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Ehre wem Ehre gebührt

Dein Platz ist nicht bei uns, du bist ein König, das ist dein Weg.

Schakal öffnete die Augen, der Schauplatz vor seinem geistigen Auge schwand langsam und machte der Wirklichkeit platz. Dem hier und jetzt. Der Geruch ihres Parfüms hing noch in seiner Nase, während er einen finsteren Blick zu dem Kainiten warf, dessen amüsiertes Schmunzeln sofort erstarb. Nach einem weiteren Augenblick schaute er respektvoll zu Boden und räusperte sich: „Mein Lord…“

Schakal richtete sich in dem Ledersessel wieder auf, kurz ließ er den Blick über die Bibliothek schweifen, blieb an der Schriftrollensammlung hängen, schaute auf das vor ihm ausgebreitete Pergament und rollte es zusammen. Die Handgezeichnete Karte Hamburgs verschwand schweigend in der Papprolle, welche er nun mit einem Metalldeckel verschloss. „Was gibt es, Ritter?“, fragte Schakal nüchtern.

Der Vampir in dem Kettenhemd mit dem blonden Haar und der großen Narbe in Kreuzform, dessen Mitte auf seinem linken Auge zusammenlief, blickte wieder auf: „Die Dame ist wieder aufgewacht, ihr batet darum das ich euch informiere, sobald…“ Schakal stiefelte bereits an ihm vorbei, ohne auf das Ende seiner Ausführungen zu warten. Der Ritter folgte ihm: „Ich sollte euch warnen, sie ist…“, ein Handwink brachte ihn zum Schweigen.

„Ich weiß.“, die Kettenhemden der beiden Ventrue schepperten beim Gehen und Schakal stapfte durch das Gutshaus. Auf dem Weg zu den Schlafsälen stürmte der Ghul eilig aus einer Nebentür direkt auf die beiden Vampire zu. Sie gingen gleichauf und sahen es nicht ein ihren Schritt zu verlangsamen, sodass der Sterbliche beinahe rückwärts stolperte: „Mein Lord, ich habe Neuigkeiten für Euch.“

Schakal nickte auffordernd, sodass der Ghul weitersprach, während er versuchte seine Zettel nicht fallen zu lassen: „Es gibt offensichtlich mehrere Kopien von MacLaren. Ich habe Videoaufzeichnungen gesehen und unser Hintermann in der Camarilla hat bestätigt, dass jemand von Siemens dahinter steckt. Er wurde dupliziert, wohl als Ablenkungsmanöver.“

„Wenigstens in diesem Punkt hat Amare nicht gelogen.“, bemerkte Schakal kühl und öffnete eine weitere Tür. „Wirklich neu ist das nicht.“, der ernste Blick des Ventrue ließ den Ghul zusammenzucken: „Äh, nein, natürlich nicht. Was immer ihr sagt, Hoheit.“ Dann zog er einen Zettel aus dem Stapel, den er in der Hand hielt, zitterte dabei etwas und flog eilige über die Zeilen, die er selbst notiert hatte.

Die Vampire hatten ihn stehen gelassen und waren jetzt vor dem Schlafraum angekommen. Mit einem Blick bedeutete Schakal dem Ritter, draußen zu warten und hatte die Hand schon am Türgriff, als der Ghul von hinten meinte: „Ich habe da noch etwas, mein Lord.“ Schakal wandte den Kopf leicht zur Seite: „Sprich.“

„Das Original scheint aus diesem Dämonenhaus herausgekommen zu sein.“, Schakals Mundwinkel hob sich und er nickte. Dann trat er in den Raum ein, nachdem er höflich angeklopft hatte.

Das prunkvoll eingerichtete Zimmer war eigentlich eines von jenen, die Schakal selten betrat. Es war ein beinahe unbenutztes Gästezimmer, dass dennoch den Komfort bot, den ein königlicher Gast verdient hatte. Schakal schloss die Tür hinter sich und blieb an ihr stehen. Das Bett war leer, die Decke aufgewühlt. Sie war eilig daraus gestiegen und hatte wohl den Nachttisch umgeworfen. Er hatte nichts anderes erwartet, suchte den Raum mit den Augen ab.

Die Vorhänge waren zugezogen und keine Raumbeleuchtung war an, der Schlafraum lag in grauem Mondlicht da. Schakal ignorierte den Lichtschalter genau neben sich und sprach in die Dunkelheit: „Ich hoffe, ihr seid in der Verfassung euch umher zu bewegen, Shirley. Ich möchte ungern riskieren, dass ihr die Wunden wieder öffnet, die euch das Silber zugefügt hat.“, seine Stimme klang ehrlich. Der Blick fiel auf das Tablett, welches am Boden lag. Sie hatte nichts von den Nahrungsmitteln angerührt, aber der Metallende Krug mit Wasser fehlte. Er schüttelte sacht den Kopf. „Ihr solltet wirklich etwas essen…“

Ein Schmerz explodierte in seinem Kopf, als sie von der Seite mit dem Krug auf diesen einschlug. Der zweite Treffer erreichte sein Ziel jedoch nicht, er hatte ihr Handgelenk gepackt. Blut lief seine Wange herab, sie hatte eine Platzwunde an seiner Schläfe verursacht und die extra für sie durchblutete Haut weinte rote Tränen. Entsetzt über die Kraft, mit der er sie mühelos festhielt sprang sie wieder zurück, er ließ los und bedachte sie mit einem ruhigen Blick. Er machte keine Anstalten ihr nachzusetzen, wischte sich mit zwei Fingern über die schmerzende Stelle und betrachtete knapp das Blut an seinen Fingern, dann musterte er Shirley wieder.

„Ihr seht nicht gut aus, spart eure Kräfte besser auf für eure Genesung.“, an einigen Stellen hatte sie noch immer diese unschöne Verfärbung der Wunden durch das Silber, welches noch nicht komplett wieder aus ihr herausgekommen war. Der einzige Grund wohl auch, warum sie sich nicht verwandeln konnte. Sie lehnte erschöpft an der Wand, mit nichts mehr als einem Samthemd bedeckt. Er deutete auf den Kleiderschrank: „Und ihr solltet euch einkleiden, sonst kommt noch irgendjemand hier im Haus auf dumme Gedanken. Es wäre schade, wenn ich dafür jemanden köpfen müsste.“

Shirley nickte nun langsam, krallte sich mit einer Hand in die Wand, in der anderen hielt sie noch immer den metallenden Wasserkrug, welcher nun eine Beule hatte. Alles in diesem Haus stank, auch wenn sie nicht wusste nach was. Aber es machte sie krank, genauso wie das Silber in ihrem Blut. Sie wollte einen Schritt von ihm weg machen, ihre Knie gaben nach und sie fiel. Mit einem Satz war er bei ihr um sie aufzufangen. „Obacht… ich bringe euch besser wieder ins Bett.“, es war keine Anzüglichkeit in Handlung und Worten. Sie versank wieder in dem edlen Stoff des Bettes und ehe sie sich versah war er bereits wieder an der Tür.

„Ich werde euch eine Magd schicken, die euch helfen wird. Wenn ihr etwas braucht, wendet euch an sie.“, dann schritt er wieder nach draußen. Es kam kein Danke, sie war zu stolz dafür. Doch ihr Blick hatte alles gesagt.

Schakal blickte den Ritter an: „Passt auf, dass ihr nichts geschieht.“

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