Der Bass hallte nach, als das Lied zuende ging. Der letzte rötliche Schimmer der Sonne verabschiedete sich gerade und die Nacht war entgültig hereingebrochen. Für einige Herzschläge lag eine angenehme Stille im Raum, die Niklas gewährte die Tränen aus dem Gesicht zu wischen und sie mit der dazugehörigen Frustration einfach weg zu werfen.
Markus Blick ruhte abwartend, aber nicht aufdringlich auf ihm. Niklas Mundwinkel zog sich nach oben und er schüttelte den Kopf, schloss die Augen wieder und lachte kurz verhalten auf: „Fuck, der saß… danke.“ Er presste kurz die Lippen aufeinander und betrachtete die Musikanlage. Musik konnte soviel mehr ausdrücken, wenigstens ein Schritt auszusprechen was war – und dem ganzen damit Festigkeit zu geben.
„Spice ist ein Vampir.“, flüsterte er fast. Er konnte den Blick nicht von den Geräten nehmen, er war gebrochen.
Markus griff in die Beintasche seiner Shorts und holte den silbernen Schlüssel hervor, den ihm Niklas vorhin zugeworfen hatte. Langsam drehte er ihn in den Fingern.
Es war schwer für ihn zu begreifen was das für Gefühle in Niklas auslösen musste, aber auch ihn traf die Nachricht irgendwo in seinem Inneren. Er hatte Spice als Mensch kennen gelernt, die Vorstellung, dass sie nun ebenfalls ein Geschöpf der Dunkelheit geworden war… war schwierig zu begreifen.
„Wer hat ihr das angetan?“
Niklas ließ die Finger über die Saiten gleiten und legte seine Stirn gegen den Kopf des Instruments, schloss die Augen.
Wieder hatte er das Bild des verwüsteten Schlafzimmers vor Augen. Alles war in Blut gefärbt, nur die weiße Bettdecke zeichnete sich von alledem ab. Ihr Körper lag dort, kalt und leblos. Ihre Haut war fahl, die Lippen trocken und das rosafarbene Haar war wie ein Kranz um ihr Gesicht gebettet. Ein warmes Glimmen huschte über sie, die Umgebung wechselte. Das Bett stand in seinem Zimmer und sie schaute ihn an, die Augen gefüllt mit glitzernden Tränen und doch ein liebevolles Lächeln auf den Lippen. Er wischte die Schemen um sie herum fort, um ihrem Geist Ruhe zu geben und sie revanchierte sich, indem sie ihre Finger über sein Gesicht streifen ließ. Dort wo sie entlangfuhr, hinterließ sie ein warmes Kribbeln auf der Haut, voller Energie und Wärme. Die Umgebung verschwamm, es gab nichts anderes mehr, dass von Relevanz war. Ihr engelsgleiches Lachen umspielte ihn sanft und schob alle Bürden und Ängste zur Seite. Die Welt war gut. Er genoss ihre Nähe, welche die ganze Welt umarmen konnte – und diese dankte es ihr mit Leidloser Freude.
Spice zog ihn zu sich hinab, während ihre Eckzähne sich verlängerten. Der Schimmer, welcher über der Szenerie lag, verschwand und es wurde wieder dunkel und blutrot. Ihr engelsgesicht wurde zu einer verzerrten Grimasse, doch er ließ sich weiter führen. Erst als sie die Fangzähne in seinen Hals schlug, schrak er auf.
Die Töne des Bass waren wie abgehackt, als er ruckartig wieder hochschnellte und die Augen mit einem keuchen öffnete. Obwohl er die Augen nun aufgerissen hatte, hing das Bild von Spice noch in seinem Sichtfeld. Eine Gänsehaut überzog ihn bei dem Gefühl, dass sie ihn mit Krallen und Zähnen fest packte und er nichts dagegen tun konnte, dass sie ihn bis auf den letzten Tropfen leertrank.
Niklas wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn und konnte abermals seinem Freund nicht in die Augen blicken. Er senkte den Blick auf sein Instrument und spürte den Schmerz erst jetzt, da er das Blut sah. Ein feiner Striemen, der über den Zeigefinger bis in die Handfläche ging,doch das Gewebe war gut durchblutet in den Händen und so sah es schlimmer aus, als es war. Er hatte bereits den Boden vollgetropft. Die gerissene Seite hing höhnisch am Kopf des Bass, er hatte Glück das nur seine Hand davon geschnitten wurde.
„Ich… hab‘ sie allein gelassen…“, sprach er mehr zu sich selbst und starrte auf die verletzte Hand, nicht fähig sich zu regen. „…mit dieser Kröte….“
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