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Vom Schicksal verbunden

Ich legte beide Akten nebeneinander, um nochmal zu überprüfen, ob ich das wirklich richtig verstanden hatte. Ich las nochmal Akios Akte, nochmal die von Anastasia. Nein, das konnte…durfte nicht wahr sein! Aber auch nach dem dritten Mal durchstöbern aller Details änderte sich nichts daran.

Ich sank zurück aufs Bett und streckte alle viere von mir, starrte an die Decke. Die drei Akten lagen neben mir und ich bereute es nicht mehr, den Knoten für die Sprache getauscht zu haben. Viele Details musste man einfach selbst lesen, um sie ganz zu verstehen. Warum fühlte ich mich schuldig?

Der Gedanke war schnell gefasst. Ich hätte genausogut an Akios Stelle sein können. Wenn mich diese Arbeit faszinierend würde, hätte ich sie ebenfalls bis aufs Letzte ausgereizt. Eine Aufgabe, in der ich gut bin. Mir dämmerte, dass Akio intelligenter sein musste als ich, wenn er solche Arbeit verrichten konnte. Andererseits war es auch eine Form von Architektur – es wurde etwas geschaffen. Etwas, das zuvor berechnet und geplant wurde. Der entscheidende Unterschied war, das Akios Projekt lebte. Es entwickelte sich weiter und man wusste nicht sofort, ob es am Ende das ist, was man errechnet und gewünscht hatte.

Ich wusste nicht so recht, ob mir der folgende Gedanke gefallen sollte oder nicht: Die Technokraten konnten Akio nur soweit bringen, weil er es selbst wollte. Die Geräte, die sie benutzt hatten, haben ihn nicht umgekrempelt – dafür sollte sein Wille zu stark sein. Nein, er hat eine Chance erkannt und sie genutzt. Fotografie schaffen war ein guter Anfang, aber nicht gut genug. Es fehlte irgendetwas. Rastlose Seele, kurzzeitig beruhigt durch seine Freundin.

Aber er hat sich vor ihr verschlossen, sie war eben doch nur ein Mensch. Angst, sie zu verschrecken mit seinem Wissen, seiner vernichtenden Kraft. Er wollte sie nicht mit hineinziehen und hat seinen eigenen Halt zerstört. Ich schüttelte zu mir selbst den Kopf. Warum sollten seine Gedankengänge genauso verlaufen wie meine? Weil wir Zwillinge sind? Vielleicht ist das totaler Quatsch, Teshi. Er ist immerhin ein Wandler und ich nur ein Magus. Wir haben unterschiedliche Leben geführt und unterschiedliche Dinge erlebt. Vielleicht wollte er etwas ganz anderes erreichen.

Ich ruckte hoch und griff nochmal zu Anastasias Akte, schaute mir das Bild von Amanda an. Warum blond? Warum zum Teufel sah Amanda wie Inga aus? Ich ärgerte mich darüber, dass ich nicht schon früher darauf gekommen war. Es musste absichtlich etwas an Amanda verändert worden sein, sonst würde sie Anastasia viel mehr ähneln. Dieses Kind sollte keine Kopie von Anastasia werden, es sollte besser werden. Blieb die Frage in was besser und warum.

Er musste damit aufhören. Ein Labor ist keine Umgebung für ein Kind, für niemanden. Ich griff nach der Zigarettenschachtel und zündete mir fast beiläufig eine der Zigaretten an, ehe ich aufstand und zum Fenster ging, um es zu öffnen. Die Technokraten hatten da offensichtlich einen sehr fähigen Mann in ihr Team geholt, der sich das Gesicht mit mir teilte. Ich hatte irgendwie nicht das Bedürfnis das auf mir sitzen zu lassen. Während ich mir die Daten nochmal durch den Kopf gehen ließ, blies ich den Qualm aus und blieb immer wieder an Anastasia hängen.

Woher sollten die Technokraten wissen, was in ihrem früheren Leben passiert war und wenn Vasilij die starren Magi so gut unter Kontrolle hielt, woher sollten sie soviele Informationen über ihn und sein früheres Treiben haben? Ah… über Jules wussten sie auch schon sehr viel. Aber zurück zu Anastasia, warum waren ihre Gene so interessant für die Technokraten? Wieso zogen sie sich ein Kind heran, welches potentiell magisch Begabt sein könnte? Wenn dieses Mädchen auch noch dynamischer Natur war, hatten sie sich eine Zeitbombe in ihr Nest gesetzt. Sicher, ein kalkuliertes Risiko. Tja, auf welcher Seite stehst du, Akio? Wofür benutzt du Amanda?

Der neue Plan war also, herauszufinden was an Anastasia so besonders ist. Ich lehnte mich gegen den Fensterrahmen und zog noch mal an der Zigarette, während ich in den Garten blickte.

Kalkulieren kann ich auch.

Published inRollenspiel-Storys

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