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Zwischen Wahn und Sinn und blauem Meer – Urlaub

Es ist nicht immer einfach zu entscheiden, welcher Weg der richtige ist. Geht man den einen, führt er in eine Sackgasse, der andere ins Verderben. Stecken bleiben oder verzweifeln. Eine Wand aus Schmutz oder Bienen, die einen wieder auferstehen lassen. Welchen Weg man auch geht, es ist nicht einfach. Ich hatte das Gefühl, den falschen gegangen zu sein, es fühlte sich seltsam an. Es war der Weg, der mich zu den Bienen führte, die Bienen führten mich in den Park. Im Park wartete ich, ich wartete ab und gab mich den Bienen hin. Ich sah auf, sah die Geister all jener, die an diesem Ort ein jähes Ende gefunden hatten, vor Jahrtausenden, vor Jahrhunderten. Vor wenigen Tagen. Sie hatten keine Bienen, die sie wieder zusammen flickten. Sie konnten diese Welt nicht nach Belieben betreten und verlassen. Ich hatte Glück gehabt. Glück im Unglück, trifft es wohl eher. Wieder einmal hatte sich gezeigt, dass sie mir ebenbürtig war. Schade, ich hätte zu gern gesehen, wie sie wutentbrannt durch die Tür gestürmt kam und ich sie nochmal hätte erschießen können. Am Ende wäre es aber zu meinem Nachteil geworden und ich könnte meine Suche vergessen. Und darum stehe ich hier, versuche den richtigen Weg zu finden und ihr Vertrauen wieder zu gewinnen. Ich spürte sie, sie stand bereits hinter mir. Wir waren am Leben, doch wie lange noch?

Mit einem Grinsen auf den Lippen, wandte er sich um und sah der Frau vor ihm in die dunklen Augen. Sie war noch immer angespannt, aber nicht mehr so wütend auf ihn, wie in dem Moment, in dem sich der todbringende Schuss aus ihrer Waffe gelöst hatte. Um sie herum herrschte reges Treiben. Es hatte sich nicht viel geändert, im geschäftigen London. Menschen liefen noch immer gestresst durch die Straßen und stürmten Läden. Weihnachten war nur noch zwei Tage entfernt. Sie rannten, rissen sich gegenseitig die letzten Exemplare begehrter Bücher und Videospiele aus der Hand. Kinder tollten im Park umher, sie beachteten das ungleiche Paar nicht, niemand bekam mit, wie sie aus dem Nichts erschienen waren und sich seitdem nicht mehr regten.

Benutze deine Kräfte, mach sie eine gewisse Zeit unschädlich und setze dann Sidans Plan um. Mir hat sie gefallen. Sie hatte gute Ideen. Los, bevor es zu spät ist. Sie wird die anderen schnell benachrichtigen.

Sich streckend löste er sich aus der Starre und ging ein paar Schritte um Sayuri im Kreis. Sie folgte ihm mit ihren unnachgiebigen Blicken. Myar kannte diesen Blick, sie hatte Blut geleckt und vertraute ihm nicht mehr. Sie würde ihn töten, wenn es sein musste.

Es ist wirklich schade um sie, mir wären noch viele lustige Dinge eingefallen, für die sie nützlich gewesen wäre. Los jetzt, wir haben nicht viel Zeit!

„Lass uns doch einen Kaffee trinken gehen, Sayu. Es lohnt sich doch nicht, diese kleine Meinungsverschiedenheit auf eine solch brachiale Art auszutragen. Du liebst doch gesittete Umgangsformen. Lass uns ins God gehen.“

Nein! Was tust du? Verräter! Du verrätst dich und dein Ziel. Betäube sie, los! Lass uns von hier verschwinden!

Es war leicht zu erkennen, wie sich die Überraschung auf Sayuris Gesicht breit machte, kurz bevor sie ihre versteinerte, ausdruckslose Miene wieder aufsetzte und Myar mit ihren Blicken zu durchbohren schien.

„Eine seltsame Eingebung, nachdem, was gerade passiert ist. Findest du nicht?“, ihre Stimme hätte Eiszapfen zum Gefrieren gebracht.
Mit einer einladenden Geste, deutete Myar zum Ausgang des Parks und bot Sayuri seinen Arm an. „Gerade wegen dem, was vor wenigen Augenblicken passiert ist, halte ich es für sinnvoll, dass wir uns nochmal in Ruhe, auf neutralem Boden unterhalten.“ Sayuri folgte ihm, ohne seinen Arm anzunehmen. „Schließlich verfolgen wir doch beide dasselbe Ziel. Wir wollen beide dafür sorgen, dass uns ein gewisser Illuminat nicht mehr schaden kann.“ Es war nicht einfach für Sayuri ihm durch die dichte Menschenmasse bis zum Horned God zu folgen, aber sie wich ihm nicht von der Seite und nickte immer wieder stumm. Im Lokal angekommen, setzten sie sich an einen freien Platz und bestellten jeweils einen schwarzen Kaffee.

Ihre Ziele sind nicht die deinen. Sie will ihre eigenen Probleme lösen, Techniken und Möglichkeiten gegen ihre eigenen, unreinen geheimnisse finden. Wenn sie hat, was sie will, ist es nicht mehr wichtig für sie, wer Garcia findet und wer ihn tötet. Du musst ihr zuvor kommen. Vertraue ihr nicht, sei kein Narr!

Klirrend wurde der Kellnerin das Tablett aus der Hand geschlagen. Mit einem entsetzten Aufschrei, sah die junge, brünette Dame zu, wie sich der heiße Kaffee über das Gesicht und die Hand ihres Gastes ergoss. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. Sie konnte es sich nicht erklären, wie ihr das passieren konnte. Sie arbeitete seit fünf Jahren in der Gastronomie, meistens als Kellnerin und zwei Tassen Kaffee waren keine große Herausforderung. Sich entschuldigend, fing die Kellnerin an, Myars Gesicht und Arm abzutupfen. Sie erkundigte sich immer wieder um sein Wohlergehen, ob er sich verbrannt hätte oder ob sie einen Arzt holen solle. Sayuri betrachtete die Szenerie skeptisch und ließ die Kellnerin einfach zwei neue Tassen Kaffee bringen. Verwirrt tat sie, wir ihr Gast es wünschte. Die Bienen sollten den Rest verrichten.

„Also gut, dann lass uns reden. Was sollte das eben? Was ist los mit dir?“, ihre Stimme war herausfordernd und noch immer konnte man ihre Wut spüren.
Überrascht auf sich selbst deutend zuckte er mit den Achseln: „Mit mir? Es ist alles in bester Ordnung. Ich mache mir nur Sorgen um Alice und um unsere Mission. Meinst du nicht, sie könnte eine Gefahr werden? Wenn sie schon potentiellen Schläfern zur Flucht verhilft?“

Der Kaffee wurde gereicht, dieses Mal ohne weitere Zwischenfälle. Sie tranken beide sich anschweigend. Sie sah ihn abschätzend an, ihm war klar, dass sie ähnlich über ihn dachte.

„Du bist aber noch immer kein Psychologe. Alice wird nach Seoul gehen, dort wird man ihr professionell helfen können.“

Myar kannte die Art der Hilfe, die man in Seoul erhielt. Wenn man Glück hatte, konnte man entkommen, bevor sie einem endgültig den Kopf verdreht hatten. Während er darüber nachdachte, begann ihm Alice ein klein wenig leid zu tun.

„Na gut.“, stimmte er nickend ein. „Alice geht nach Seoul und ich werde für eine Zeit lang Urlaub machen. Die Karpaten sollen zu dieser Jahreszeit sehr hübsch sein. Ich mag den Winter. Er ist so reinigend. Danach stehe ich dir und unserer Mission wieder zur Verfügung.“ Er machte eine kurze Pause und sah Sayuri lächelnd entgegen. „Was hältst du davon? Du bekommst das hier…“ er schob einen Kreditkarten großen PDA vor sie auf den Tisch. „… und wirst just-in-time mit Informationen versorgt, die Abby an dich weiter leitet. Und du kannst mich damit an piepen- und nur du. Ich möchte die nächsten zwei Wochen nicht gestört werden.“

Sayuri nahm das kleine, schwarze Kästchen entgegen und betrachtete den matten Bildschirm, auf dem in graue Schrift auf mintgrünem Hintergrund Zahlen und Buchstaben umher tanzten. Sie war schon immer etwas skeptisch diesen technischen Hilfsmitteln gegenüber eingestellt. Es wurde Zeit, dass sich das änderte.
„Diese Abby. Wie schaltet man sie ab?“, fragte sie ohne den PDA weiter zu beachten. Unwillkürlich zuckten seine Finger und die Anspannung zwischen ihnen stieg wieder an. Diese Frage kam überraschend. Es gab diesen Gedanken für ihn nicht, man konnte es tun, aber durfte es nicht. Man konnte ihn nicht abschalten.

„Es gibt einen Weg, aber der ist geheim. Ich würde niemals…“, sie unterbrach ihn jäh: „Wie schaltet man sie ab?“ Sie sahen sich einen Moment lang schweigend an. Dann seufzte er: „Also gut. Abby überträgt dir die Position der Server auf den PDA. Sie müssen alle abgeschaltet werden und…“ Mit einem stummen Aufschrei nahm das Gesicht der jungen Frau vor ihm Gestalt an. Mit einem Mal sah er Feuer rings um ihn herum. Er sah, wie seine Wohnung brannte, wie seien Akten Feuer fingen. Und mitten drin stand die blonde Göre und sah zufrieden zu, wie sie sein Heim abfackelte. Dann hörte er die Sirenen.

Ohne ein weiteres Wort schwang er sich über den Tisch, rief Sayuri noch zu, sie solle ihm folgen und er rannte aus dem God heraus. Auf der Straße hatte sich bereits eine Menschentraube gebildet, die fasziniert nach oben sahen und die Flammen betrachteten, welche aus den berstenden Fenstern züngelten.

„Dieses kleine Miststück. Okay, ich werde sie da herausholen gehen. Kümmere du dich um die Feuerwehr.“ Sayuri sah entschlossen zu Myars Wohnung hinauf. Er nickte und sah sich suchend um. Die Feuerwehr kam mit Blaulicht und Martinshorn angefahren. Die Menschen auf der Straße machten eilig Platz, die großen, roten Autos mit den Limonen gelben Streifen hielten und ein Dutzend Feuerwehrmänner rannten wie Lemminge in schwarzer Schutzkleidung in einer Reihe zum Haus. Hinter dem Löschfahrzeug hatte sich ein Krankentransport eingefunden. Aus seiner Manteltasche eine Schachtel Zigaretten heraus kramend, steuerte Myar auf den Krankenwagen zu. Mit einer geübten Handbewegung, schnippte er eine Kippe zwischen seine Lippen, umrundete das Fahrzeug und klopfte gegen die Fensterscheibe des Fahrers.

„Hey sie, haben sie vielleicht Feuer für mich? Ich hätte schwören können, ich habe mein Feuerzeug eingepackt.“, nuschelte er durch die Zähne heraus. „Aber wie das manchmal so ist. Man muss die Underground noch bekommen und vergisst die Hälfte.“ Grinsend zuckte er mit den Achseln und sah zu dem fettleibigen Fahrer auf, der ihn mit skeptischem Gesichtsausdruck entgegen sah.

„Tut mir leid, ich rauche nicht.“, antwortete dieser, leicht genervt. „Aber sie haben doch bestimmt einen Zigarettenanzünder da drinne.“ Seufzend beugte sich der Fahrer nach vorne und man hörte ein Klicken. Weiter grinsend sah Myar schweigend zum Fahrer und wartete darauf, dass ihm der Herr das glühend heiße Metall vor die Nase halten würde.

„Was ist denn da passiert?“, fragte Myar beiläufig, während er an seiner Kippe paffte. „Hat da wer den Christbaum unbeaufsichtigt gelassen?“

„Was da passiert ist, weiß ich auch nicht. Wir sind hier, weil sich noch eine Frau in der brennenden Wohnung befindet. Sie hat sich wohl eingesperrt.“

Myar schmunzelte und schüttelte mit dem Kopf: „Hachja, diese Frauen. Wenn sie panisch werden, vergessen sie sogar, wie man ein Türschloss bedient.“ Er erntete abfällige Blicke.

„Sie haben jetzt ja ihr Feuer. Entschuldigen Sie mich, aber ich muss aussteigen und die Trage vorbereiten. Die Kollegen werden jeden Augenblick mit der Dame heraus kommen.“

Myar trat einen Schritt zur Seite und die Fahrertür wurde geöffnet. Erst jetzt konnte er einen Blick auf den Beifahrer werfen, der bis zu diesem Zeitpunkt auf seinem Platz still schweigend verharrt hatte. Ein kurzer Blick zu beiden Seiten gefolgt von einem elektrischen Knistern in der Luft und die Notärzte sanken in sich zusammen.

„Ihr macht erst mal Mittagspause.“, schmunzelte Myar. Er hatte nicht viel Zeit, mit einem Blick zur Haustür konnte er bereits erkennen, wie Sayuri, verkleidet als Feuerwehrmann mit der hustenden Alice das Gebäude verließ. Schnell wurden die beiden Männer aus dem Auto gezerrt und auf dem Fußweg abgelegt. Die Hintertür zum Krankenwagen öffnete sich.

„Keine Sorge, Ihnen wird bald geholfen.“ Myar konnte sich nicht helfen, aber Sayuri mit männlicher Stimme, hatte eine betörende Wirkung auf ihn. Die Tür wurde wieder geschlossen und er stieg ebenfalls in den Wagen ein.

Mit Blaulicht und Sirene fuhren sie los.

Manchmal entscheidet man sich für den richtigen Weg. Ihr vertrauen zurück zu gewinnen, wird sicherlich schwer werden. Ich würde mir ja selbst nicht immer gänzlich vertrauen. Aber ich sollte mich erst einmal zurück halten. Allein wird es schwierig, ihn zu finden. Den Weg, zu dem Verräter. Der Werwolf vor mir, hat den falschen Weg genommen, das steht fest. Ich genieße die Schlacht in den Bergen und bereite mich vor. Der Weg wird lang und ein harter Kampf steht bevor.

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