Jasmin streckte ihre Hand nach mir aus. Leider reagierte ich etwas zu spät darauf. Eine Berührung reichte aus, um meinen Kreislauf in die Knie zu zwingen – oder schlimmeres. Deshalb wollte ich diese Berührung verhindern. Doch statt mich außer Gefecht zu setzen, flutete sie meinen Körper mit irgendwelchen Glückshormonen. Das dumme Ding versuchte doch nicht etwa, mich friedlich zu stimmen?
„Wieso tust du das? Wieso tust du Anderen weh Ryou?“, sie blickte mir in die Augen dabei. Die Frage nach dem Warum, der Versuch Dinge zu verstehen. Doch die einzige Antwort war, das es in meiner Natur liegt. Schon immer. Die einzige Änderung war, das ich diese Dinge jetzt aktiv tat. Früher noch gab es Ausreden, man konnte es immer so hinbiegen, das man selbst vielleicht gar nicht Schuld war. Das es die Einflüsse von außen waren. Doch gab es da wirklich eine Grenze? Nein.
Ich machte einen Ausfallschritt zurück und wischte ihre Hand von meiner Brust. „Na!“, das unterstrich ich mit einem warnend gehobenen Zeigefinger. Ich hatte ihr diese Berührung nicht erlaubt, sie hatte das gefälligst zu lassen. „Fass. Mich. nicht. An.“
Jasmin lies sich nicht so einfach abschütteln. Sie folgte meiner Bewegung, griff nach meinem Arm und sprach mit sanfter, aber fordernder Stimme: „Komm her!“ Ich versuchte meinen Freiraum zurück zu bekommen, indem ich ihr den Zigarettenqualm ins Gesicht blies.
Sie ignorierte den Qualm und grinste mich an. „Du hast Angst! Angst vor mir und Anastasia!“
Jasmin hatte ja keine Ahnung. Sie mochte eine Attentäterin sein, aber sie würde mich niemals umbringen. Anastasia war sogar noch ungefährlicher, viel zu leicht zu manipulieren. Nein, Angst hatte ich vor ihnen nicht.
Dann setzte sie mit einem leisen Lachen noch einen drauf: „Du bist ein Feigling Ryou.“ Ehe sie losließ und wieder zwei Schritte zurück machte.
Ich fand es amüsant, dass wieder jemand auf dieser Feigheits-Sache herumritt. Manchmal wirkten Pläne vielleicht Feige, aber ich fand das Mut und Dummheit manchmal auch nicht voneinander zu unterscheiden waren. Aber wenn es Feige war, die Sache mit ihr nicht zuende zu bringen, dann war das eben ihre Meinung. Ich hob einen Mundwinkel und zog wieder an der Zigarette, schüttelte leicht den Kopf: „Du lebst, sei froh drum. Und erwarte nichts. Ich bin fertig mit dir.“
„Gut.“ Sie senkte den Blick und zog unter ihrem Top einen Dolch hervor. Ich kannte ihn, sie benutzte sie normalerweise um Details in die Figuren einzuarbeiten. Anschließend hob sie den Dolch und setzte ihn sich an die Kehle. „Ich auch mit dir.“
Mir blieb mit einem Mal die Luft weg, Adrenalin rauschte durch meinen Körper und ich war für einen Moment zerrissen zwischen dem Drang einen Satz nach vorne auf sie zu zu machen, um ihr die Klinge weg zu nehmen oder fluchtartig die Situation zu verlassen. Das Ergebnis war, das ich mich überhaupt nicht mehr rühren konnte. Mir kam dieser Moment unendlich lange vor, alles um mich herum verlief wie in Zeitlupe. Dafür rauschten meine Gedanken umso schneller durch meinen Kopf, was mich ebenfalls total behinderte. Gedanken! Oh, dieser Mistkerl! Ich schrie mich selbst in meinem Kopf zu Boden.
Dann bemerkte mein Körper, dass ich nicht atmete und zwang mich einfach dazu. Der Zigarettenqualm war auf einmal wie ein Fremdkörper und ich musste husten. Diese Sekundenbruchteile, die mir wie Minuten vorkamen, waren vorbei. Noch während ich mich nach Luft ringend nach vorne krümmte, gab es die nächste Adrenalinwelle.
Das klatschen von Jasmins Hand in meinem Gesicht riss mich für zwei Herzschläge aus dem inneren Kampf heraus. Der Husten war vergessen, ich legte meine Hand auf die Stelle meines Gesichts, wo sie mich getroffen hatte. Es war still in mir, zu still.
„Tut mir leid.“ sagte sie kleinlaut.
„Mach‘ das nie wieder!“, weil du dich nicht entschuldigen sollst. Weil du mich nicht anfassen sollst. Weil du dich nicht verletzten sollst. Weil es dir nicht zusteht mich zu schlagen. Weil ich dich fast umgebracht hätte! Weil… Verflucht, Sei still!
„Wie gesagt. Ich bin fertig mit dir.“
Ich nickte nur, wandte mich herum und stapfte aus dem Garten heraus. Mein Herz begann zu rasen und ich spürte die Panik hochquellen. Teshis Panik. „Scheiße!“, zischte ich zu mir selbst. Das Adrenalin schaukelte sich hoch, für das für das es eigentlich gemacht wurde: Um das eigene Überleben zu sichern. Meine Schritte wurden immer schneller, während ich ins Haus ging und dort die Autoschlüssel suchte. Diese leichte Hektik sorgte auch dafür, dass mir nicht sofort einfiel, dass Rain die einkassiert hatte.
„Shinjimae!„*
Flucht nach draußen, dann eben zu Fuß. Dieses Treiben war anstrengend, ich musste mich zusammenreißen nicht zu laufen. Das Jasmin mir in gebürtigen Abstand nachschlich, war mir egal. Es ging nicht um sie. Der schnelle Herzschlag in meinen Ohren und das Gefühl, jeder Atemzug würde irgendwie eingeengt werden, begannen meine strukturierte Planung aufzuweichen. Die Kalkulation mit Anastasia hatte immerhin ein Ergebnis zum Vorschein gebracht: Teshi überschätzt Gambit und unterschätzt sich selbst. Nicht, dass irgendjemand außer Rain zu irgendetwas Nutze wäre, aber der Wert gewisser Personen ist höher als sie es selbst ahnen.
Das wird sich bald zeigen, bald.
Beim Yin und Yang, wirst du dich wohl endlich beruhigen Tesh‘ ?!
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*Shinjimae = Go to hell!
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