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Wingless Angel

Stimmung

Entspannt machte ich meine Runde durch den Dojo. Die Arbeit, die gestern liegen geblieben war, hatte ich bereits aufgeholt. Trotz dessen,d as ich viel zu spät aufgewacht war – aber in einem wacheren Zustand war das dann alles kein Problem mehr gewesen. Kaffee hatte ich auchschon aufgefüllt und die zurechtgeschnittenen Essensreste waren bereits in der Mülltonne gelandet. Draußen regnete es immer noch, aber davon ließ ich mich nicht niederschlagen. Ich fühlte mich frei, die Unsicherheit war fort. Es waren Dinge geklärt worden, die ich schon viel zu lange mit mir herumgetragen hatte – was wiederum dafür gesorgt hatte, dass ich ständig abgelenkt war.

Mit den Händen in den Hosentaschen spazierte ich zum Briefkasten. Ich hatte die Flügel abgelegt, den goldenen und den weißen. Ich dachte die ganze Zeit, ich könnte damit fliegen, dabei waren sie einfach nur schwer und hielten mich am Boden, schliffen hinter mir her. Weil sie mir nicht gehörten, es waren nicht meine Flügel. Sie gehörten Ronja und Eve. Ich nahm die Briefe zur Hand und schaute sie durch, während ich zurück ins Büro schlenderte, als hätte ich alle Zeit der Welt.

Wo ich gestern am liebsten alles zerschlagen hätte was mir lieb und teuer war, war heute einfach nur eine angenehme Ruhe. Dabei gab es genügend Dinge, über die ich mir Sorgen machen müsste. Allen voran dieser Alf, der es auf Ronja abgesehen hatte – und die Drohung das der Primogenrat vernichtet werden würde. Heute Nacht. Umeko würde zu dem Zeitpunkt bei mir sein und entweder der Ärger kam dann direkt mit und es zerriss sie oder ich könnte meinen Teil dazu beitragen, das sie es übersteht. Aber solange es nicht geschah konnte ich auch nicht wissen, ob ich etwas gegen diese Dinge tun konnte. Ich konnte mich nur vorbereiten.

Mit Disziplin und Kontrolle. Wann hatte ich aufgehört die Tugenden der Samurai zu befolgen? Als ich starb… mein Herz schlägt wieder, also sollte ich zu den Tugenden zurückkehren und meinen Part ausfüllen. Sicher, die Frauen waren wehrhaft. Das konnten sie beweisen, als ich selbst nicht dazu in der Lage war… das durfte aber nicht mehr geschehen.

Ich legte die Briefe auf den Schreibtisch und sortierte die Zahlungsaufforderungen. Die letzten Träume waren seltsam, aber weniger beängstigend gewesen. Der andere Teshi hatte eine Familie, die er beschützen wollte. Das machte ihn menschlich. Mein Unterbewußtsein signalisierte mir, das jeder eine Motivation hatte und deshalb nicht von Grund auf bösartig sein musste… nagut, außer die verwilderten Vampire vielleicht. Aber solange es etwas zu beschützen gab, war man noch nicht verloren.

Ronja lebte und würde mich wahrscheinlich sogar überleben. Onokos Zeit war bald zuende, aber sie würde sich wohl einfach zu den Geistern in ihrem Trainingsraum gesellen und es wäre wie immer – nur losgelöster von der stofflichen Welt. Umeko…

Ich hob den Blick von den Papieren und blickte an die Wand vor mir, an der ein Bild hang. Es war das Familienbild, welches ich heute morgen erst angebracht hatte. Die glücklichen Gesichter meiner Zieheltern und ich selbst, sich der Welt noch unbewußt. Umeko war ein Vampir und hatte sich damit abgefunden, hatte den Fluch aktzeptiert und machte wohl das beste daraus…. machte sich zur Zielscheibe ihrer Art mit ihrem Posten und hatte sicherlich einige Tricks in der Hinterhand, damit sie so unverhofft dorthin kam. Stephane hatte sein Misstrauen nur allzu deutlich kund getan, die Frau wusste das politische Spiel der Camarilla gut zu spielen. Das war die Seite an ihr, die ich nicht kannte und wahrscheinlich auch nicht kennenlernen wollte…

Ich legte die Rechnungen zur Seite und stand auf, ging zu den Ordnern der letzten Jahre, bis ich schließlich den fand, den ich gesucht hatte. Ich nahm ihna us dem Regal und legte ihn auf den Schreibtisch, begann zu blättern. Schließlich fand ich die Briefe der Anwaltskanzlei sowie die Dokumente zur Erbschaft. Ich las sie mir nochmal genau durch und betrachtete den Stammbaum, den die Anwälte in mühseliger Kleinarbeit zusammengetragen hatten.

Ohja, ertappte ich mich also gerade selbst dabei, wie ich meinen Träumen glauben schenkte? Das jemand anderes mit meinem Namen der richtige Erbe wäre? Sortiere deine Gedanken…

Warum hatte ich mir eigentlich nie zuvor die Namen meiner Geschwister angesehen? Kiro, der Besitzer des Dojos… er war auch nur zehn Jahre älter als ich. Sayuri fünfzehn Jahre und Daiki als Ältester war siebzehn Jahre älter als ich.  Beide lebten irgendwo in Japan. Es war der Kanzlei nur nicht möglich gewesen sie auszumachen. Aber waren es nicht vier? Ich blätterte weiter. Ah… hier stand etwas. Die Kanzlei hatte immerhin feststellen können, dass nochein Kind weggegeben wurde. Die Spur verlor sich aber in Amerika.

Ich stieß einen überraschten Pfeifton aus. Das konnte jetzt alles mögliche bedeuten. Das einzige was sie wirklich herausfinden konnten, war, das wir beide ungefähr zur gleichen Zeit weggegeben wurden – an unterschiedliche Organisationen. Es ist aber sonst überhaupt nichts über das andere Geschwisterkind bekannt.

Ich klappte den Ordner wieder zu. Das brachte mich überhaupt nicht weiter. Ich bearbeitete noch die neuen Rechnungen, bevor ich zum Training ging. Heute waren sowohl Dirks als auch Inoues Künste dran, das füllte mich wieder aus und gab mir Ziele – ebenso wie die folgende Meditation.

Der Tag war schön.

Published inRollenspiel-Storys

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