Wasserrauschen. Es übertönte das Gedankenrauschen nur knapp. Aber es reichte vorerst. Reinwaschen… von der Schande.
Das zucken des Duschvorhangs riss mich aus meiner Melancholie über meine Fast-Vernichtung. Einbildung? Nein, da war es noch mal. Jemand war im Bad – ich war nicht allein. Eigentlich hätte ich die Mädels für schlau genug gehalten, mich nicht zu stören. War Eve vielleicht doch so töricht? Noch ein Zucken, ich schob den Vorhang etwas zur Seite, sodass ich aus der Dusche ins Bad schauen konnte, während das Wasser weiter auf mich einprasselte.
Ein Kribbeln durchschoss meinen untoten Körper, es war wie eine Adrenalinausschüttung – welche mich zu jedem anderen Zeitpunkt für einen Kampf beflügelt hätte. Jetzt war es anders: Ich konnte mich keinen Milimeter rühren und als Mensch hätte ich sicherlich den Atem angehalten.
Das ganze Bad war in ein einziges Blutrot getränkt, überall lagen einzelne Körperteile herum – und inmitten dieser Sauerei hockte Ronja, die gerade das noch pochende Herz des Opfers austrank. Sie war nackt, aber bedeckt von Blut und Fleisch. Als sie den Blick zu mir hob war ihr Gesicht mit vielen schwarzen Augen bedeckt und ihr Kiefer sah aus wie das Beißwerkzeug eines Insekts. Sie streckte ihre langgliedrige Hand in meine Richtung – und dann schoß die weißliche Masse aus Spinnenfäden auf mich zu.
Ein Zucken ging durch den Duschvorhang, nachdem ich ihn zugezogen hatte und der Spinnenklumpen dagegen geprallt war. Ich wischte mir über das Gesicht. Es war eine Einbildung, das wusste ich. Aber eine verdammt reale! Langsam schob ich die Mischbaterrie auf kalt, vielleicht half das…
Ich drehte mich herum, weg von diesem Spuk – und blickte in Luigias Augen. Es war beinahe der gleiche Moment, als sie mich angeschaut hatte, bevor ihre zombifizierten Diener mich ausschalteten. Diesmal jedoch legte sie ihre geisterhafte Hand auf meine Schulter. Ja, sie war ein Geist durch und durch – und sie war noch kälter als die Dusche. Ihre Hand fuhr meinen Arm herab und wanderte über meinen nackten Oberkörper. Endlich gehorchte mein Körper mir wieder – und ich hastete aus der Dusche.
Ich habe mich in meinem ganzen Leben wahrscheinlich noch nie so schnell abgetrocknet wie jetzt! Aber ich musste raus aus dem Bad, um jeden Preis.
~*~
Der Tag würde bald anbrechen, also verzog Eve sich ins Schlafzimmer und ich in den begehbaren Kleiderschrank, der mir hier als Unterschlupf diente. Es war alles in allem ein Erfolg – Luigia war tot – hoffte ich zumindest. Es hätte besser laufen können, sicher. Aber am Ende zählte das Ergebnis. Ich versuchte es heute mit Meditation, um wieder ins reine mit mir zu kommen, bevor die Sonne – das Symbol Japans – aufgehen und mich verfluchte Kreatur zum schlafen zwingen würde.
Irgendwie wollte es mir nicht so recht gelingen, ich war unkonzentriert, aber ich wusste nicht sofort warum. Eigentlich war ich doch ein Meister darin, mich zu ordnen – wenn ich erstmal Zeit und Ruhe dafür bekam… was stimmte nicht? Ich öffnete die Augen wieder und blickte in die Dunkelheit, die mich im Kleiderschrank nunmal umgab. Daran war nicht verwerfliches oder angsteinflößendes – dennoch spürte ich wieder dieses Kribbeln…
Auf einmal presste ich meine Hand auf meinen Bauch, dort wo ich die Berührung spürte – jetzt erst! Ein Blick von mir nach unten, ich sah tatsächlich eine Hand, die gerade im Inbegriff war, weiter hinab zu sinken. Das Kribbeln wurde stärker, aber es war nichts wohliges mehr – ich bekam tatsächlich Panik. Eine Spur aus Blut zeichnete sich auf meinem Oberkörper ab und als ich die zierliche Hand ergriffen hatte, spürte ich die zähe Vitae auf ihr. Aber da war noch etwas… sie hielt etwas in der Hand.
Das Pochen des Herzens in ihrer Hand ließ mich zusammen zucken. Jetzt wurde mir auch bewußt, dass ich ein ziemlich großes Loch in der Brust hatte – sie hörte nicht auf, mich mit dem Blut meines eigenen Herzens einzureiben, ihre Hand glitschte einfach aus meiner Umklammerung und mir wurde die Nähe ihres Körpers bewußter, als sie noch näher heranrückte. Ich saß noch immer im Schneidersitz da und sie umschlang mich einfach mit ihren langgliedrigen Beinen. Ich fühlte mich wie die Fliege im Netz, die erkannte, dass sie nicht mehr entkommen würde – ich zappelte nur nicht.
Die Augen wieder zu schließen brachte überhaupt nichts, die Berührungen blieben. Aus meinen in Gedanken gesprochenen Worten wurden langsam ausgesprochene, die ich immer wiederholte: „Das bilde ich mir nur ein.“ Ich wurde stetig schneller beim sprechen, aber es änderte gar nichts, sie vollzog ihre Bewegungen unbeirrt und rührte damit ein Gebräu aus Angst und Lust in mir zusammen, vor dem ich angewidert zurückwich. Es war unheimlich schwer, mich davon zu lösen und kostete meine letzte noch verbliebene Willenskraft.
Rückwärts auf allen Vieren knallte ich mit dem Rücken gegen die Schranktür, bevor ich diese mit einer Hand aufzog und ebenso rückwärts aus dem Kleiderschrank krabbelte. Dabei hatte ich einen ziemlich guten Blick auf die Szenerie. Die Frau war wieder nackt doch hatte sie dieses mal einfach gar kein Gesicht. Ihre langen Haare schlängelten sich durch den Kleiderschrank wie Schlangen und hätten mich beinahe vollends eingewoben.
Mit einem energischen Schubs knallte ich die Schranktür zu…
Meine Gliedmaßen zitterten und ich saß einfach auf dem Boden, unfähig mich zu rühren. Vielleicht sollte ich heute doch besser auf der Couch schlafen… es dauerte einige Minuten, bis ich mich wieder bewegen konnte. Ich erhob mich langsam und wankte zur Couch, mein Kopf schien zu explodieren. Soviel Unfug auf einmal… ziemlich reale Einbildungen… gehörte das zum Vampirdasein? Flippten alle irgendwann mal aus? Hatte ich alle Ereignisse vielleicht doch nicht so gut verarbeiten können wie ich dachte?
„Du Zweifelst – das gefällt mir gar nicht.“, hörte ich eine schnurrende Stimme von der Couch aus. Ich hielt inne und blieb stehen, versuchte die katzenhafte Gestalt auszumachen, die ich vermutete. Seltsamerweise ging ich nicht ein eine Kampfhaltung, dafür war ich wohl schon zu betäubt… aber das heftige peitschen ihres Tigerschwanzes entging mir nicht. Ich schluckte, als ihre Krallen im Restlicht aufblitzten. Dann sprang sie mich an…
…Ich stand an der Tür zu Eves Schlafzimmer, mein rechter Oberarm schmerzte von dem eingebildeten Angriff durch Omega. Ich war kaum fähig zu stehen – traute mich nicht, wieder ins Wohnzimmer zu blicken. Etwas beobachtete mich von dort und ich wollte es nicht sehen, riechen, hören oder schmecken… ich wollte meine Ruhe. Die bekam ich nur, indem ich Eve anstarrte und hoffte, sie wäre nicht auch eine Einbildung.
„Hey, komm schon.“, ein Lächeln, eine einladende Geste. Sie spürte, das irgendetwas nicht mit mir stimmte – aber sie fragte nicht, was gut war. Mir war alles egal, alles was ich je über sie dachte, was sie gesagt oder getan hatte… sie war gerade meine einzige Rettung. Der Zipfel, an den ich mich klammern konnte… sie war real und würde sich nicht gleich in ein blutrünstiges Monster verwandeln – jedenfalls hoffte ich es einfach.
Mühsam verkroch ich mich unter ihre Bettdecke – es musste zögerlich herübergekommen sein, aber es war einfach anstrengend sich zu bewegen. Sie spürte nun noch deutlicher, dass ich am ganzen Leib zitterte. Sie wollte mich trösten, was auch immer mit mir war.
Das beruhigende streichen über meinen Kopf… ich war dankbar dafür – und konnte zum ersten Mal auch über meinen Stolz hinwegsehen.
Das hast du nun davon, wenn du mich wegsperrst, wenn du sie aus deinem Herzen sperrst.
Sei still, Tiger…. sei einfach still.
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