem nächsten Kerl anzukommen, den sie abgeschleppt hatte. Das Leben dieser Frau konnte nicht gut enden, aber ich hatte nur noch das Bedürfnis aus ihrer Wohnung zu kommen – ich konnte kein Anhängsel gebrauchen. Natürlich tat sie mir irgendwo leid, aber irgendwo war einfach Ende. Ich konnte nicht der ganzen Welt helfen… ich musste Prioritäten setzen.

Ich blieb stehen, atmete die frische Luft ein, als würde mich das von der durchzechten Nacht befreien. Ich schloss die Augen, um das Gefühl der Reinheit vollkommen in mich auf zu nehmen. Das Chi zu berühren und aufzutanken, meinem müden Körper wieder Energie zu geben und das schlechte Gewissen gegenüber meiner eigenen Prinzipien wegzupusten. Das Mondlicht reflektierte meinen Schatten auf den Boden und ich betrachtete meine Silhouette. Ich tauchte ein in das Farbenspiel der Grautöne um mich herum und befreite meinen Geist. Die Schatten veränderten sich, formten sich zu Kriegern. Ihre Rüstungen waren alle unterschiedlich – wo einige mit Hörnern an den Helmen trumpften, hatten andere spezielle Schulterplatten. Sie hielten Lanzen, Schwerter, Bögen und umringten mich. Die Samurai waren kampfbereit.

Ich verneigte mich und sie erwiderten dies synchron. Ich hatte keine Waffe, aber die brauchte ich auch nicht im Spiel mit meinen Schatten – ich dachte sie mir einfach, was erstaunlich gut funktionierte. Die Bewegungen waren langsam, aber präzise. Sie kosteten Kraft und Konzentration. Ich verbrachte Stunden um Stunden damit, mit meinen Vorfahren zu kämpfen – doch es war kein Kampf um Leben und Tod. Es war der gegenseitige Respekt, Kampfkunst und Hingabe. Ich war voll in meinem Element.

Später saß ich auf dem Boden, die Beine verschränkt, den Rücken aufrecht, die Fingerspitzen aneinander gelegt. Ich atmete ruhig, spürte die Wärme von mir ausgehen, fühlte die Umgebung um mich herum. Das Eichhörnchen, dass mich vom Baum aus beobachtete und davonhuschte, als eine etwas stärkere Böe durch die Bäume rauschte. Meine Sinne waren geschärft, meine Energie aufgefüllt – und mein Herz schlug gleichmäßig. Etwas, dass einfach zu dem Kreislauf des Chi dazugehörte. Ich fühlte mich gut!

Als ich die Augen wieder öffnete sah ich sie vor mir, ihre Silhouette bildete einen bezaubernden Kontrast zum Himmel. Ihr Haar wehte gemeinsam mit den Blättern im Wind, ihr Kleid umspielte ihre Gestalt sanft wie Wasser die Lotusblüten auf dem Teich eines japanischen Gartens. Ihre mandelförmigen Augen öffneten sich und blickten mich an, wie eine uralte Jägerin, die seit Jahrhunderten darauf gewartet hatte mich endlich zu finden, um mich dann zu erlegen. Doch ihr Gesicht war im Gegensatz dazu makellos jung, ihr lieblicher Geruch umspielte meine Sinne.

Jemand kam aus dem Wald und ich drehte meinen Kopf herum. Mit nackten Füßen kam sie zu mir heran und blieb neben mir stehen. Ich reckte den Kopf hoch zu ihrem Gesicht und bekam ein Lächeln aus dem Engelsgesicht. Ronjas helles Haar berührte mein Gesicht, als sie sich zu mir herunterbeugte. Ihre Lippen berührten meine Stirn und ich kam nicht umhin, selig zu Lächeln. Dann ging sie weiter, zu der japanischen Schönheit und an ihr vorbei.

Ronja ging.

Sie hatte ihr Leben. Ich hatte meines.

Und doch… stach es durch mich hindurch, wenn sie ging. Jeder kleine Abschied stach und füllte mein Herz mit Trauer. Aber es war besser so…. ganz bestimmt war es besser so… mein Blick haftete an der Stelle, an der Ronjas Silhouette in der Dunkelheit verschwunden war. Erst die Berührung auf meinem Kopf holte mich zurück. Der warme Duft und die Mandelaugen die auf mir ruhten, gaben mir Sicherheit und zugleich das Bedürfnis ihr Schutz geben zu müssen. Sie strich über meinen Kopf und beschenkte mich mit einem bezaubernden Lächeln, sodass ich sie nie wieder hergeben wollte.

Also erhob ich mich, um sie zu umarmen. Als unsere Nasenspitzen sich beinahe berührten, spuckte sie mir ihr Blut entgegen. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt und bevor diese leer wurden stellten sie eine Frage: Warum.

Ich zog meine Finger aus ihrem Brustkorb heraus und betrachtete das noch schlagende Herz in meiner Hand. Es war warm und roch gut. Der tote Körper krachte neben mir zu Boden und zerplatzte wie ein Wasserballon, allerdings war es Blut, welches sich überall verteilte. Das Blut wurde zu einem See und ich konnte mein Spiegelbild erkennen. Die Augen glimmten mich boshaft an und ich sah die Unterarm-langen Krallen, welche das Herz aufgespießt hatten. Ich sah die Alben um mein Spiegelbild kreisen, hörte sie heulen. Hörte mich lachen…

Mit einem Mal zersprang alles und ich schrie. Ich schrie alles von mir, meine Knie krachten auf den Boden, mein Kopf ging in den Nacken und meine Augen kniffen sich zusammen. Ich schrie – einen langen, endlosen Schrei voller Verzweiflung. Voller Angst. Voller Erschöpfung. Ich schrie in die Dunkelheit um mich herum. In das Licht, welches mich striff. Ich spürte den Schmerz kaum, als meine Krallen sich in mein Fleisch vergruben. Ich schrie, ich knurrte, als irgendetwas noch meinen Namen vernahm.

Ich hatte es umklammert, den Schmerz. Ich musste es einfach herausreißen… ich schrie noch immer, krümmte mich zusammen, als ich daran zog. – Als ich an meinem Herzen zog, um es heraus zu reißen.

Doch dann splitterte es… mir wurde der Druck im Rücken nicht sofort gewahr, etwas in mir schaltete, als es bereits zu spät war. Das Holz war im Zentrum der Gefühle und hatte alles stillgelegt….

Durch den Schleier registrierte ich sehr spät, dass es wohl Eve gewesen sein musste, die mich in ihrem Schlafzimmer gepflockt hatte… dann ging die Sonne auf.

Published inRollenspiel-Storys

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