Razorclaw ließ den Verschluss der Plastikbox zuschnappen, nachdem er den wiedergefundenen, aber zermatschten Augapfel des Gangrel hineingeworfen hatte. Das jener nicht zu Staub zerfallen war, wunderte auf den ersten Blick nicht – er war noch zu jung. Aber es schien noch irgendein Wille in den Körperteilen zu stecken, er war also noch nicht vernichtet. Und das wiederum war höchst interessant.
„Süßes oder Saures!“, hörte der Hühne eine schrille Stimme durch die Straße hallen. Sein Blick glitt zu dem Haus, vor dem das Rudel Vampire lungerte und in der völlig falschen Jahreszeit Menschen mit diesem Halloween-Spruch nervte. Natürlich waren die Anwohner darauf nicht vorbereitet – und die Sabbatis sahen allesamt aus, als wären sie Arkham Asylum entflohen. Noch ehe die junge Frau an der Eingangstür also antworten konnte, sprang der verwilderte Gangrel diese bereits mit einem irren „Dann gibt’s saures!“ an und vergrub seine Fangzähne in ihrer Wange. Ihr gellender Schrei rief nicht nur ihren Partner auf den Plan, sondern sorgte auch dafür, dass viele Räume der umliegenden Gebäude nun mit Licht gefüllt wurden.
Das Rudel genoß den Spaß, lachend und feiernd verschafften sie sich Zugang zu dem Gebäude, um alle darin befindlichen Personen ihres Blutes zu erleichtern. Razorclaw schob die Plastikbox mit einem Fuß hinter ein paar Mülltonnen und betrachtete für einen Moment den Himmel. Cuervo war nicht mehr in der Gegend. Wenn er mal seinen Job machen würde, statt seiner privaten Rache nachzugehen… Razorclaw setzte sich in Bewegung zu dem Sabbatrudel, welches nicht nur gut darin war, alle Aufmerksamkeit zu bekommen, sondern auch keinerlei Versuche machte, die Taten irgendwie zu verschleiern.
Als er in der Tür stand, konnte er gut in das Haus hineinschauen. Irgendjemand war durch die Wand gegangen und labte sich gerade an den Eingeweiden einer anderen jungen Frau. Die Dame, die an der Tür gestanden hatte, war gänzlich im Hausflur verteilt und ihr Partner klebte an der Wand, während er von zwei Giermäulern gleichzeitig ausgetrunken wurde. Ein Stockwerk weiter oben randalierte nochein Vampir und es war angsterfülltes Kindergeschrei zu vernehmen.
Razorclaw klopfte gegen den Türrahmen, sodass einer der beiden Vampire kurz von seinem Opfer abließ und in seine Richtung blickte. Ein breites Grinsen war in dem von Blut bedeckten Gesicht zu erkennen.
„Oho, Nachschub!“
Wenige letzte Herzschläge später fand sich dieser Vampir zusammengeschnürt mit seinen Kumpanen im Wohnzimmer wieder. Der Esstisch hatte sein übriges getan, um allesamt in ein hölzenes Igelkissen zu verwandeln. Die drei Leichen lagen in ihrer Mitte und Razorclaw ließ über den Haufen gerade den Rest des Benzinkanisters aus der Garage auslaufen. Anschließend ließ er ihn an Ort und Stelle fallen und spazierte zur Terrassentür des Hauses. Die Näherkommenden Sirenen waren beruhigend, die menschlichen Abläufe funktionierten noch.
Draußen angekommen entzündete Razorclaw die Benzinspur mit einem Streichholz und folgte mit dem Blick dem Feuer, bis dieses im Haus angekommen war und dort nach und nach alles entzündete. Dann wandte er sich herum und hockte sich zu dem Jungen, der dort zusammengekauert saß und wimmerte.
„Wie alt bist du?“, fragte Razorclaw ihn.
Der Blick des Jungen war auf den Vampir gebannt und er antwortete brav, wenn auch weinerlich: „Neun…“
Razorclaw nickte und erhob sich wieder. Als die Polizei eintraf und den Jungen fand, starrte dieser noch immer in die Dunkelheit, dort wo der Hühne verschwunden war. Dessen Anblick mit den Fangzähnen und seine letzten Worte zu ihm hallten noch lange nach.
Ich werde auf dich warten, bis in Neun Jahren dann.
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Razorclaw hockte sich zum Boden hin und fühlte über die Schleifspur auf dem Boden, blickte sich um. Die Plastikbox war weg und die Person, welche sie mitgenommen hatte, war wohl auf einem motorrisierten Zweirad abgehauen. Dem Geruch nach wohl eine kleinere Maschine, vielleicht ein Motorroller. Weit konnte der Dieb nicht sein, aber Aufgrund der Gesetzeshüterpräsenz war eine Verfolgung jetzt eine ziemlich dämliche Idee.
Razorclaw zog noch einmal an der Zigarette, ehe er diese in den offenen Mülleimer schnippte und langsam davonspazierte, während der Gestank des verbrennenden Mülls sich ausbreitete.
Heute mussten Brandstifter unterwegs sein, schlimm sowas.
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