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Ein Kelch voll Rosen

Dero lehnte sich in dem Sessel zurück, der mit rotem Samt ausgekleidet war. Zierliche goldene Armlehnen, die sich in einer eleganten Rundung kringelten und in das Gesamtbild des großen Kaminzimmers passten. Liegen, Sessel, sogar der Beistelltisch aus Ebenholt ergaben zusammen ein majestätisches Bild, die Krönung waren die Gemälde von geschichtsträchtigen Personen aus allen Kulturen. Die Herrscher gaben sich ein Stelldichein mit den anwesenden Vampiren. Jeder auf seine Art bezaubernd, eloquent und sich der edlen Abstammung bewusst. Dero schüttelte den Kopf und hatte nur einen verächtlichen Blick dafür übrig. Der Hofstaat der Toreador wiederte ihn an, wie sie in ihrer Selbstgefälligkeit dalagen und sich selbst wie die kostbarsten Schätze dieser Welt umgarnten und dabei keinen Unterschied zwischen Mann und Frau machten – bei vielen konnte man das Geschlecht auch nur erahnen.

Inmitten dieser triefenden Eleganz saß der Primogen, Dero hätte damit gerechnet das Wynn ein Rüschenhemd samt französischer Jacke und Degen tragen würde. Es hätte wirklich hier hereingepasst, vor allem zu den anderen Clansmitgliedern. Auch die obligatorischen Rosen fanden sich und zwar in Form von Verzierungen an den Möbelstücken. Dero stach mit dem rechten Zeigefinger direkt in eine der eingestickten Rosen auf dem Sessel und fixierte Wynn mit dem Blick. Dieser lächelte gekonnt höflich und setzte den Kelch mit Blut wieder von den Lippen ab. Er tupfte sich den Mund nicht mit einem Tuch ab und auch sonst passte Wynn mit seiner schwarzen Lederkluft nicht ganz zu den anderen Toreador, dennoch hat irgendetwas dafür gesorgt das sie ihm zum Vertreter des gesamten Clanes hier in der Stadt ernannt hatten. Doch was war dieser Titel schon für Dero.

„Wie das passieren konnte?“, griff Wynn seine Frage wieder auf, „Sehen wir über die Anschuldigungen auf Unzulänglichkeiten hinweg, hat mein Erzeuger wissentlich ihr entgültiges Ende verhindert.“ Ein höfliches Lächeln huschte abermals über Wynns Lippen. Dero verdrehte die Augen.

„Langsam frage ich mich, was hier für ein Prinz herrscht, wenn ihr nichtmal in der Lage seid Sterbliche vor solchen Übergriffen zu schützen. Ihr habt ja auch kein Herz für die Anarchen, warum versaut ihr es dann mit der Maskerade? Das ist eine schwache Leistung, eine extrem schwache.“, Dero schüttelte den Kopf. „Aber warum rede ich eigentlich noch mit euch, ihr wisst eh nicht was genau passiert ist, das kann mir nur Muna sagen.“

Wynn deutete ein Nicken an: „Das ist wahr. Aber was bleibt euch anderes übrig während ihr wartet?“, Wynn machte eine einladende Geste. „Ich wiederhole mich gern, entspannt euch etwas, ihr seid unser Gast.“ Die Blicke der anderen Toreador hatte Dero längst auf sich gelenkt, aber er tat die vielsagenden Gesten und Blicke nur mit einem kurzen zucken des Mundwinkels ab.

„Vielleicht sollte ich mich an den Primogen meines Clanes wenden, ach nein, der wurde ja vernichtet. So wie ungefähr 50% der Brujah.“, Dero begann langsam Zähne zu zeigen und sich angriffslustig vorzubeugen, während er sprach. „Wenn das der Justicar spitz kriegt, was glaubt ihr wohl was hier los ist?“

Wynn stellte den Kelch auf dem Tisch ab: „Deshalb seid ihr ja hier, nicht wahr? Weil es ihm natürlich nicht entgangen ist, wie zu erwarten war. Er wäre nicht der Justicar, wenn ihm soetwas entginge. Ich nehme an ihr fordert euren Tribut dafür bald beim Prinzen ein. Für das alles, für die Dezimierung der Anarchen, für das schaffen eines Kindes, das euch zu stand und für die Vernichtung des Tzimisce Methusalems.“ Wynn schaute amüsiert auf Deros zuckendes Auge, während dieser die Zähne aufeinanderbiss.

„Aber das wisst ihr doch sicher auch, nicht wahr?“, fügte Wynn höflich mit engelsgleicher Stimme an. Auf einigen Gesichtern konnte man ein Schmunzeln sehen, Dero ballte die Faust. Ein Punkt für den Toreador. Er lehnte sich wieder zurück und führte die Faust an sein eigenes Kinn, lehnte den Kopf dagegen und senkte kurz nachdenklich den Blick.

„So sollte es nicht enden.“, sprach er dann aus. Auf Wynns fragenden Gesichtsausdruck hin nickte Dero zu dem Gemälde mit dem Portrait von Martin Luther King, Jr., welches in der sanften Beleuchtung golden schimmerte. „Es gab viele, die einfach ermordet wurden, weil sie eine andere Meinung hatten. Da unterscheiden sich Menschen und Vampire nicht voneinander. Mindehreiten werden unterdrückt und wenn sich einer als Anführer von ihnen herauskristallisiert zerstört man dieses Aufbegehren sofort, in dem man ihn hinrichtet.“

Wynn hob eine Augenbraue. Dero hob den Kopf wieder von seiner Faust, welche er sinken ließ. „Anarchen. Die Camarilla schlägt sich ständig mit ihnen herum, nicht wahr? Predigt Recht und Ordnung um ihre Lüge einer funktionierenden Vampirgesellschaft zu beschützen. Dabei funktioniert überhaupt nichts!„, mit den letzten Worten packte er den Tisch vor sich und stieß ihn mit beiden Händen nach oben, sodass er einen mehrfachen Salto machte, ehe er auf der Tischplatte auf den Boden krachte. Die Kelche darauf schepperten zu Boden, rollten über den Teppich und das Blut darin verteilte sich auf diesem.

Erschrocken wichen die Toreador vor dem wütendem Brujah zurück,  nur Wynn verzog keine Miene und blickte Dero mit schiefgelegtem Kopf an, faltete ruhig die Hände ineinander und musterte ihn aufmerksam. Dero war aufgesprungen und starrte auf das Blut, dass den Teppich tränkte, die Zähne gefletscht, den Brustkorb bewegend als würde er aufgebracht atmen. Ein paar Augenblicke stand er einfach da, bevor er den Blick hob und in Wynns Augen schaute. Dessen Ruhe konnte ihn beinahe noch rasender machen.

„Ich bin erstaunt.“, sprach Wynn dann, „Für einen Brujah seid ihr erstaunlich beherrscht.“, Dero schüttelte den Kopf und ging ein paar Schritte: „Und ihr habt keine Angst das ich in Raserei gerate.“, der Raum hatte sich etwas geleert, Dero spazierte auf der Seite des Raumes, die dem Kaminfeuer am entferntesten war. „Wo bleiben die?!“, fauchte er jetzt genervt.

Wynn winkte eine Schönheit heran, die sich sogleich daran machte die Unordnung wieder aufzuräumen. Dero verzog verächtlich das Gesicht, als er einen kurzen Blick auf die Ghulin warf. Nichtmal das konnten diese Toreador, schickten Menschen zum saubermachen. Wichser,  allesamt.

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