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The Crow

Markus Rücken drückte und bog sich auf einmal durch, sein Körper begehrte gegen diese fremde Substanz auf, die sich in allen Bereichen anfing zu verteilen. Einem lebenden Körper diese Macht aufzuzwingen war etwas anderes als wenn es einem toten Körper passierte der sich eh nicht mehr wehren konnte.

Seine Sinne wurden schärfer, einen Moment lang konnte er klar denken und spürte wie die mit Splittern gespickte Zunge von Spice in seinem Mund umher fuhr um noch mehr von der Vitae zu erlangen von der er das meiste getrunken und sie nur ein paar Spritzer abbekommen hatte. Denn das war Vitae gewesen, er erkannte den Geschmack eindeutig wieder. Nur Vampirblut war mit derartiger Macht getränkt. Und diese Macht gehörte IHM, nicht ihr. Ohne zweimal darüber nachzudenken biss er zu und schmeckte sofort neues Blut, hörte aber nur ein ersticktes Keuchen vor Schmerz, sie schien viel zu berauscht von der Vitae zu sein als dass sie den Verlust ihrer halben Zunge sofort bemerken konnte.

Markus schüttelte Spice von sich ab, es fiel ihm irgendwie leichter, doch immer noch blind griff er ins Leere, bis er so etwas wie ein Regal fand an dem er sich hochziehen konnte. Dann hatte sein Körper genug Anstrengung erfahren, das Herz hatte schnell genug geschlagen und in diesem Moment erreichte die Vitae vollständig sein Gehirn.

Wenn man jemandem einen selbstgefrorenen Eiszapfen mit einem Vorschlaghammer durch die Ohren trieb während sich in den Nasenflügeln gerade Raketen versuchten den Weg in die Mitte zu bahnen und im Mund ein Eichhörnchen saß das kontinuierlich die eigenen Geschlechtsteile knackte, dann könnte das Gefühl dass der masturbierende Zuschauer bei dieser Zurschaustellung von Absurdität hatte ungefähr dem entsprechen was Markus im Bruchteil einer halben Sekunde verspürte, in der er stocksteif am Regal verharrte.

Die nächste Sekunde wurde gänzlich davon eingenommen, dass das Gehirn sich nach diesem Absturz neu ordnen musste, während es Tonnen von neuen Eindrücken lud, die alle viel zu schnell auf die Festplatte gespielt worden waren. Dementsprechend fiel das Material auch aus.

Ein Mix aus Farben, Formen und Ger¸chen. Es war alles dabei, jeder konnte seinen Spafl haben, niemand ging leer aus bei diesem Festival des Skurrilen.

Alternativ w‰re der Titel „Eine kurze Geschichte von fast allem in den letzten dreitausend Jahren und dann machte ich Hops und Regenbogen“ ebenfalls ein angebrachter Titel gewesen.

Das erste was Markus vor dem geistigen Auge und wie eine Projektion auf seiner Netzhaut sah war wie das abgebissene Teil von Spices Zunge in seinem Mund umher tanzte und deshalb den Rest des Programms behinderte. Er spuckte es aus und trat drauf wie man auf einen glimmenden Zigarettenstummel trat.

Dann begann das ganz große Kino.

All die Erinnerungen aus seinem Leben strömten wie ein Fluss durch ihn hindurch, nur um in dem Bett seines Langzeitgedächtnisses zur Ruhe zu kommen, wo sie hin und her schwappten. Nur ein paar Sprenkler waren noch verteilt, die zu klein waren um sich zu dem Großteil zurück zu gesellen.  Markus schaute sich an welche Stationen in seinem Leben das gewesen waren.

Aaaah, an den ersten Teil konnte er sich noch sehr gut erinnern, war zwar schon ein paar Jahrhunderte her, aber wie konnte man dieses Gemetzel jemals vergessen. Die große Schlacht vor den Toren von Heian-kyo, wo die Garou einen verzweifelten Angriff gewagt hatten nur um der Vertreibung aus Japan zu entgehen.
So viel Blut, so viele Schreie aus sterbenden Körpern. Kaiser Kammu selbst hatte ihm und drei anderen Kriegern die silbernen Tachi überreicht und ihnen seinen Segen für die Schlacht gegeben.
Zum Ende der Nacht hatte er in Blut und Fell gebadet, das Schwert glomm nicht mehr silbern sondern nur noch braun, weil so viel Lebenssaft in der Zwischenzeit darauf getrocknet war. Doch er hatte keine Müdigkeit vespürt, hatte dem leeren Schlachtfeld nur den Rücken gekehrt und hatte Japan verlassen.

Die Jahrhunderte strichen wieder ins Land und er erreichte schließlich Europa. Das Leben des blutgierigen Kriegers hatte er fürs erste hinter sich gelassen, das Tachi hatte er schon vor langer Zeit weggegeben, in Tibet, für die Gastfreundschaft mit der ihm die Mönche dort begegnet waren. Jetzt war er selbst als einer unterwegs. Er wollte für all das büßen was er getan hatte, doch es war als wollte man ihm keine Vergebung erlauben. Der Tod folgte ihm auf seinem Weg, wie die Nacht und der Tag, den er nun seit so langer Zeit nicht mehr hatte sehen können.
Dieses Mal waren es Straßenräuber. Sie hatten ihn bereits ein paar Meilen ziemlich linkisch verfolgt und dachten, dass es bei ihm wirklich was zu holen gab. Er seufzte, seine Augen waren müde geworden und erstrahlten nicht mehr in dem silbernen Glanz den sie einst gehabt hatten.
Als sie ihn angriffen ging alles so schnell, dass er sich etwas über sich selbst wunderte, hatte er doch seit mehr als hundert Jahren die Hand nicht mehr gegen jemanden erhoben. Doch die Gestalten brachen in sich zusammen bevor sie überhaupt eine Hand an ihn legen konnten. Dem, der den Angriff überlebt hatte rammte er seinen Wanderstab durch den Kopf und füllte sich etwas von seinem Blut in einen Tonkrug. Der Schnee unter seinen Füßen knirschte als er seinen Weg fortsetzte.

Wieder zogen Jahrhunderte ins Land, auch Europa verlor seinen Reiz, eine innere Stimme trieb ihn dazu an zu wandern, nie mehr als fünfzig Jahre an einem Ort zu verbringen.
Es krachte als Schießpulver entzündet wurde, doch das einzige was er verspürte als die Kugel in seiner Brust einschlug war das leichte Drücken des Metalls, das ihn einen Schritt zurück machen ließ, bevor er seine eigenen Colts zog und den Schützen mit einem Kopfschuss zu Boden schickte. Dann verschwand er im Saloon und tötete jeden einzelnen der sich darin befand. Als ihm die Kugeln ausgingen riss er ihnen einfach die Köpfe ab.
Europa hatte ihn gelehrt, dass es keine Vergebung für ihn geben sollte. Er war zu etwas gemacht worden was er nicht hätte sein wollen wenn man ihn vorher gefragt hätte aber er musste trotzdem dafür büßen. Und wenn es ihm schon so ergehen musste, dann sollte sich das Gewürm das ihm im Weg stand nicht auch noch aufbegehren. Wer ihn in Ruhe ließ wurde verschont, wer das Pech hatte in einem Saloon zu sitzen während er vor der Tür angeschossen wurde und nicht den kleinsten Finger rührte oder entsetzt war, der starb. So einfach war das Leben geworden. Camarilla oder Sabbat, darauf spuckte er. Beide Sekten waren verblendet von ihrem eigenen Spiegelbild und sahen sich als die Krone der (Missgeburten-) Schöpfung.
Er hatte angefangen Federn zu sammeln. Noch wusste er nicht wofür er sich einmal gebrauchen konnte, aber gerade die schwarzen Federn von Raben und Krähen erinnerten ihn an etwas das er tief in sich begraben und verschüttet hatte. Auf eine seltsame Art fühlten sie sich vertraut an wenn er sie in der Hand hielt.

Es verstrich immer weniger Zeit, die Menschen wurden schnelllebiger, entwickelten sich und das was sie schufen immer wieder neu, es war interessant ihnen dabei zuzusehen. Fleißige kleine Ameisen. Und er freute sich, denn die Kreativität des Menschen kannte keine Grenzen und er zeigte sie immer noch am liebsten durch das Erschaffen neuer Möglichkeiten andere Menschen umzubringen. Er hatte bereits vor einem halben Jahrhundert zu Serrah gesagt, dass nun das wahre Zeitalter der Kriege beginnen würde, nachdem er gesehen hatte wie weit die Rüstung mit der Entdeckung des Motors vorangetrieben worden war. Und fürwahr, jetzt stand er hier, im Rücken der kleingewachsenen aber stolzen Uniformträger und es fiel ihm schwer ein ernstes Gesicht zu behalten. Nur wenige Stunden waren jetzt nötig um den Hafen den sie auf ihren Karten und Modelltischen vor sich ausgebreitet hatten dem Erdboden gleich zu machen.
Er bedauerte fast, dass sie den Krieg trotz dieser Offensive verlieren würden. Der Feind gegen den sie sich erhoben war ihnen zu überlegen und hatte ein funkelndes Juwel der Kriegsführung in der Hinterhand, welches nur noch geschliffen werden musste, dann würden sie ihre stolze Haltung für eine Verbeugung aufgeben.

Ein letztes Bild, er kannte diesen Raum doppelt, es war ein Thronsaal und er bewegte sich auf den majestätischen Stuhl zu der an der Spitze stand. Er wurde noch belegt, doch die Person die darauf gesessen hatte wurde gerade zu Asche und dann konnte man ihn einfach wegfegen. Ein Blick zur Seite zeigte einen wandhohen Spiegel. Einen ganz kurzen Moment blieb er stehen und musterte sich. Was war aus ihm geworden? All die Zeit schien keine Spuren an ihm zurück gelassen zu haben, er war immer noch der Alte… obwohl er sich nicht mehr daran erinnern konnte wer der alte Cuervo mal gewesen war.

Published inRollenspiel-Storys

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