Es war, als würde die Welt den Atem anhalten, als die Sonne den Himmel blutrot färbte. Jedes Wesen dieser Erde wandte sich dem untergehenden Himmelskörper zu. An jedem Ort war es das Selbe Bild. Überall ging gleichzeitig die Sonne unter. Nirgendwo war noch helllichter Tag oder gar Nacht. Doch die Menschen dachten nicht über dieses seltsame Phänomen nach.
Ein jeder erstarrte förmlich in seiner Handlung. Der angesetzte Hieb gegen den Feind wurde unterbrochen, das Pferd hielt an, man stieg aus dem Bett und blickte aus dem Fenster. Jeder Mensch dieses Planteten hörte mit seinen Tätigkeiten auf und blickte gen Sonne. Ebenso wie jedes Tier, ja sogar die Insekten.
Als die Grillen aufhörten zu zirpen und Vögel aufhörten zu zwitschern, war es totenstill. Das Vieh traute sich nicht einmal mehr zu schnauben und die Uhren weigerten sich, zu ticken und blieben stehen.
So stand sie da. Den Himmel blutrot getränkt, die Wolken zeigten schwarzen Hass. Der leuchtende Himmelskörper glühte vor sich hin, als wäre sie so dicht an der Erde, dass man die Flüssige Lava sehen konnte. Es wirkte fast so, als würde die Sonne pulsieren. Als würde sie Leben…
Sogar der Wind wehte nicht mehr, es waren zwar nur wenige Sekunden der absoluten Stille, aber es war unheimlich. Den Lebewesen des Planeten Erde lief ein kalter Schauer über den Rücken, aber niemand wagte zu Atmen, geschweige denn in Panik auszubrechen…
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Basil öffnete die Augen und erhob sich rasch aus der Hängematte, die er im Walde Gaias aufgehängt hatte. Seine Hände zitterten und sein Herz klopfte laut. Er musste sich das ansehen. Er musste de Welt betrachten!
Mit eiligen Schritten durchquerte er den Wald, der ihn höhnisch anblickte. Als er den ersten Schritt auf den weißen Marmor des Himmelsreiches tat, versagten seine Knie. Um den Sturz gerade noch abzufangen, stützte er sich auf seine Hände. Schwer atmend stellte er fest, dass sich alles um ihn herum drehte.
Er kniff die Augen zusammen und versuchte die schwarzen Flecken in seinem Gesichtsfeld zu vertreiben. Sie kündigten den Verlust seines Bewusstseins an. Aber sollte ein Gott sich so fühlen? War das möglich?
Er erhob sich wieder rasch, zu rasch. Er stützte sich an einer Säule ab, um nicht sofort wieder den Fußboden zu küssen. Ein großer Schatten fiel auf ihn, was seinen Puls erneut hochtrieb. Dann blickte er den Besuch an. Ihm ging es durch Mark und Bein, als er den Engel erkannte. Trotz dessen, dass Alexandriel gefallen war, war sie ein heiliges Geschöpf Gottes… eines anderen Gottes… und ihre Heiligkeit schmerzte dem Euthanatos. Wo war seine Kraft geblieben? Wo war seine göttliche Macht?
Diese Frage sollte ihm in diesem Leben nicht mehr beantwortet werden…
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Die Stille wurde gebrochen, als die Welt wieder ausatmete. Ein gewaltiger Luftstoß ging dem Schall voraus. Der scharfe Wind fegte Dächer von Häusern, Reitern von Pferden, Schafe von Dämmen und Hüte von Köpfen. Noch ehe die Lebewesen jedoch reagieren konnten folgte der Knall. Ein jeder hatte das Gefühl, dass sein Gehör stirbt. Es war ein so gewaltig lautes Geräusch, dass einigen Wesen die Köpfe zerplatzen oder ihnen Blut aus den Ohren floss.
Wer nun noch nicht von dem Luftdruck und dem Schall von den Füssen geworfen wurde, den ereilte nun der Anblick einer explodierenden Sonne. Lava flog durch die Gegend, als hätte die Erde direkt neben der Sonne gelegen. Als das erste Flüssige Feuer den Himmel herabregnete und sich durch den Planeten fraß, war es aus mit der Stille. Nun übernahm unkontrollierte Panik die Kontrolle über alle Lebewesen. Sogar die Pflanzenwelt erzitterte.
Das Feuer war, als würde es direkt aus der Hölle kommen. So fraß es sich durch Fleisch und Haus, durch Fell und Höhle. Das Feuer vom Himmel, welches die Überreste der Sonne darstellten riss riesige Krater in Gaias Antlitz…
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Durch die Feuersbrunst hechteten zwei Schatten. Zielstrebig waren die beiden Wächter unterwegs. Die Tore von Linns Palast waren bereits zu sehen. Cristal und Ramses hielten sich das Höllenfeuer mittels eines Schildes von Ramses fern. Cristal sprang auf allen vier Pfoten vor das Tor und berührte es dann, um seine Quintessenz aufzunehmen und es somit zu zerstören.
Doch jemand kam ihr zuvor. Das Geräusch von brechendem Marmor und Granit ließ ihren Begleiter aufhorchen. Trotz dessen, dass sein Gehör durch den Explosionsknall der Sonne stark beschädigt war, konnte er die Gefahr wahrnehmen. Aber dazu bedurfte es sowieso nur noch Augen.
Der große schwarze Werwolf namens Cristal, die eben noch vor dem Tor stand, lag am Boden. Ihre Knochen waren vermutlich vaporisiert und sie lag wie ein Schluck Wasser auf dem Boden. Auf ihr thronte die schwarze Pranke eines Drachen. Dieser steckte auch sogleich seinen gehörnten Schädel durch die Überreste des Tores und funkelte Ramses mit glimmenden Augen an. Das Knurren des Drachens grollte durch das gesamte Tal.
Ramses legte den Kopf schief. Seine Sphäre waren die Kräfte, somit konnte ihm auch Drachenfeuer nichts anhaben. Aber wie sollte er durch die Schuppen des Drachens gelangen, um ihn zu verletzen? Vielleicht sollte er sich einen anderen Weg suchen, um in den Tempel zu gelangen.
Instinktiv duckte sich der Werwolf unter einem Brocken flüssigen Feuers hinweg. Allerdings wurden ihm die Beine weggezogen, sodass er nach vorne viel. Zwar rollte er sch ab, aber der zweite Hieb des goldenen Drachenschwanzes zertrümmerte ihm den Brustkorb.
Goldene Schuppen, weißes Feuer in den Nüstern und der wütende Schrei des großen Drachens waren das letzte, woran Ramses sich erinnern konnte… bevor er starb.
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Jeder Physiker hätte diese Sonnenexplosion als unmöglich dargestellt. So wusste man doch ganz genau, dass die Sonne sich erst hätte aufblähen müssen. Die Explosion hätte ebenfalls anders ablaufen müssen… Aber zu diesem Zeitpunkt des Armageddons dachte wahrlich niemand darüber nach.
Und das war auch gut so. Sonst wäre der Magus, der diese Kräfte entfachte jetzt sicher vom Paradox verschlungen worden und die Geschichte hätte hier bereits ihr endgültiges Ende gefunden… mit der Zerstörung der Erde.
Schweiß lief über sein Gesicht. Er musste bereits die Augen zukneifen, um nicht noch mehr davon hineinzubekommen. Seine gräulichen, langen Haare hingen ihm wild im Gesicht und klebten durch den Schweiß an seiner Haut. Er hatte die Hände ausgestreckt und seine Handflächen waren gen Sonne gerichtet. Der eiskalte Boden auf dem er stand hatte bereits große Risse und Gaia erzitterte unter seinen Füssen.
Raffaels cenilgrüne Augen hatten den Himmelskörper fixiert, während die Kräfte, welche er selbst geweckt hatte, an ihm zerrten. Sein Mantel war bereits zerrissen worden und überall auf der Drachenritterrüstung waren Brandflecken. Etwas von dem flüssigem Feuer war sogar bis zu seiner Haut durchgedrungen, was das rohe, verkohlte Fleisch zeigte.
Es sollte seine letzte Rückkehr zur Erde sein. So wie es aussah würde er nirgendwo mehr hingehen… Raffael dachte an seine Schwester und brüllte den enormen Kräften entgegen. Damit zeigte er, dass er immer noch Kraft hatte, auch wenn es von außen anders aussehen mochte. Das bewirkte außerdem, dass er eine grünliche Aura bekam. Das freigewordene und aktivierte Cenil flackerte um ihn herum wie ein wärmendes Feuer.
Neben Raffael stand Jonathan Dooth. Die beiden befanden sich auf dem Südpol. Jonathan hatte sich vor kurzem noch auf einen Stock gestützt, welcher aber schon längst zu Asche geworden war. Also saß der Technokrat auf dem Fußboden und hielt sich mit einer Hand an diesem fest. In der anderen Hand hielt er ein Messgerät, welches wohl einem Science-Fiction entsprungen sein musste. Denn es war nichts weiter als ein handflächengroßes Tablett, auf dem Holografisch ein paar Werte dargestellt wurden. Doch Raffaels Kraft war schon längst außerhalb des messbaren Bereiches. Jonathan blickte daher auch nur noch auf den Wert von Gaias Stabilität.
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Am anderen Ende der Welt, am Nordpol, sah man fast das gleiche Bild. Dragonfly stand bereits bis zu den Knien im Eiswasser, da der Gletscher, auf dem er stand, immer mehr schmolz. Seine Handflächen zeigten ebenfalls in Richtung Sonne. Etwas flüssiges Feuer hatte sein Gesicht getroffen, sodass seine linke Gesichtshälfte stark blutete. Doch trotz des Blutes, das über seine Augen lief, hatte er die Sonne fixiert.
Simon Carter hatte sich endlich aus dem Loch gezogen, welches durch einen Brocken flüssigen Feuers in den Gletscher geschlagen wurde. Er ging so nah an Dragonfly heran, wie es ihm möglich war und schrie in seine Richtung:
„Hör auf dich dagegen zu wehren. Konzentriere dich!“
Dragonflys Pupillen zogen sich zusammen. Er wollte nicht, dass das Cenil ihn beherrschte… Er hatte so lange dagegen gekämpft, sich unabhängig davon gemacht… Für einen Moment dachte er an Noube. Dann schloss er die Augen.
Simon sah das grünliche Feuer um Dragonfly aufflammen. Nun wehrte er sich nicht mehr, nun konnte er sich auf eine Sache voll konzentrieren. Der Sohn des Äther blickte auf die Ergebnisse, die seine Messungen des high tech Gerätes ausspuckte. Dragonflys Kräfte waren nun ebenfalls über den roten Bereich hinaus gestiegen.
Cenil beherrschte nicht, es wurde beherrscht. Von beiden Klonen.
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Linns Geist schwebte zwischen den Drachen hindurch zur Mitte des Tempels. Das flüssige Feuer riss immer mehr Löcher in das Dach und etwas war bereits auf dem Boden angekommen und schmolz sich hindurch. Lerac leckte sich das Blut des toten Wächters von der Pranke und ignorierte das flüssige Feuer, dass auf seinen Drachenschuppen gelandet war. Der Engelsdrache Kirk war in seiner kleinen Gestalt und hüpfte Linn hinterher. Auch die anderen Drachen der Drachenritter waren anwesend. Nur Feanor und Zerux nicht, denn sie waren bereits mit ihren Herren gegangen.
Brave erhob seinen Kopf, nachdem das Drachenmädchen Dayla auf ihn gestiegen war. So befand sie sich direkt über der pulsierenden Kugel in der Mitte des Tempels. Seufzend blickte sie auf die Kugel herab. Ihr Schicksal sollte sich nun erfüllen. Dayla die Eintagsfliege…
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Es war wie eine stumme Absprache, als Dragonfly und Raffael zeitgleich ihre Hände zum Himmel streckten. Mit dieser Geste wurden die tobenden Kräfte neu geformt. Dadurch riss der Erdboden auf. Ganze Städte versanken in den Schluchten. Das Magnetfeld der Erde wurde zu einer tödlichen Falle. Es war, als würde das gesamte Antlitz Gaias neu geformt werden. Die Kontinentalplatten erhoben sich aus ihrer flüssigen Verankerung und schwebten durch den Raum. Raffaels Augen glühten weiß auf.
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Als alles in der Luft hing, öffnete Ryudo das Himmelstor. Er ging eiligen Schrittes durch die Hallen Gottes. Als er endlich im Saal ankam stürzte er schnell zu dem Fenster zur Welt. Mit einer Handbewegung ließ er die Lebewesen durch die Luft fliegen und rettete sie dadurch. Auch wenn es nicht mehr viele waren, so wurden sie doch gebraucht.
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Raffael sank auf die Knie. Das entfesseln der Kräfte hatte kurzzeitig jegliche Gottesmagie außer Kraft gesetzt. Eigentlich war der ganze Kraftakt auch nur zu diesem Zwecke vollführt worden. Aber sich gegen alle Götter dieses Planeten zu stellen und die Elementarkräfte des Planeten gegen Gaias Willen einfach zu entfachen, war wahrlich keine leichte Aufgabe.
Jonathan erhob sich, soweit sein zerstörter Körper es zuließ und humpelte zu Raffael. Dieser hatte fast eine heilige Aura um sich. Jonathan stützte Raffaels Arme, die zu sinken drohten, sodass seine Hände weiterhin nach oben zeigten. Der alte Mann wusste, dass die Nähe zu Raffael ihm das Leben kosten würde, wenn die nächste Phase eintraf…
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Thadraza stand dicht an dem Bannkreis. Der Boden um sie herum war über ihr. Irgendeine Kraft hatte die Erdoberfläche aufgerissen und ließ nun die Kruste im Himmel schweben. Nur der Bannkreis war noch an Ort und Stelle. Die Göttin blickte Khazador an, welcher immer noch in seine Meditation vertieft war. Er würde bald von der Lava des Planeten verschlungen werden.
Thadraza stand bereits mit den Zehenspitzen auf dem letzten Fleckchen Erde. Durch ein Grollen und Beben des Untergrundes verlor sie plötzlich den Halt. Ihr Flug endete in Khazadors Schoß. Jetzt war auch sie im Bannkreis gefangen.
Khazadors Augen öffneten sich und er packte sie. Ehe Thadraza reagieren konnte, war es auch schon wieder vorbei…
Ein weiterer großer Knall erschütterte die Erde und vom Himmel regneten unzählige Phönixfedern. Allerdings waren sie nur Bilder aus rotem Licht und sobald sie den Boden berührten, lösten sie sich einfach auf.
Die Leute, die noch etwas hören konnten, vernahmen den Schrei des Phönixes…
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Ein Ruck ging durch die Welt und Raffael schien zu explodieren. Jonathan wurde durch die Luft gewirbelt und schlug hart auf dem Eis auf, welches immer mehr schmolz. Das Wasser der Meere hatte die Teile der Welt, welche nun in der Luft hingen, einfach überspült. Durch die enorme Hitze der Lava und der Kälte der Meere zischte und brodelte es überall.
Raffael sackte zusammen und stützte sich mit den Händen auf den Boden. Dadurch löste er eine Kettenreaktion aus. Die Kontinente krachten zurück auf die Erde, welche mit ihrer Anziehungskraft alle Teile von sich festhielt. Am anderen Ende der Welt wurde Dragonfly von den Füssen gefegt und er landete nun ganz im Eiswasser. Simon sprang sofort auf und durchwühlte das Eis-Wasser Gemisch nach dem Klon.
Raffael hustete und spuckte Blut. Es drehte sich alles in rasender Geschwindigkeit um ihn herum. Sein letzter Blick fiel auf Jonathan, der aussah, als hätte man 90%ige Salzsäure über ihn geschüttet. Auch das Eis in Raffaels Nähe zerfiel. Dann hüllte den Drachenritter der Schatten Dunkelheit ein und Griff nach seinem Bewusstsein…
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Ryudo ergriff den Krückstock des Rentners um sich abzustützen. Er hatte das Gefühl, er würde gleich ersticken, wenn die Last der Erde weiter auf ihm liegen würde. Alexandriel war noch in der Nähe und stützte den jungen Mann, dessen Augen wie die eines Greises wirkten. Aber nicht getrübt, sondern voller Wissen.
Die Beiden blickten durch das Fenster zur Welt und erblickten die letzten Drachenritter-Avatare, wie sie sich in Luft auflösten. Einige taten dies schweigend, andere mit einem zornigen Schrei, so wie Cenion…
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„Jetzt!“ Linns geisterhafte Stimme wirkte befehlend und bittend zugleich. Dayla nickte und sprang von Braves Kopf direkt in die leuchtende Kugel. Noch im Flug sagte sie zu ihrer Mutter: „Farewell.“
Als das Drachenmädchen die Kugel berührte, verschmolz sie mit ihr. Die Kugel färbte sich waldgrün. Nur wenige Sekunden danach explodierte die Kugel. Die Drachen hatten sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht und so stand nur noch der Geiste Linns an der Widergeburtsstätte.
Die grünliche Masse zog sich langsam über den geschundenen Planeten und umhüllte ihn wie ein Schutz. Lex und Ryudo konnten es vom Himmelsreich sehen. Auch die anderen Engel hatten sich im Saal versammelt und blickten gebannt und hoffend auf die Erde. Die grüne Ummantelung war fast wie eine Eierschale, die das werdende Kücken schützte.
Ryudo setzte die fliegenden Menschen vorsichtig auf dieser Schale ab…
Die Schale legte sich auf den Planeten nieder, welcher nun vollständig neu geformt war. Der Boden war überzogen mit Pflanzen aller Art. Die Tierwelt konnte hier ungestört reifen. Die wenigen Menschen, die alles überlebt hatten trugen ihr Leben davon und konnten nun neu beginnen. Ewig mit dem Wissen an die Sage des Armageddons. In der Angst, so etwas könnte sich wiederholen und in der Hoffnung, dass nun alles besser wird. Denn wer könnte schon behaupten, es könnte schlimmer sein, als der Weltuntergang?
Damit die Götter nicht erzürnt werden, errichten die Völker heilige Kultstätten. Die Elfen leben in gleichen Teilen wie die Menschen auf diesem Planeten. Der Weg in Elfenreich mag für immer verschlossen bleiben. Der Weg zum Planeten des Xandros ebenso.
Diese neue Welt, dieser Neuanfang ist völlig unabhängig. Ryudo, den man als Gott bezeichnen könnte, unterstützt die Völker des Planeten nur etwas. Die Engel mögen seine Boten sein. Aber sachte. Die Menschheit soll sich Zeit lassen, bevor sie wieder davor steht, sich auszulöschen…
Die Geschichte wird niemals vergessen, was einst war. Ein einzelnes Individuum aber ist der Schlüssel zur Welt. Lebet und Liebet. Nur du selbst kannst bestimmen, wohin deine Füße dich tragen…
Epilog
Weit entfernt, auf einem anderen Planeten. Dort saß ein alter Weißer Heuler an seinem Caern und blickte in die Flamme. Eine warme Hand berührte seine Schulter, dann Lippen seine Wange. Ehe er reagieren konnte, lag er am Boden und seine Frau drückte ihn ganz fest an sich. Ilara löste sich erst nach sehr langer Zeit von ihrem Gefährten.
„Ich habe die Kinder mitgebracht…. Dort draußen wäre es zu gefährlich geworden.“
So schaute Karras durch die Bäume und erblickte Neferi, Arthgon und Jay.
Arthgon trug einen grauen Mantel mit einer Kapuze, die er gerade abnahm. Wie seine Geschwister war er heute 20 Jahre alt geworden. Die Verluste waren ihm noch in die Augen geschrieben, aber die Freude über das Wiedersehen mit seinen Eltern war stärker. Er war wieder der kleine Blondschopf, der damals seinen Bruder am Wolfsschwanz zog und mit einem panischen Gesichtsausdruck fragte: „Bekomme ich so etwas auch, Mama?“. Oder wie er später Feuer aufsetzte, um den Kräuterkessel zu erhitzen, weil er alle Kräuter aus Ilaras Lager zusammen geschmissen hatte und diese nun zu einer Suppe verarbeiten wollte. Ein Mensch unter Wölfen, ohne Furcht und mit viel Charme. Er schwenkte seinen grauen Kampfstab und trat auf seine Eltern zu. Als er vor ihnen stand, blickte er zu ihnen herab und lächelte: „Schön, wieder hier zu sein.“
Nilophe Jeanette zupfte ihre Kleidung zurecht und trat aus der Dunkelheit der Bäume hervor in das sanfte Mondlicht. Dadurch offenbarte sie ihre neue Frisur und wartete auf Reaktion. Ihre langen roten Haare waren abgeschnitten, bis auf eine kleine Strähne, die geflochten war und an ihrer Seite herunterhing. Ihre kurzen Haare waren mit Tierfett nach oben gestylt und standen wie einem Igel die Stacheln vom Kopfe ab. Außerdem trug sie eine lange braune Lederhose, die nach unten hin ausgebeult war und ein grünes Stoff-Top, welches an den Armen Fransen hatte. Das Wolfsmädchen, dessen Lieblingsgestalt Lupus war, wurde erwachsen… Unter einen Arm hatte sie ein Buch geklemmt, auf dem man „Lexicon der Sprachen“ lesen konnte. Mit einem schmunzeln über die Blicke ihrer Eltern kam sie auf sie zu. Als sie vor ihnen stand, nahm sie beide in die Arme und drückte sie ganz fest an sich.
Neferi stand lange noch zwischen den Bäumen und betrachtete die vier. Sie dachte daran, was Madalion wohl gerade machte und betrachtete ihre beiden jüngeren Geschwister. Sie strahlten trotz dem Erlebten viel Glück aus und steckten damit ihre Eltern an. In den Augen ihres Vaters erkannte sie Erleichterung… aber nicht die Erleichterung, die Ilara ausstrahlte, dass nun wieder alle zusammen waren… das war zwar auch vorhanden… aber Karras Augen waren erleichtert, dass nun endlich ALLES vorbei war. All das schlechte, all das wofür die Drachenritter gekämpft hatten, all die Angst um andere… Neferi lächelte, denn sie sah einen glücklichen Mann, der endlich seine überfällige Rente erhielt. Auch wenn Karras nicht alt aussah, er war es durchaus.
So trat die Erstgeborene zwischen den Bäumen auf die Lichtung und ging zu ihrer Familie. Auch wenn Therion tot war, so hatte sie immer noch jemanden, an dem sie sich festhalten konnte… und das tat sie nun auch.
Sie drückte Karras so fest an sich, dass ihre Fruchtblase platzte…
~*~
Nicht weit entfernt, am Tempel der Familie Elathriel, lehnten Xandros und Rachel an einem Baum und dösten. Nach wie vielen Jahrtausenden endlich wieder ein bisschen Zeit nur für sich selbst. Sie genossen die Ruhe und die Nähe des anderen. Sie lauschten den Vögeln und den spielenden Kindern. Im Hintergrund war der Tempel des Do zu erkennen. Der Wind ließ die Blätter leicht rascheln und die Sonne erwärmte ihre Gesichter. Denn sie strahlte so schön wie immer… und wird es noch eine lange Zeit tun.
Irgendwann fragte Rachel: „Wie wollen wir ihn eigentlich nennen?“ und sah ihren Gefährten schmunzelnd an.
~*~
Dragonfly riss die Augen auf. Als er feststellen musste, dass er keine Luft mehr bekam, erhob er sich rasch. Mit einem deutlichen blubb erhob sich der Blonde aus dem Eiswasser. Es war verdammt kalt und er hatte schon zu lange darin gelegen. Er rieb seine Hände an seinen Armen und zitterte vor Kälte. Mit einem leisen „Brrrrrr, ist das kalt.“ Machte er sich zur nächsten Eisscholle auf. Er watete durch das Hüfthohe Eiswasser und krabbelte dann auf das Gebilde aus Eis.
Dort blickte er sich eine lange Zeit um. Er betrachtete die neue Welt, auf der es gerade überall regnete. Es war viel Wasserdampf in der Luft und sehr neblig, was aber durch den Regen wieder ausgebügelt wurde. Ein Regen, der die Vergangenheit wegspülte.
Plötzlich viel Dragonfly etwas ein und er rief laut:
„RAFFAEL!“
Er drehte sich rasch hin und her und suchte nach Simon, aber auch dieser war fort. Dragonfly war verloren, denn der Fluggleiter, mit dem sie hergekommen waren, war ebenfalls fort.
„Shit!“
Dragonfly schloß die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. Aber er konnte Raffael nicht aufspüren.
Mit einem traurigen Gesichtsausdruck öffnete Dragonfly seine Augen wieder und schaute auf seine blauen Finger. Lange würde es nicht mehr dauern, bis er nurnoch ein Eisklotz war…
Sein Blick ging gen Himmel. So sollte es also enden. Er hatte die ganze Welt in den Händen gehabt, hatte sie geformt, trug ihre Last, hatte einem Gott die Kraft geraubt… und nun sollte er hier wie irgendein Mensch erfrieren… NEIN!
„RYUDOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO!“
~*~
Es waren wieder einige Jahre vergangen, als Neferis Tochter, mit dem Namen Faingaura Cefnaneth Dooth-Gilgalad das Alter von 10 Jahren erreichte und im Vollbegriff ihrer Kräfte war. An ihrem Geburtstag, welcher der zweite Tage im ersten Monat des Jahres war, kamen zwei Leute zu ihr. Einer davon war Xandros Elathriel, der die junge Schönheit noch am morgen besuchte.
Er kam im weißen Gewand in seiner menschlichen Gestalt. An seiner Seite war ein Junge. Faingaura wusste, dass es sein Sohn war. Es war einer der seltenen Tage, an denen Xandros Elathriel den Mars besuchte. Nur für heute hatte Ilara ihm den Aufenthalt gewährt. Aber auf diesen Tag wartete er schon recht lange.
Fain’ saß in ihrer Hängematte, die aus Elbengarn gemacht war. Die Höhle war von Pflanzen durchwuchert und Fain’ hatte viele Elfische Spielsachen herumliegen. In einer Ecke stand ein Köcher, gefüllt mit Pfeilen. Auf einem Tisch stand ein Obstteller auf dem noch ein angebissener Apfel zwischen den anderen Früchten lag. Die Hocker standen wild im Raum und ein umgestoßener lag vor dem Tisch. Xandros klopfte an die Tür und hörte von drinnen die zarte Stimme des Mädchens:
„Trete ein, Naurithron.“
Xandros öffnete die Holztür und betrat Fains Höhle. Seinen Sohn hatte er zu Neferi geschickt, die im Nachbarhaus mit ihrem Gefährten wohnte.
Das junge Medium setzte sich in ihrer Hängematte auf und schunkelte mit den Füssen. Xandros verneigte sich leicht, aber ehe er Luft holen konnte, sprach Faingaura:
„Ich habe bereits mit Ryudo und Xiara gesprochen, der Wiedererweckung deiner Tochter steht nichts im Wege… aber bedenke: Sie wird wie jedes andere Kind geboren und erinnert sich nicht ihres vorigen Lebens. Wenn du heute Nacht zu deiner Frau gehst, wird sie fruchtbar sein.“
Xandros nickte und bedankte sich. „…wenn ihr je meine Hilfe brauchst, könnt ihr euch selbstverständlich immer an mich wenden.“
~*~
Mirijam schritt langsam über den Friedhof. Er war von weißem Marmor eingezäunt und ein jeder Grabstein hatte eine Geschichte. Es war der Friedhof der Legenden und sein Platz war auf der neuen Erde, die sie jetzt Terra nannten. Mirijam hockte sich vor den Grabstein, welcher die Form eines Tigerkopfes hatte und legte zwei weiße Rosen auf das Familiengrab. Eine für Gabriel und eine für Diego. Liliane, ihre Tochter, hockte sich neben sie und begann ein kleines Loch zu graben.
Währenddessen blickte Mirijam sich um. Es waren viele Gräber hier und der Friedhof war auch nie ganz leer. Mirijam sah eine junge Frau vor einem Grab, die weinte. Ein Mann stand neben ihr und nahm sie in den Arm. Dann blickte er auf und direkt in Mirijams Augen. Sie kannte ihn und so erhob sie sich und ging zu den beiden. Liliane pflanzte währendessen etwas in das Grab ihres Vaters und ihres Bruders.
Als Mirijam bei den beiden war, erkannte sie auch das Grab. In schönen Lettern stand dort ein Name eingraviert: Raffael Steinfels…
Der bekannte man war niemand anderes als Dragonfly. Als Charlotte sich aus seinem Arm wieder gelöst hatte und Mirijam begrüßt hatte, während sie sich ein Taschentuch aus ihrer Tasche gezogen hatte, ging Dragonfly auf Mirijam zu und umarmte sie kurz.
Mirijam lächelte. Wenigstens ein Mann ihrer Familie lebte noch…
Am anderen Ende des Friedhofes saß eine Frau, ganz in schwarze Gewänder gehüllt. Obwohl sie diesen Ort nicht mochte, weil er nach Tod stank, ging sie noch ein letzte mal hierher. Sie schaute auf den Blumenstrauß, der auf seinem Grab lag. Sie hatte ihr selbst dorthin gelegt. Mit ihren Fingern wischte sie die den Staub vom Grabstein, damit man seinen Namen wieder lesen konnte. Jonathan Dooth.
Kaji Samantha Irlionel Dooth erhob sich wieder und ging langsam vom Friedhof. Sie ging durch das Tor nach draußen und blickte auf die Stadt. Auf einem Schild wurde sie mit Golden Heaven betitelt. Kaji ging weiter und zwar in Richtung Wildnis. Niemand der anderen Friedhofsbesucher ging in die Wildnis, sie alle gingen zur Stadt. So war sie alleine und schritt weiter. Nach zwei Tagen kam sie im Wald an. Dort verwandele sie sich in die Lupusgestalt und lief weiter. Ihre Kleidung lies sie da.
Weitere vier Tage später kam sie zu ihrem Versteck. Sie überprüfte ein letztes Mal, ob alles an Ort und Stelle war, legte einen Zauber Gaias über das Versteck und reiste fort… sie würde niemals wieder hierher zurückkommen.
~*~
Lange rote Haare wehten im Wind. Von seinem Felsvorsprung aus betrachtete Zak die Menschenmenge. Die Bauern waren mit Heugabeln bewaffnet und belagerten seit einiger Zeit das alte Fabrikgebäude. Es stank zum Himmel, das spürten sogar die Menschen dort unten. Es wurden rufe von Dämonen und Hexerei laut. Zak wurde neugierig und so teleportierte er sich in die Fabrik.
Das hätte er wohl besser nicht getan. Er hielt sich mit einer Hand die Nase zu und mit der anderen stützte er sich an der Wand ab. Es drehte sich alles um ihn, denn die Giftgase im Raum hatten eine hässliche Wirkung auf seine Elfensinne.
Zak schaute hinter sich und stellte fest, dass dies die Tür war, die direkt nach draußen zur Menschenmasse führte. Er schaute sich weiter um und entdeckte große Becken, aus denen das grüne Gas austrat. Es wirkte hier zwar alles schon alt, aber noch zu neu für diese neue Welt. Der Elfendämon war sich eigentlich sicher gewesen, dass die Technokratie hier nichts mehr zu sagen hatte… Das musste er genauer untersuchen.
Also schwankte er zu der nächsten Metalleiter und kletterte diese hinauf, sodass er direkt über den Becken stand, als er das Metallgeländer betrat. Eine grüne Flüssigkeit blubberte und brodelte darin. Es schimmerte seltsam. Zak runzelte die Stirn. So etwas hatte er noch nie gesehen.
Er hörte eilige Schritte und die Worte: „Ich hätte es nicht vergessen dürfen…“. Dann wurde ein Hebel mit einem quietschen umgelegt und Zak spürte, wie das gesamte Fabrikgebäude im Erdboden verschwand.
„Nein!“, er stolperte vorwärts, wollte wieder zum Ausgang. Er wollte hier nicht lebendig begraben werden. Durch seine eingeschränkten Sinne und die plötzliche Panik stolperte Zak soweit vorwärts, dass er den Halt verlor. Mit rudernden Armen flog er in eines der gefüllten Becken…
Simon nahm gerade die Hände vom Hebel, als das Fabrikgebäude sich unter einem Felsen getarnt hatte, als er die Schreie des Elfendämons vernahm. Hastig eilte er die Leiter hoch, um sich das anzusehen. Als er oben war, sah er, dass es zu spät war. Zak war in das heiße Cenil gefallen und wurde davon komplett verschlungen…
„Heiliger Cyborg! INEK? Kommst du mal?“, rief er durch das Gebäude.
Der männliche Fee namens Inek ließ das Stück Schokolade liegen und flatterte zur Haupthalle. Doch als er dort ankam, bot sich ihm ein seltsames Bild.
Simon war in seine Einzelteile zerlegt worden und klebte an der Wand der Haupthalle. Cenil hatte ihm das Fleisch vom Metall weggefressen. Das Zeug klebte nun auch überall am Boden und hinterließ dort Brandflecken. Etwas erhob sich hinter einem der Becken und drehte seinen Kopf zu Inek. Als dieser den rothaarigen Elfen mit den grünleuchtenden Augen erblickte Schrie er vor Schreck auf. Sein Gesicht war zerfressen, jedoch regenerierte es sich gerade wieder. Zak machte mit zwei Fingern eine streifende Handbewegung und das Cenil aus einem der Becken erhob sich und schoss auf den Fee zu…
~*~
Cassiopaya schaute hoch zu ihrer Begleitung.
„Okay die Hütte gefällt mir…“
Felja nickte: „Hier ist es außerdem schön abgelegen…. Der Wald gleich in der Nähe… und was haben wir schon für eine Wahl.“ Sie lächelte.
Die beiden Frauen versiegelten das Portal und zogen sich in das Haus zurück. So würde niemand so einfach auf den Mars gelangen…
~*~
Dimitri hielt sich die Hand vor die Augen, als er aus dem dunklen Wald trat. Es war eine schöne neue Welt. Ein guter Neuanfang…
„Nicht so eilig.“, Dimitri erkannte die Stimme wieder und ein kalter Schauer viel ihm über den Rücken. Verdammter Mist, was machte der hier?
„Ein schöner Ort, nicht wahr?“, Xantcha trat neben Dimitri und betrachtete die Berge in der Ferne. Dimitri wagte es nur, ihn aus den Augenwinkeln zu betrachten:
„Ja….“
Xantcha blickte den Ältesten Sohn Kajis an: „…aber nicht für dich. Deine Zeit ist vorüber. Hier ist kein Platz für schwarze Heuler. Es gibt nun andere Mächte, die deinen Platz übernommen haben… die Familie Dooth hat hier nichts mehr verloren. Keiner von euch.“
Dimitri ging einen Schritt zurück. „Du gibst mir nichtmal die Chance hier in Frieden zu leben…!“
Xantcha schaute ihn ernst an: „Du hattest deine Chance schon viel zu oft… Genau wie deine Mutter. Seid verdammt!“
Dimitri riss die Augen auf, als Xantcha ihm das Herz aus dem Brustkorb riss…
~*~
„klopf, klopf.“
Xandros drehte sich zu seiner Schwester um. Dann hob er beide Augenbrauen und staunte nicht schlecht. Sie lächelte ihn an.
„Ich hoffe, ich störe nicht.“
„Du nie.“ Xandros winkte Naomi und ihren Begleiter herein. Im Wohnzimmer saß Rachel und sie hatte mindestens genauso einen dicken Schwangerschaftsbauch wie Naomi.
Diese trug ein sonnengelbes Kleid und wurde von Wang, ihrem Ehemann hereingeführt. Das Essen stand bereits auf dem Tisch und Karras war auch da.
Naomi blickte sich um und setzte sich dann auf die große Couch, die Xandros extra für die Schwangeren besorgt hatte. Kurz darauf kam Ilara herein. Sie trug ein Tablett mit Häppchen, welches Karras ihr sofort abnahm und sie auch auf die Couch drückte. Ilaras Bäuchlein war noch nicht ganz so weit, aber darüber schien sie gar nicht traurig. Denn dieses mal waren es keine 4linge…
WOW, einfach nur WOW