Tigon erhob sich aus seiner Hocke neben dem steinernen Stuhl Gottes und blickte in die Runde. Ein Kreis aus schwarzem Marmor stellte den Tisch dar. In der Mitte war ein großes Loch, aber jeder hatte bestimmt zwei Meter Platz bis zum „Ende“ des Tisches. Es standen 8 Stühle an dem kreisrunden Tisch, welcher in der Luft zu schweben schien. Tigon wusste, dass nur die Kraft des Caerns (oder Knotens, wie die Magi sagten) die runde Marmorplatte mit dem Loch in der Luft hielt.
Die Stühle sahen aus, als waren sie aus grauem Fels gehauen worden. Ihr rücken war hoch und ihre Lehnen waren breit. Auch wenn sie unbequem aussahen, konnte niemand klagen. Es war fast so, als würde man sich in einen gemütlichen Sofasessel legen.
Der Stuhl neben Tigon war noch leer, aber es hatte ja auch noch nicht begonnen. Rechts vom Stuhl Gottes war der Platz von Linn-Liu. Sie war vermutlich das älteste Wesen dieses Rates. Die Drachenlady war in schwarzen Samt gekleidet und es wirkte wie ein Kimono ohne Stickereien. Lediglich ihr Kragen war mit einem silbernen Rand verziert und sie trug ein Amulett um den Hals.
Ihr Handgelenk wurde von einem Silberkettchen geziert, welches mehrere Japanische Symbole an sich hatte. Eines davon stand für Drachen, ein anderes für Gift. Ihre dunkelbraunen Haare hingen ausnahmsweise nicht wild an ihr herab, sondern sie hatte sie mit einer Haarklammer nach hinten gebändigt. Die Spange sah aus wie ein Wolfskopf.
Ihre Augen glimmten leicht grünlich und sie hatte eine ernste Miene aufgesetzt. Ihre zarten Finger wurden mit grünlichen Drachenklauen geziert, mit denen sie auf der Marmorplatte tippelte. Tigon spürte ihre Nervosität deutlich.
Sein Blick schwenkte zum Stuhl, links neben sich. Er kniff kurz die Augen zusammen, als hätte ihn etwas geblendet, betrachtete Ryudo dann aber genauer, nachdem sich seine Augen an seine Aura gewöhnt hatten.
Der junge Mann strahlt seinen Avatar aus, als wäre er selbst Sahja, der Avatar der Avatare. Seine gelassene Pose auf dem steinernen Stuhl verkörpert das komplette Gegenteil von Linn. Auch wenn er nicht so alt wie sie war, wirkte er so. Seine Augen zeigten deutlich die Weisheit und das Alter Sahjas, welche auch auf den Menschen übergegangen war.
Er war in ein weißes Gewand gekleidet, welches mit gestickten, goldenen Linien verziert war. Neben ihm lehnte sein prächtiger Stab, in dem ein großer Cristall aus der Cristallstadt eingearbeitet war. Tigon zuckte kurz zusammen und presste eine Hand gegen seine linke Schulter. Die Splitter taten für einen Moment wieder weh. Aber es war nur Erinnerungsschmerz.
Ryudos schwarze Haare waren zu einem Zopf zurückgebunden und mit einem Lederband verschnürt. Seine dunklen Augen wanderten durch die Menge, bis er Tigons Blick bemerkte und ihn direkt anschaute.
Tigon blinzelte und schaute sofort in eine andere Richtung, als hätte er Angst, Sahja könnte von ihm Besitz ergreifen.
So traf sein Blick auf Sidney Young. Der Meistermagus auf Abwegen. Früher einmal Mitglied des Himmlischen Chors, aber er war schon immer ein Abweichler. Mittlerweile kann Tigon ihn sogar ausstehen. Vermutlich ist es seine Familie, die ihn so verändert hat. Auch „Acid“ gehört zu den weisesten Leuten, die Tigon kennt. Er war immerhin der beste Vertraute von Tigons Vater Gabriel Sutherland. Vermutlich war er sogar derjenige, der den Khan am besten kannte.
Sidney hatte damals die Erleuchtung abgelehnt und war nun derjenige, der dieser Erleuchtung am nächsten Stand. Er hätte Gott sein können und wollte auch dies nicht. Tigon beneidete ihn darum.
Sidneys Stoppeln waren mittlerweile zu einem Drei-Tage-Bart herangewachsen und seine Schwarzgefärbten Haare waren mittlerweile fast Schulterlang. Der Haaransatz verriet Acids Naturhaarfarbe, da bestimmt schon drei Zentimeter blond herausgewachsen waren.
Trotz dem rauen Auftreten wirkt er sehr edel, was seine Aura ausmacht. Wenn man bedenkt, dass dieser weise Mann früher ein Punk war, der sich auf die Vampirszene spezialisiert hatte…
Tigon musste innerlich schmunzeln, Abweichler waren eben die besseren Wesen. So trug Acid einen braunen Umhang zu seinem grünen Gewand und wirkte dadurch fast wie ein Waldelf. Seine Kleidung war einfach gehalten und in keinster Weise verziert. Auch hatte er lediglich einen großen Stock bei sich, der keine Symbole oder Steine an sich trug. So wirkte Sidney fast wie eine Mischung aus Gandalf und Aragorn. Auch kam er ihnen in Wissen nach. Tigon dachte dabei kurz an die Reise nach Mittelerde, welche er mit Sidney getätigt hatte…
Tigon betrachtete nun Acids momentanen Gesprächspartner. Die beiden standen neben ihren Stühlen und unterhielten sich über Kindererziehung. Neferi erwiderte Tigons Blick kurz. Sie war in eine ebenso einfache Kluft gesteckt wie Acid. Allerdings waren alle Stoffe grau. Sie trug einen schweren, langen Rock und ein kurzärmeliges Wollhemd, worüber ein grauer Kapuzenumhang hing. Die Kapuze war zwar nicht auf ihrem Kopf, aber der Umhang eng um sie gelegt.
Aus dem Halsausschnitt ragte der Griff eines Schwertes und man konnte erkennen, dass ihre Hände in Plattenhandschuhen steckten, sowie auch die Arme durch Metall geschützt wurden. Tigon vermutete, dass Neferi unter ihrem Rock noch mehr Rüstungsteile trug. Der Rock sorgte lediglich dafür, dass sie trotz ihres Kugelrunden Bauches nicht eingeschränkt war. Vermutlich befand sie sich im sechsten Monat ihrer Schwangerschaft.
Ihre Haare hatten durch die letzten Ereignisse neue Farbtöne angenommen. So kam es, dass Neferi zwei lange Strähnen an den Seiten bei den Ohren hatte. Eine davon war in einem glänzendem schwarzblau und die andere in einem schimmerndem silberweiß. Ihre restlichen Haare waren dunkelbraun, fast schwarz und in einem lockeren Zopf nach hinten gebunden. Tigon vermochte nicht zu sagen, wie lang ihre Haare waren, da diese unter dem Umhang verschwanden.
Ihm viel allerdings auf, dass Neferi Ohrringe in Form von runden Steinen trug. Auf der linken Seite war es ein schwarzer Stein mit einem roten Symbol darauf und auf der rechten Seite ein weißer Stein mit einem silbernen Symbol darauf. Tigon vermutete, dass die Symbole Zeichen der beiden Elfenfamilien sind, die nun in der Werwölfin verewigt wurden:
Elsyrion Sternauge, Wolfsreiter und Weltenwanderer.
Vivlest Bloodmoon, Elfenmischling und ewig Verbannter.
Tigon machte es fast Angst, das diese beiden mächtigen und alten Elfen ihre Seelen in Neferi geparkt hatten. Sie war auf jeden Fall eines Gottes würdig und vertrat die wilde Seite Gaias ziemlich gut… Das rötliche Glimmen in ihren Augen verstärkte das noch.
Die vier Stühle nahe bei Gott waren also belegt. Ryudo, Linn, Acid und Neferi waren die direkten Berater des frischen Gottes. Nun waren noch drei Stühle, die nicht erwähnt wurden. Einer dieser Stühle war gegenüber Gottes aufgestellt worden. Der Platz gehörte Luzifer, dem Gegenpart dieser Welt. Um sein Auftauchen kümmerte sich „Gott“ bereits. Er hatte beschlossen, dass Luzifer auch ein Mitspracherecht hatte.
Über die anderen zwei Stühle wusste auch Tigon nicht Bescheid. Gott wollte ihm nichts sagen, also ließ Tigon sich überraschen. Er vermutete, es würden beliebige Wesen von der Erde sein…
So warteten die Ratsmitglieder also auf Gott und die drei fehlenden Personen… Der Council of Destiny würde bald beginnen…
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