The person you have called is temporary not available!…
Sie legte wieder auf und klappte das Handy zusammen. Es wäre ja auch zu schön gewesen. Aber es war nicht schlimm. Es gab nicht viele Tage an denen sie in der Mittagspause telefonieren konnten. Oft gab es genug zutun, sodass sich die Pause verschob oder gar ganz ausgesetzt wurde. Da der Chef es nicht gerne sah wenn man während der Arbeit Privatgespräche führte, war das Handy aus. Sie hielt es genauso, kein Grund sich Sorgen zu machen.
Der Oktober dieses Jahr umrahmte die Alster mit verträumten Bäumen, deren Blätter schon in braun- und rottönen leuchteten. Sie mochte den Herbst. Außerdem war es noch mild und eine sanfte Brise fuhr ihr durchs Haar und Kleidung als sie ihren Spaziergang fortführte. Sie Arbeitete hier in der City, wo sich sehr viele Läden anneinanderreihten. Alles war schnell zu erreichen und quasi nebenan war das Thalia Theather. Etwas in Erinnerungen schwelgend spazierte sie am Postzentrum der Mönkebergstraße vorbei, passierte den Eingang des Hilton Hotels und landete schließlich vor McDonalds. Da war es ihr aber – wie so oft – viel zu voll. So ging sie zum Japaner gegenüber.
„Konichi wa!“, begrüßte sie das Personal lieblich lächelnd. Sie war Stammkundin hier und bekam oft etwas extra, weil der Besitzer ihre Hingabe zur japanischen Sprache bewunderte. Ja, darum hatte sie diesen Job – Sprachen konnte sie viele.
Nach dem Essen ging sie wieder zurück ins Büro. Die Firma hatte das oberste Stockwerk eines Neubaus bezogen. Es war sehr edel. Unten gab es eine kleine Kamera – Sie hatte einen Schlüssel und musste sich nicht präsentieren – und wenn man das Treppenhaus betrat stand man bereits auf weißem Marmor. Der Fahrstuhl in Edelstahloptik war mit dezenten Halogenstrahlern in der Decke beleuchtet und durch den Spiegel darin wirkte er angenehm groß. Wie so oft war sie sich nicht sicher ob der Fahrstuhl sich überhaupt fortbewegte, denn er schaffte es dieses erdrückende Gefühl völlig zu verbergen.
Die Fahrstuhltür öffnete sich und ihre hochhackigen Schuhe begleiteten jeden Schritt über den schwarzen Marmorboden mit einem lauten klacken. Auch hier oben gab es wieder eine Kamera, aber ihre Arbeitskollegin sah sie bereits durch das dicke Glas der Tür und öffnete ihr.
„Danke.“, rasch legte sie ihre Übergangsjacke in der Garderobe ab und ging zur Theke – der erste Anlaufpunkt für Gäste jeglicher Art. Die Schreibtische waren hinter einer halbhohen Glaswand vom Empfangsbereich abgetrennt. Drei Türen gingen von hier ab, eine für den großen Besprechungsraum, welcher auch wieder nur durch Glas abgetrennt war und zwei für die Chefs. Außerdem waren fast neben der Theke die Toilettentüren und die Treppe nach oben für das größere Büro des dritten Chefs. Hinter den Schreibtischen war noch eine Tür zu einem Büro, die aber immer offenstand. Der Platz der Chefsekretärin. Alles war in Edelstahl, schwarzem Marmor und Glas designt – einige größere Pflanzen machten das ganze lebendiger.
Sie bückte sich etwas um den Kühlschrank unter der Theke zu öffnen, holte das stille Wasser heraus und stellte es auf die Theke. In der gleichen fließenden Bewegung griff sie zum Schrank und holte ein Glas heraus, füllte es dann mit dem Wasser aus der Flasche und stellte diese wieder zurück.
Nebenbei blickte sie sich um. Einer der Chefs war gerade mit einem Kunden im Besprechungsraum – nur dort hatten sie einen Projektor, auf dem Bilder von Schiffen zu sehen waren. Damit machte die Firma nämlich ihr Geld: Sie verhalf den Reichen Leuten zu noch mehr Reichtum mit Anteilen an Schiffen. Nach dem Auslauf wurden diese dann nach ein paar Jahrzehnten verschrottet und dieses Metall ging dann nach Asien – die bezahlten da gerade sehr viel Geld für.
Einer ihrer Kollegen hing gerade am Telefon und war in ein Kundengespräch vertieft. Die Kollegin von eben war jetzt draußen, selbst Mittagspause machen. In einem von den zwei schwarzen Ledersesseln die im Empfangsbereich standen, saß ein junger Mann und las gerade die Frankfurter Allgemeine, welche die Firma grundsätzlich auf dem Glastischchen auslegte. Es war ihr fast peinlich, dass sie ihn nicht vorher gesehen hatte um ihn höflich zu begrüßen. Außerdem sah sie, dass er noch nichts zu trinken hatte und so ging sie zu ihm hin.
„Entschuldigung. Kann ich ihnen etwas zu trinken anbieten?“, fragte sie nun freundlich.
Der junge Mann hob den Blick von der Zeitung zu ihr und sie bekam sofort eine Gänsehaut. Seine strahlend blauen Augen bannten sie sofort. Erst nach einigen Augenblicken konnte sie sich von ihnen losreißen und stellte überrascht fest, dass er japanische Züge im Gesicht aufwies. Das Haar war rabenschwarz und so passten die Augen noch viel weniger ins Gesamtbild. Sie schätzte ihn auf mitte zwanzig, wusste aber auch das man sich gerade bei Asiaten sehr gut vertun konnte dabei. Ihre Überraschung schien ihr förmlich ins Gesicht geschrieben zu sein, denn er lächelte nun erst – wohl nachdem er ihre Reaktion genoss – was sie erröten lies.
„Nein, vielen Dank.“, jedes seiner Worte sog sie förmlich auf. Einen Bruchteil fragte sie sich, was das alles sollte. Aber seine Augen… sie war immernoch wie erstarrt.
„Nun..ich..ähm…“, es war selten das ihr die Worte fehlten. „Wie unhöflich. Ich heiße Marissa Schlüter und bin eine vom Sekretärteam der Firma.“, ihr Blick wanderte kurz zum Besprechungsraum. „Sie warten sicher auf den Herr Karstens….kann ich ihnen sonst etwas bringen? Hinten haben wir noch andere Zeitschriften.“ Sie war trotz ihrer anfänglichen Überraschung schnell wieder in ihre professionelle Haltung sowie Stimmlage gerutscht. Eine Seite an ihr, die sie privat eher mied.
Der junge Mann lächelte abermals und schüttelte dann leicht den Kopf: „Nein, danke. Es ist schon in Ordnung so.“ Sie bemerkte gar nicht richtig, dass er ihre anderen Fragen ignorierte. Auch das er sich selbst nicht vorstellte viel ihr zuerst gar nicht auf. Dennoch versuchte sie den Gast weiter zu unterhalten – die Besprechung sah nicht so aus, als würde sie bald enden.
„Entschuldigen sie, wenn ich persönlich werde… sie sind Japaner, oder?“
Er nickte und faltete die Zeitung zusammen: „Halb. Mütterlicherseits. Mein Vater ist Engländer.“ Dann ruhte ihr Blick wieder auf ihr.
„Man hört garkeinen Akzent bei ihnen. Sie müssen wissen ich bin eigentlich Dolmetscherin und bin schon viel herumgereist…“, irgendetwas fand sie an ihm irritierend. Waren es wirklich nur seine Augen?
„Die Dinge geschehen nicht zufällig.“, war seine Antwort. Es wirkte erklärend. Jetzt war sie noch mehr irritiert.
„Wie meinen sie das?“
Er schenkte ihr einen langen, nachdenklichen Blick. aber es war nicht so, als würde er über ihre Frage nachdenken – oder wie er es ihr erklären sollte. Vielmehr hatte sie das Gefühl er würde mit einem Blick in ihren Kopf gucken können und wüsste alles über sie. Langsam schüchterte sie das ein.
„Hören Sie, Marissa…“, ihr Name aus seinem Mund wirkte seltsam, als gäbe er ihm Macht über sie. Erst jetzt merkte sie, dass sie einen Schritt zurückgewichen war.
„…passen Sie heute abend auf sich auf.“
Marissa schluckte. Heute abend? Woher konnte dieser Mann wissen was heute abend ist? Sicher, sie war verabredet um sich die Eröffnung dieser neuen Ausstellung anzusehen. Da viel ihr auch ein, dass sie unbedingt noch das Kleid aus der Reinigung holen musste auf dem Nachhauseweg. Sie hoffte, sie könnte heute pünktlich gehen damit sie sich noch herausputzen konnte. Zum Glück erreichte sie ihre Wohnung gut mit der U-Bahn von hier aus. Also, was sollte heute abend schon passieren? Es war doch nur eine Bilderausstellung…
„Frau Schlüter?“, die Stimme ihres Chefs riss sie aus den Gedanken, die auf einmal hervorgequollen waren. Er stand halb in der Tür des Besprechungsraumes und guckte sie an: „Ob sie so freundlich wären und uns noch zwei Flaschen Wasser hereinbringen könnten?“
„Selbstverständlich!“, sie nickte ihrem Chef zu und eilte hinter die Theke um sich wieder zum Kühlschrank herunterzubeugen. Kalte Getränke waren selbstverständlich.
Ohne darüber nachzudenken ging sie dann auch zum Besprechungsraum – die Flaschen und neue Gläser auf einem Tablett – und brachte dieses herein, schenkte dem Gast und dann dem Chef das Glas voll und ging wieder.
Sie war allein im Empfangsraum.
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