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Sundown

Es war einer der seltenen Abende, an denen ich am Fenster stand, um den Sonnenuntergang zu betrachten. Arbeit hielt mich normalerweise davon ab, aber es lief nicht so gut. Die Skizzen waren längst fertig, es würde sich erst noch zeigen, ob ich die Konkurrenz damit ausstechen konnte. Wettbewerbe waren nicht mein Fall, direkte Aufträge mochte ich lieber. Dafür war ich hier aber noch zu unbekannt, Berlin war noch nicht meine Stadt. Ehrlichgesagt ist sie mir auch viel zu groß – und sie stinkt.

Ich kann dem Antiquitätenhändler nicht trauen, keine seiner Schätzungen stimmen. Der alte Mann will damit auch nur sein Geld verdienen, aber der Blick in seinen Augen, wenn ich ihm etwas neues zeige…. Tokugawa, ein ziemlich berühmtes Shogunat. Ich hätte mich früher selbst informieren sollen, was ich da für Erbstücke offenbare. Er wird nichts mehr zu sehen bekommen – und ich brauche einen zweiten Safe. Es ist nicht nur die Arbeit und das Training, dass mich in den Dojo führt – ich muss aufpassen, dass niemand die Schätze ausräumt, die dort lagern.

Onoko ist ein guter Lehrmeister, aber auch sie ist in die Jahre gekommen und wird allein vielleicht nicht genügen, um den Dojo zu beschützen. Eigentlich sollte ich sie rauswerfen, aber ohne den Job im Dojo und das Zimmer dort wird sie dahinraffen. Und wer wird sich dort draußen schon um eine alte, blinde Frau kümmern? Onoko gehört zum Inventar des Dojos, sie wird bleiben. Sie bringt nur kein Geld mehr rein und ich werde sie wohl ersetzen müssen durch jemand jüngeren, effektiveren.

Die Sonne taucht alles in rot, meine Möbel hinterlassen bizarre Schatten auf dem Fußboden. Ich halte für einen Moment meine Gedanken an, bevor ich mir die Bilder zurück ins Gedächnis rufe: Die große Schatulle im Keller des Dojos, das Ornament der Tokugawa-Familie darauf. Ich ahne ihren Inhalt, aber ich weiß auch, warum Onoko den Schlüssel versteckt hält. Ich bin noch nicht soweit, vielleicht werde ich es auch nie sein. Die Zeiten ändern sich und ich denke nicht, dass ich hart genug arbeite, um ein Samurai zu sein. Onoko lehrt mich viel, aber ich bin einfach nicht wie sie. Wahrscheinlich hat sie Recht und das Leben hier in Deutschland hat mich verweichlicht.

Erinnerungen drängen sich auf, die ich eigentlich beiseite schieben wollte. Mein Blick wandert unweigerlich durch den Raum und fängt die sterile Kälte auf, die er zurückwirft. Mein langgezogener Schatten blickt mich an und ehe mich die Einsamkeit verschluckt, bin ich bereits draußen und laufe – Onoko mag es überhaupt nicht, wenn man zu spät zum Training erscheint.

Published inRollenspiel-Storys

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