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Kapitel 4.1.1

Glassplitter flogen durch den Raum und spiegelten das elektrische Licht, sodass ein heller Lichterregen an die Wände projiziert wurden. Das Geräusch des Motorrads dröhnte direkt an  meinem Ohr vorbei und ich spürte den heißen Luftzug auf meinem Gesicht. Instinktiv wirbelte ich bereits herum und wollte nach meinen Pistolen greifen. Beide Hände liefen ins leere und ich rollte mich an der Wand entlang.

Dem einen Motorrad folgten weitere und schnell war das Chaos ausgebrochen. Die Gruppe Toreador stob in unterschiedliche Richtungen auseinander. Sie nutzten ihre übernatürliche Geschwindigkeit um den Eindringlingen zu entkommen. Wie aufgescheuchte Hühner liefen sie beinahe durcheinander, leider hatte ich gerade keine Zeit um darüber den Kopf zu schütteln. Ich rauschte mit dem Rückengegen die Wand, genau zwischen zwei Fenstern. Ein Schmerz durchzuckte meinen Kopf, ich war wohl doch etwas zu schnell gewesen, sodass die Wand meine Bewegung abbremste.

Die Glassplitter glitten noch durch die Luft, die Fenster des neuen Thronsaals wurden als Motorraddurchfahrt missbraucht – und ich war mittendrin. Unbewaffnet. Scheiße!

Ich hätte nie gedacht, dass ich es einmal verfluchen werde, dass Waffen  jeglicher Art hier untersagt waren. Ich presste mich an die Wand und versuchte irgendwie Überblick zu behalten. Ein paar Auren überflog ich um mir ganz sicher zu sein. Die Brujah hatten sich zusammengefunden um den alles entscheidenden Schlag gegen den Prinzen zu führen – jedenfalls glaubten sie das. Zu zweit saßen sie auf den lauten Maschinen, einer fuhr, der andere ballerte mit einer Maschinenpistole in die Menge.

Bald waren die ersten durch die Tür des Thronsaals und ließen ihre Kugeln in die dort versammelten Vampire fliegen. Zwei hielten sich für ganz schlau und fuhren die Treppe des Raumes nach oben. Dort wo Cuervo und Amare …

Meine Hände ballten sich zu Fäusten, das war eigentlich genau der richtige Zeitpunkt um diesem gelackten Affen sein verlogenes Unleben aus dem Leib zu reißen. Ein kurzer Blick über den Boden, wo war der Drum Stick abgeblieben? Keine Chance, der war irgendwo unter Motorradrädern verschollen. Muna.

Ich hob den Blick wieder und sah mich um. Von Michelle keine Spur, dafür entdeckte ich das erste beschädigte Motorrad. Ein kleiner Wirbelwind mit Tierklauen pflügte durch die Angreifer. Canis Lupus war in ihrem Element, aber es waren zu viele. Außerdem verfügte sich nicht über die Geschwindigkeit, welche die Brujah an den Tag legten. Ich konnte erkennen, dass sie schon einige schwere Treffer erlitten hatte. Ich musste irgendetwas tun!

Als die Glassplitter in einem Orchester der Zerstörung auf den Boden prallten, hob es Canis von den Füßen und sie schlitterte, wie ein flach geworfener Stein es über Wasser tut, über die Rücken der Brujah. Beim letzten stürzte sie auf den Boden und rollte noch ein paar Mal seitlich weiter – bis sie vor meinen Füßen lag.

Hätte ich noch einen Herzschlag gehabt, wären es vielleicht drei Schläge gewesen in dem es für einen Moment so wirkte, als wäre alles auf Canis gerichtet. Die Brujah, die sich gerade im Raum befanden, waren mit ihren Motorrädern stehen geblieben – ihre Köpfe waren dem schmerzhaften Flug der kleinwüchsigen Gangrel gefolgt und wanderten nun empor – zu mir! Sofort schoss das Blut durch meinen Körper, es war schon längst eine Reaktion über die  ich nicht mehr nachdenken musste. Mit übernatürlicher Schnelligkeit sackte ich in die Hocke und griff mir die Pistole aus dem Hüfthalfter von Canis – wie gut das wenigstens die Geißeln hier im Berner Schloß bewaffnet sein durften.

Ich hörte jemanden sagen: „Hey, ist das nichtdieser Cyril?“, während ich die Waffe und mich selbst wieder hob. Es war eine fremde Pistole, doch es musste reichen. Mein verlängerter Arm, mein drittes Auge. Es fühlte sich zwar nicht echt an und ich brauchte einen weiteren Moment zum Zielen, doch es funktionierte. Ein Schuss der mit weiterem Tanz von Glas belohnt wurde, während ich die Mechanik in der Waffe spürte,  wie sie eine weitere Kugel in den Lauf holte, wanderten meine Arme weiter. Mit beiden Händen umklammerte ich den Griff der Pistole, spielte mich auf die Melodie der Waffe ein.

Noch ein Schuss und es war dunkel im Raum. Während das Glas der zersplitterten Glühbirne kurz in einen heißen Funkenregen verwandelt wurde und im Flug abkühlte, spürte ich die Hand von Canis an meinem Bein. Ich senkte meinen Blick zu ihr herunter und schaute in ihre nun rot glimmenden Tieraugen. Canis hatte ihre Nachtsicht angeschaltet und hatte jetzt wieder einen Vorteil gegenüber der Brujah-Bande, die das ganze Schloß auf den Kopf stellten.

Ich half ihr auf und wurde von ihr herumgeschleudert. Während wir uns an der Wand abrollten, um durch das Fenster nach draußen zu gelangen, erschallten mehrere Maschinenpistolen. Die Kugeln trafen erst im Boden vor uns und dann an der Wandentlang nach oben ein – wo wir gerade eben noch gestanden hatten. Realisieren tat ich das aber erst, als meine Füße mich schnell über das Gras trugen. Wo war Canis?

Ich blieb stehen und schaute mich um. Tiefe Furchen waren im Gras, die Motorräder hatten deutliche Spuren hinterlassen. In meiner Hand war eine Pistole die nicht mir gehörte, ich verspürte etwas Hunger… und da war Lärm!

Mein Blick wanderte zum Berner Schloss, bei dessen Anblick ich einen Schritt zurücktaumelte. Die Fenster waren zertrümmert und irgendwo war Feuer ausgebrochen. Im oberen Stockwerk stieg schwarzer Rauch aus den Fenstern. Nebenbei ratterten in meinem Kopf Codeschnippsel. Ich hatte letzte Nacht einen Bug nicht finden können und ging im Geist nochmal die Milliarden Zeilen durch, die sich in mein Hirn gebrannt hatten. Wo zur Hölle lag der Fehler? Warum zum Teufel warf es mich immer noch aus dem Wiener Netz? Es musste eine der Schleifen sein… Vielleicht in Zeile 563.872.523…

Jemand riss mich am Arm herum, verdammt, ich hatte es doch fast! Instinktiv griff ich mit einer Hand nach hinten, dort wo meine Pistole stecken sollte. Doch da war sie nicht. Ich schaute meinen Gegenüber an.

„In deiner Hand, Cyril!“, bemerkte Cuervo tadelnd. Tatsächlich hielt ich eine Pistole in der Hand, auch wenn es nicht meine war. Wo hatte ich dev-null eigentlich hingetan?

„Zuhören!“, Cuervos Reißzähne waren zu sehen, offensichtlich plagte ihn großer Hunger. Aber er hatte jetzt meine Aufmerksamkeit….wo war Amare eigentlich?
„Cyril!“, autsch! Ich hielt mir die Wange und schaute den Malkavianer an. Wofür war das jetzt?

„Cyril hast du den Prinzen gesehen?“, Cuervo schaute mir in die Augen. Ich konnte erkennen, dass ihm ein Arm abhanden gekommen war. Wie unschön! „Nein, da sind überall diese verrückten Brujah…“

„Manchmal frage ich mich, warum du eigentlich noch existierst…“, Cuervos Blick huschte umher. „und ich denke da bin ich nicht die einzige Person…“

Ich folgte seinem Blick und musste feststellen, dass wir eingekreist waren. Ich konnte auf die Schnelle 27 Brujah ausmachen. Diese waren ohne Motorräder unterwegs, dafür mit Baseballschlägern, Äxten, Schwertern und einer hatte sogar eine Heugabel dabei. Bedrohlich wurden die verlängerten Muskeln geschwungen. Ich muss einen Schritt zurück gegangen sein, denn ich stieß gegen Cuervos Mantel.

„Hey, ganz ruhig Leute.“, fing ich an. Doch das schien ihnen schon Anstoß genug zu sein, um beinahe gleichzeitig auf uns zu zu stürmen. Nein, halt. Auf mich! Cuervo war weg, verdammt! Ich riss die Pistole hoch und schoss drei Mal, um die linke Flanke ins Taumeln zubringen. Die drei Brujah wurden tatsächlich etwas durch die Kopfschüsse aufgehalten, aber das würde nicht lange andauern. Ich gab zwei weitere Schüsse auf die Reihe dahinter ab, dann machte es Klick. Das Magazin war leer.

Ich starrte die Pistole an, wo hatte ich die zwei anderen Kugeln verbraucht? Wie soll man denn so kalkulieren? Eine Antwort sollte ich nicht mehr bekommen, denn ein Baseballschläger rammte sich in meine Kniekehlen, sodass  diese nachgaben. Ich landete auf den Knien und warf verzweifelt die Pistole nach dem nächstbesten Angreifer, aber nicht Mal die traf und blieb im Boden stecken.

Ein Schmerz explodierte in meinem Kopf und ehe ich wusste, was mich da erwischt hatte, lag mein Gesicht auch schon im Dreck. Ich wurde herumgerissen, die Welt drehte sich um mich – oder drehte ich mich um sie? Ich hatte keine Orientierung mehr und konnte nur ein paar wutverzerrte Gesichter ausmachen.

Ein hässliches knirschen durchzog meinen Körper, was ich mit dem Schwall aus Schmerz als gebrochene Rippen erahnen konnte. Einer der Baseballschläger zerbarst und Holzsplitter flogen durch die Luft – kein Lichtertanz, sondern einfach plumper Schmerz. Hölzerne Erkenntnis: Das war das Ende.

Ich wünschte, Raziel hätte es geschafft mich gänzlich in sich aufzunehmen. Das wäre tausendmal besser als das hier. Der Schmerz hielt mich wach und vernebelte mich zugleich. Es wurde schwarz vor meinen Augen.

Zeile 563.872.745, ein verfluchtes Semikolon vergessen und die ganze Schleife macht was ganz anderes!

Raziel….

Muna….

….

Wo bin ich? Ich fühle eine vernarbte Hand auf meiner Wange. Kann die Augen einen Spalt öffnen… Was zur…

….

Mama?

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