Zum Inhalt

Nacht 3

Teshis Gedanken rasten, genauso wie die Lichter der Stadt an ihm vorbei. Schwungvoll bewegte er seine Maschine durch die Straßen, beinahe automatisch, denn seine Gedanken waren ganz woanders – Im Krieg, Jahrhunderte vor seiner Zeit. Seine Lehrmeisterin mitten drin. Onoko war früher bestimmt eine sehr ansehnliche Frau gewesen, eine mutige, ausdauernde Kriegerin. Gelernt von den Besten, von den Besten… eine ganze Ahnenreihe von Samurai die irgendwo ihren Ursprung bei diesen Kriegern hat,welche Teshi heute als geisterhafte Erscheinungen erblicken konnte.

Aber warum erst jetzt? Warum konnte er sie nicht sehen, als er noch…lebte? Bin ich überhaupt tot?

Die Gedanken schwenkten zurück zum Beginn der Nacht. Völlig verwirrt war er erwacht, den verführerischen Geschmack von Vitae auf der Zunge, Tia mit einem blutigen Holzpflock vor sich. Es gab nichts, was dies entschuldigte – er war zu weit gegangen und traute sich nichtmal, das Mal an Ronjas Hals zu entfernen, welches er bei dem Übertritt hinterlassen hatte.

Harakiri ist sinnlos, wenn man nicht mehr Atmet. Nichteinmal diese letzte Ehre bleibt mir noch.

Teshi musste seine Mauer fallen lassen, er hatte sich erlaubt die Kontrolle zu verlieren. Nicht mehr bloß aus Zorn, denn seitdem er ein Vampir war, war er sehr reizbar. Aus Hunger, was eigentlich viel schlimmer war, denn dies hätte er unterbinden können.

Das Blut zu verweigern war die beschissenste Idee seit langem!

Er musste sich damit abfinden, er musste Blut trinken – oder er richtete Schaden an, den er nicht wollte. Solange es aus Flaschen kam, wars gerade noch erträglich. Das konnte man mit dem gebratenen Stück Fleisch vergleichen, dem man nicht mehr anmerkte, woher es kam. Es musste reichen.

„Du musst aktzeptieren was du bist“, Ronjas Worte hallten in Teshis Kopf nach. Natürlich hatte sie Recht, aber es war so schwer… er wusste immer noch zuwenig über seinen aktuellen Zustand…

Ein Bild rauschte zurück in seinen Kopf: Sein eigenes Spiegelbild, schonwieder Blut und… diese Ohren! Das kam eher einer Sage der Hengeyokai gleich, aber doch keinem Vampir! Er musste sich zusammenreißen, bevor ihm noch Schnurrhaare im Gesicht sprießen!

Ich kann mich jetzt schon kaum unter Menschen trauen… jeder Atemzug und Herzschlag zehrt an dem Blut, blasser bin ich auch und die Fangzähne… verflucht! Teshis Maschine machte einen Schwenker, als er seinen ganzen Oberkörper ruckartig nach vorne drückte, um dem inneren Fluch Ausdruck zu verleihen.

Seine Gedanken wirbelten durcheinander und Teshi hatte Mühe das Chaos zu sortieren. Dank seinem fotografischen Gedächtnis waren alle Erinnerungen sehr deutlich – was es nicht besser machte. Die Bilder seiner zerstörten Wohnung, die dazu gehörige innere Aufgabe seines ‚alten Lebens‘ und die Trauer dazu. Das Gespräch im Wagen über den Tod.

Jeder muss irgendwann mal sterben… was gescheiteres ist mir auch nicht eingefallen, hah?!, Teshi verriss das Lenkrad etwas, konnte sich aber gerade noch fangen. Seine Hände zitterten. Zuviele waren gestorben, zuviele hatte er verloren. Jeder ein Stich ins Herz. Onoko Ihre Worte klangen wieder in seinem Kopf. Alles was sie sagte war wahr.

Teshis Blick ging kurz nach oben, es schüttete immer noch und so bald würde das wohl auch nicht aufhören. Dann versuchte er sich wieder auf die Straße zu konzentrieren, aber das war wirklich schwer mit diesem blutigen Schleier vor den Augen. Wäre er noch lebendig, würde sein Herz jetzt rasen, irgendwie vermisste er dieses Gefühl.

Das Gefühl der Lebendigkeit. Schwitzen, Adrenalin das durch die Adern schießt, erhöhter Puls, schnellere Atmung, das Kribbeln im ganzen Körper vor Anspannung oder … die Angst. Dinge, die einen Menschen ausmachten, auch die Dinge, die einen Menschen als Schwächlich darstellten…

Oh nein, ich bin schwächer als je zuvor, was habe ich mir für Schwächen erlaubt in den letzten Nächten… eine Schande…

Das Gedankenkarussel stoppte und projizierte eine ganz besondere Situation in seinen Kopf – die gleiche, die er erneut gesehen hatte, als Onoko ihm etwas ins Ohr geflüstert hatte.

Dieser eine Moment, für den er Eve und Jenny vorausgeschickt hatte. Er wollte nicht, dass ihn irgendjemand sah, auch nicht Ronja – weshalb er hinter ihr Stand. Wäre er noch lebendig, hätte er all diese menschlichen Schwächen gezeigt bis hin zum zittern aller Muskeln. Doch er war eiskalt, auch wenn die Gefühle in ihm hoch quollen wie… wie noch nie.

Ich bin nicht tot.

„In dir schlagen zwei Herzen.“ Onoko hatte längst erkannt, was mit Teshi los war – und er hatte den Schlag mit dem Zaun wirklich gebraucht.
„Du musst etwas trinken, sonst übernimmt das Tier die Kontrolle.“, das Tier – so nannten sie das, was einen übermannte – bei Zorn oder Hunger. Etwas, dass in einem Vampir ruhte. Teshi sah das anders.

Es ist einfach, einer wilden Kraft eine Bezeichnung zu geben, um Abstand davon zu gewinnen… Ich glaube es gibt nicht das Tier und mich… es gibt nur mich, ich bin das Tier!

Teshi gab ordentlich Gas, er hatte es eilig. „Geh zurück zu ihr, sie braucht dich jetzt.“ Er wollte sich wieder lebendig fühlen…

KRACH!

Published inRollenspiel-Storys

Schreibe den ersten Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert