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Besuch bei Marissa

Marissa saß vor ihrem Computer und haute fleißig in die Tasten. Ja, es war Samstag, aber sie hatte genügend Arbeit mit nach Hause genommen, die unbedingt noch erledigt werden musste. Wichtige Geschäfte hingen davon ab. Sie dachte kurz an Aleister, der noch immer im Schlafzimmer ruhte… offensichtlich hatte er einiges an Schlaf nachzuholen.

Später war sie in der Küche zugange, Mittagessen kochen. Sie hatte die Hoffnung, dass er heute mit ihr zusammen essen würde. Nach den Strapazen, die sie nur erahnen konnte, war er bestimmt hungrig. Und er konnte doch nicht den ganzen Tag verschlafen… Also deckte sie den Tisch, warf die vetrocknete Rose bei der Gelegenheit weg und als sie auch das Essen aufgedeckt hatte, ging sie zur Schlafzimmertür.

Sie wollte gerade an die Tür des Schlafzimmers klopfen, als es an der Haustür klingelte. Nanu, sie erwartete doch gar keinen Besuch. Sie zog die Kochschürze aus und warf sie über den Hocker im Flur, ging zur Tür und blickte durch den Spion. Nochmehr Überraschungen. Dann öffnete sie die Tür einen Spalt.

„Guten Tag, Frau Schlüter.“, lächelnd begrüßte der Halbjapaner Marissa. Seit der Begegnung mit ihm an dem Tag wo sie die Kunstausstellung besucht hatte, war er beinahe aus ihrem Gedächnis gelöscht gewesen. Zulange war es her und sie hatte ihn mittlerweile als Einbildung abgetan.

Dementsprechend schaute sie ihn auch sehr überrascht an: „Guten Tag… mit Ihnen habe ich nicht gerechnet…“, dann fiel ihr etwas ein. „Woher wissen sie überhaupt wo ich wohne?“, Panik stieg in ihr auf, der Mann wusste eindeutig zuviel. Sie wollte die Tür wieder schließen, aber er hatte längst seinen Fuß dazwischengestellt.

„Hören sie, es gibt ein paar Dinge die ich ihnen erklären muss.“, er war immernoch freundlich, auch wenn sie ihm gerade die Tür gegen den Fuß geknallt hatte. „Darf ich hereinkommen?“, er hielt ihr eine Karte entgegen – in Briefumschlagsgröße, wie eine Geburtstagskarte. Doch es war nichts weiter als ein goldener Kelch darauf abgedruckt. Er  hielt die Karte so, dass er sie mit  einem Finger aufklappen konnte. In der Karte stand ihr Name: Marissa Schlüter, dadrunter ihre Adresse.

Sie schluckte: „Was ist das?“ Die Neugier ließ es zu ihn hereinzulassen.

Wenig später saßen sie im Wohnzimmer, am gedeckten Esstisch. Der junge Mann mit  den stechend blauen Augen hatte sich zurückgelehnt und betrachtete Marissa, wie sie die Karte in den Händen drehte. „Also… nochmal. Der goldene  Kelch ist eine Organisation, die Menschen tötet, weil ihr Schicksal…ähm… gefährlich für das Weltbild ist?“, sie hob zweifelnd eine Augenbraue.

Er antwortete nicht, sondern wartete ab, bis  sie weitere Schlüsse gezogen hatte. Marissa schütelte den Kopf: „Das ist doch absurd. Woher soll man denn wissen ob die Leute wirklich ihr Schicksal erfüllen? Ich meine.. dann hätte man früher doch soviele Leute töten müssen… die ganzen Kriegstreiber und Diktatoren zum Beispiel… völliger Blödsinn. Schicksal, wer glaubt schon an sowas.“, sie legte die Karte auf den Tisch. Wieder gingen ihre Gedanken richtung Schlafzimmer.

„Er schläft noch.“, bemerkte ihr Besucher kühl. Ertappt blickte sie ihn an: „Woher wissen sie…“ und auf einmal wurde es ihr schlagartig bewußt. Er war die ganze Zeit in ihrem Kopf.

Marissa stand auf. „Sie sind…“, zwei Schritte rückwärts von ihm weg, dann deutete sie auf die Karte: „…hier um mich zu töten.“

Er strich sich gemächlich eine Strähne seines schwarzen Haares aus dem Gesicht und machte keine Anstalten sich  zu erheben, aber er nickte: „Versuchen sie es nicht, bis sie beim Telefon sind, ist es zu spät.“, wieder schaute sie ertappt. Panik.

„Raus aus meinem Kopf!“, keuchte sie,  als die Erkenntnis abermals kam. Er hob einen Mundwinkel.

„Wenn ich sie töten wollte, wären sie längst tot. Ich habe den Auftrag, aber ich werde es nicht tun. Ich werde ihnen sagen, warum sie sterben sollten. Es liegt an ihnen ihr Schicksal zu erfüllen oder sich dagegen zu wehren… sterben werden sie ohnehin.“, er legte die Fingerspitzen der beiden Hände gegeneinander, blieb ruhig und beobachtete ihre Reaktion.

Bis eben hatte sie an den ganzen Kram nicht geglaubt und so schüttelte sie abermals den Kopf. Sie schwankte hin und her, seufzte dann aber: „Gut… dann raus  mit der  Sprache. Ich nehme an das es akut ist, wenn sie mich ausgerechnet jetzt besuchen…“

Er nickte und schmunzelte, als abermals Erkentniss in ihrem Gesicht zu lesen war.

„Aleister…“

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