Das Zirkuszelt tauchte sich in Pastellfarben und erzählte mit Klang und Stimme eine Geschichte, die von einem Sprecher mit recht tiefer Stimme dem Publikum näher gebracht wurde. Was erst für ein allgemeines Staunen führte, bewegte sich schnell zu bedrückender Stille.
„Der Mensch hat sich schon seit Urzeiten das Recht erwirkt, über alles zu Herrschen. Dazu gehört nicht nur seine eigene Spezies, sondern auch die anderer Kulturen und Fähigkeiten. Allen voran jenen, die wir heute als Tiere bezeichnen.“
„Der Mensch glaubt, die Tiere seien sein Freund und erquickt sich an den Gesten, welche den Charakter des Tieres ausdrücken.“
„Und doch ist das Tier nicht frei, hat es vom Menschen doch gelehrt bekommen, wie es sich zu verhalten hat.“
Svea jauchzte, als der Bär auftauchte und seine Runden drehte. Wie für solche Vorstellungen üblich trug auch dieser Bär einen Maulkorb. Am Ende des Kreise drehens auf dem Motorrad stieg der Bär ab und der ihn begleitende Künstler nahm den Maulkorb ab, um ihn sich selbst aufzusetzen. Der Bär verließ den Platz und das Licht wurde abgedunkelt, sodass nur noch der Künstler mit einem Spotlight beleuchtet wurde.
„Auch der Mensch ist nur ein Sklave, gefangen in seiner starren Welt.“
Dann wurde es komplett dunkel und nur eine Spieluhr war zu vernehmen.
„Wir schauen zurück auf die Zeit, in der dem Menschen noch erlaubt war aus dieser Welt auszubrechen. Diese Zeit ist gar nicht so weit entfernt und dennoch vergisst der Mensch nur zu oft, dass er dieser Zeit entstammt.“
Das Spotlight geht wieder an, diesmal in zartem rosa und das Himmelszelt wird von Mobile-Artigen Symbolen beleuchtet. Auf dem gespannten Seil geht ein junges Mädchen entlang und balanciert in übertrieben bunter Kleidung darauf. Sie trägt zwei Zöpfe mit riesigen Schleifen und ein Röckchen. Als Balancierstab hält sie eine übergroße Zuckerstange. Ihre Bewegungen sind ruhig, passend zur Spieluhrmelodie. Langsam fängt sie an zu hüpfen und die Schwingungen des Seils zu nutzen, um dies mit sehr großen Sprüngen zu tun.
„Der Mensch reift noch heran, glaubt er könne fliegen.“
Sie macht einen Salto in der Luft und springt am Seil vorbei nach unten. Das Licht geht aus, ein Raunen geht durch die Menge. Das Licht geht am Boden wieder an, dort sitzt die Künstlerin mit zerfetzter Kleidung. Als sie sich langsam erhebt sieht man, dass es eine andere Frau ist, etwas älter als das Mädchen zuvor.
„Der Mensch lehrt seinem Nachwuchs, das Fliegen aus eigener Kraft nicht möglich sei. Steckt diese starre Welt fest. Lange noch wird der Mensch dennoch davon träumen. Er wird vielleicht etwas erfinden, was ihn zum fliegen befähigt oder niemals aufhören davon zu Träumen.“
Sie schwebt empor, streckt die Arme von sich und schließt die Augen.
„Ist es nicht viel schöner außerhalb der Grenzen dieser Welt, die der Mensch sich geschaffen hat?“
Das Zirkuszelt wird auf einmal bunt, von überall her kommen weitere Künstler angeschwebt, mit verdrehten Clownsnasen, aufgenähren Kringeln und verschiedenen Flügeln, die von Fantasiekäfern stammen könnten. Sie bieten die kuriosesten Verrenkungen und Trapezkünste dar, während um das Mädchen herum bunte Spiralen tanzen.
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