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Now we are even…

Der Verband hielt, ich hatte dick genug gewickelt und die Schienen taten ihr übriges, damit mir der total lädierte Arm nicht noch auseinander riss. Unter dem Hemd sah es einigermaßen normal aus, aber es würde Wochen dauern, bis ich ihn wieder benutzen konnte.

Ich öffnete die Tür zum Haus und trat ein. Ein kurzer Blick in den Spiegel, der mich gleich begrüßte. Es war nichts verwerfliches an meinem Auftreten. Ich öffnete die Tür vom Windfang in den Flur und vernahm sanfte Klavierklänge aus dem Wohnzimmer. Ich warf Jacke und Autoschlüssel über einen Stuhl und folgte den Klängen zielstrebig.

Sie blickte mich an, als ich eintrat und lächelte sanft.

„Schläft er?“, frate ich leise. Sie nickte und beendete ihr Lied schließlich.

„Nach zwei Stunden Klavierspiel wacht er jetzt nicht mehr auf, sobald ich aufhöre.“, sie erhob sich und ging zu der Wiege, die beim Klavier stand, um das kleine Geschöpf darin zuzudecken. Anschließend wandte sie sich wieder zu mir herum: „Du bist schonwieder so spät zu Hause…“.

„Mir ist was dazwischen gekommen…“, mein Arm pochte und tat weh.

„Schon gut, du siehst erledigt aus. Stresst dein Chef dich immer noch so?“, sie ging in die Küche und ich folgte.

„Ja, ziemlich…“, ich betrachtete den Blumenstraß auf dem Küchentisch. Der war nicht von mir….

Sie schob meine Portion Mittagessen in die Mikrowelle und bemerkte anschließend meinen Blick: „Oh, die kamen heute Mittag. Es war auch eine Karte dabei… ich fand sie schön, du hast doch nichts dagegen?“

Natürlich fand sie die schön, es waren Lotusblüten und Rosen in einer seltsamen Farbkombination aus violett und blutrot. Sie gab mir die Karte, sie war in japanisch mit dem Wort Tokugawa beschriftet und noch zugeklebt. Sie würde nie meine Post öffnen… aber wie sollte ich dies mit nur einer Hand tun? „Ich werde den Brieföffner holen.“ Mit diesen Worten und dem Briefumschlag ging ich nach oben in mein Arbeitszimmer. Dort klemmte ich den Umschlag unter den kristallenen Briefbeschwerer und schlitzte ihn schließlich mit dem Brieföffner in Form eines Kukris auf.

Nachdem ich den kurzen Brief gelesen hatte, ließ ich ihn durch den Aktenvernichter laufen…..

~*~

Der Bass dröhnte bis hier hin, obwohl der Tanzsaal einige Wände entfernt war. Die Stirn des Japaners warf falten, mein Gesicht hingegen war ausdruckslos. Es dauerte einen Moment, bis er seinen Kimono zurechtzog und mich wieder anblickte:

„Wenn er sie hätte töten wollen, wäre das längst geschehen. Er will dir nur Angst machen.“

„Ich weiß, Echiiro-san.“

„Hat er es geschafft?“, fragte er mich.

„Was?“

„Dir Angst zu machen.“

Ehe ich reagieren konnte nickte er und sprach weiter: „Hat er, sonst wärest du jetzt nicht hier und würdest mir davon erzählen. Du kannst mir nichts vormachen.“

Ich widersprach nicht, das hätte sowieso keinen Unterschied gemacht.

„Wie geht es deinem Arm?“, er drückte etwas darauf herum, ich biss die Zähne zusammen. „Sieht nicht so aus, als könnte ich dich in nächster Zeit einsetzen…schade.“

„Es ist nur ein Arm.“, dementierte ich, aber er hob seinen Zeigefinger, um mich davon abzuhalten weiter zu sprechen: „Wir wissen beide, das meine Position nur gehalten wird, weil ich den letzten Tokugawa an meiner Seite habe. Wenn ich dich wegen soeiner Unachtsamkeit wie einen zerstörten Arm verliere, muss ich mich mit anderen Assassinen abgeben, die einen abartigen Stil aufweisen. Versteh‘ mich nicht falsch Teshi, du bist genauso ersetzbar wie jeder andere auch, aber es wäre schade um die Blutlinie, meinst du nicht?“

Er lächelte nun und ließ meinen Arm endlich los: „Wenn du stirbst, wird deine hübsche kleine Familie es nicht überleben. Außerdem möchtest du doch nicht, dass dieser Hochstapler wirklich die Familienstücke erbt. Sei also klug und halte dich etwas zurück, solange du unbrauchbar bist…. und pass‘ das nächste Mal besser auf, ja?“, der letzte Satz war eine Drohung.

Ich nickte: „Natürlich, sensei.“

Er betrachtete mich eingehend und meinte dann: „Du kannst gehen… oder was ist noch?“

„Ich will sie sehen.“, mein Blick war fest.

Echiiro lachte auf und winkte dann ab: „Nein. Die Relikte sind meine Lebensversicherung. Ich kann dir eines nach Hause schicken, als Anerkennung für die letzten Aufträge, aber ich werde dir nicht sagen wo sie sich befinden.“

Meine Haltung lockerte sich woraufhin er weitersprach: „Na, nicht zu dir nach Hause, war doch nur ein Scherz. Hinoto kann dir eines überbringen am Schattenpalast, wenn du willst. Irgendwelche besonderen Wünsche?“

„Die Kiste.“, ich verzog keinen Muskel.

Wieder lachte er auf bevor seine Miene ernst wurde: „Nein.“

Wir starrten uns eine Weile gegenseitig zu Boden und als ich den rechten Arm bewegte, zuckte sein unteres Augenlid auf der linken Seite. Ich griff aber nicht zum Katana, sondern in eine Seitentasche, zog ein Kärtchen heraus und warf es vor seine Füße. Dann ging ich.

„Hinoto soll sich eines aussuchen.“

Echiiro bückte sich nach der Karte und ich spürte, wie sein Herz einen kurzen Aussetzer hatte, dann schloss ich die Tür zu dem Hinterzimmer. Genugtuung verzog meinen Mundwinkel nach oben.

Auf der Karte stand die vollständige Adresse seiner sechzehnjährigen Tochter.

Published inRollenspiel-Storys

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