„Deine Fähigkeiten bestehen auch als Werkzeuge der Zerstörung.“
„Und, wenn ich nicht zerstören will?“
„Der Kreislauf der Natur gebietet es dir. Es gibt einen Kreislauf, der auch den Tod beinhaltet.“
„Circle of Life.“
Sie nickte. Langsam begann ich zu verstehen.
„Warum jagt der Wolf das Reh?“
„Um zu leben. So muss das Reh sterben.“
„Du verstehst.“
„Aber nicht wie ich dadurch den Dämon mit Gaia infizieren kann.“
Sie blieb stehen und lies mich gänzlich aufholen, während sie sich hin hockte und über das Gras strich.
„Du verschmilzt mit Gaia. Sehr häufig nicht wahr.“
Ich nickte. Ich war schon oft in der Erde versunken auch, als ich den Dämon noch in mir trug.
„Das ist nur möglich, weil unsere Erste ist Gaia.“
„Also ist die Erschafferin unseres Clans Gaia selbst?“
Die Weißhaarige Frau nahm etwas Erde in die Hand und zerkrümelte sie in der Faust. Lies die Krümmel wieder auf den Boden fallen.
„Sie ist verschmolzen. So wie wir es auch können. Und ein jeder von uns immer mehr verschmelzen kann. Nicht nur mit dem Boden, sondern auch mit allem anderen was es auf diesem Planeten gibt.“
„So kann ich zu einem Teil Gaias werden und den Dämon in Gaia hineinlegen.“
Daraufhin nickte sie wieder.
„Du verschmilzt.“
„Das heißt ich muss nur mit ihm verschmelzen und Gaia durch mich hin durchfließen lassen.“
„Ja.“
„Eine würdige Aufgabe für den Tag.“
„Ich werde dir helfen.“
„Danke.“
„Du wirst nicht vergessen von wo du abstammst und du wirst das verteidigen was deine Familie ist.“
In meinem Kopf blitzten Bilder auf. Natalia, Tamara, Sank, meine leiblichen Eltern.
„Ja.“
Ich nickte.
„Das werde ich nicht.“
Sie verwandelte sich erneut. Diesmal in einen silbernen Wolf mit Flügeln. Sich hinsetzend sah sie mich erwartungsvoll an, woraufhin ich auch die Verwandlung in einen Wolf verzog, auch wenn ich bei weitem nicht die Anmut und Pracht des Anderen Tieres erreichte. Trotzdem setzte ich mich ihr gegenüber und sah sie fragend mit meinen goldenen Wolfsaugen an. Ihr Blick fixierte den Meinen und irgendetwas geschah in diesem Moment. Ich schwebte wieder über der roten Ebene, die meine Seele darstellte. Mein Tier kauerte unter einem Felsvorsprung, aus getrocknetem Blut. Ich konnte es deutlich spüren und auch die brennenden Augen des Dämons waren da. Er hing unter der unsichtbaren Decke wie eine große Fledermaus und betrachtete uns aus rot glühenden Augen. Hinter mir brach das Zwielicht auf und ein Schimmer aus Farben ergoss sich über die Ebene. Braun, , Grün, Weiß, Gelb, Rot…all diese Farben überschwemmten den Boden, ein Windstoß klärte den Blick und gab den Dämon in voller Schrecklichkeit preis. Aus dem roten Gestein brachen Bäume hervor, Urwaldriesen, neben Tannen, Buchen und anderen Gewächsen, die ich noch nie gesehen hatte. Das dunkel Rot verschwand unter einer grünen Schicht aus Flechten, Rasen und Blumen. Ich stürze nach unten und mein Tier sprang auf mich zu. Wir trafen uns in der Hälfte des Weges aber gab keinen Aufprall wir verschmolzen miteinander. Das letzte Mal, als ich das getan hatte, hatte das Tier die Kontrolle übernommen, aber diesmal sah ich etwas anderes. Durch die Augen meiner inneren Bestie konnte ich ein anderes Tier sehen. Etwas das schon so alt war das es als Urkreatur zählen musste. Es war so viel Älter und riesiger als ich das mein Tier instinktiv zurückweichen wollte, aber ich hinderte es daran. Oder nein. Etwas anderes hinderte mich daran. Ein Willen stärker als ich. Einer dem das Tier gehorchen musste. Dieser Willen veränderte mein Tier. Es besänftigte es und lies es verstummen. Ich konnte die Kontrolle behalten. Fühlte mehr Verbundenheit mit ihm als vorher. Ich hatte kein Gefühl mehr wie lange ich mit ihm verschmolzen war. Und, obwohl ich nicht als Mensch mit der Erde verschmolzen war und meinen Wolfskörper immer noch spürte bemerkte ich wie mein Rücken sich verzog. Die Flügelansätze, die sich gebildet hatten, verschwanden. Ich atmete tief ein. Ich schmeckte die frische Luft des Waldes, roch Pilze, Boden, verfaulte Blätter und spürte dabei den Atem Gaias durch mich pulsieren. Ich öffnete die Augen.
Es war dunkel. Die Nacht war wieder hereingebrochen und, obwohl ich das letzte Mal auch bei Nacht versunken war, wusste ich das es die darauffolgende war. Immer noch war ich in Wolfsgestalt. Meine goldenen Augen blickten in blauen Augen des silbernen Wolfes. Wieder hatte ich das Gefühl das sie in meine Seele blickte. Aber diesmal war sie nicht dunkel und blutig, sondern es war still in mir. Ich folgte ihrem blick und fand einen Urwald vor, voller pulsierendem Leben.
Gaia.
Die unterschwellige Wut des Dämons war verschwunden und selbst mein Tier war nicht da. Zumindest sah ich es nicht. Ich war allein, vollkommen allein in mir. Wieder nahm ich einen tiefen Atemzug, um das Aroma des Waldes zu schmecken. Selbst der Gestank der Zombies, die noch nicht entfernt waren gehörten irgendwie dazu. Es war ein harmonischer Geruch der uns umgab.
Der Wolf nickte und drehte sich herum. Langsam schritt sie in den Wald hinein und wurde nach wenigen Schritten immer durchsichtiger. Langsam verlor sie Substanz und wurde zu einem leichten Nebel, der zwischen den Bäumen hing, aber vom Wind verweht wurde. Zurück blieb nur eine Ruhe, die mich erfüllte und das Gefühl jetzt näher an der Seele der Gangrel zu sein, als jemals zuvor.
Unter meinen Pfoten fühlte sich die Erde lebendiger an und ich spürte Ennoia, welche zu ihr geworden war und den Lebenshauch, trotz des Vampirseins verströmte. Langsam schritt ich zurück zum Schloss, nicht gewillt diese Stille aufzugeben. Ich hatte beinahe Angst mich zurückzuverwandeln. Endlich war es still.
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