Cuervo betrachtete die Straße von seiner erhöhten Position, aber in völliger Dunkelheit. Die beiden Wagen, die er erwartete hatten etwas Verspätung als sie heranrauschten. Der Vorsintflutliche begab sich in die Hocke, als der vordere Wagen einen unkontrollierten Schlenker zur Seite und damit Bekanntschaft mit einem der parkenden Autos am Straßenrand machte. Der Wagen dahinter wich dem ruckartig stehengebliebenen Vordermann aus und hielt an, sodass die Autos beinahe nebeneinander standen.
Die Türen des noch intakten Wagens gingen auf und die Ghule stiegen alarmiert aus. „Alles in Ordnung?“, wurde gefragt. Cuervo griff beiläufig hinter sich und zerrte den Vampir aus der Dunkelheit, wobei er dessen Kiefer mit seiner Hand umklammerte, sodass die panischen Schreie hinter verschlossenem Mund blieben. Der Malkavianer legte den Kopf des sich windenden Blutsaugers auf seinen rechten Oberschenkel und beobachtete weiter das Geschehen unten auf der Straße.
Der erste Ghul fiel um, da ihn eine Kugel getroffen hatte. Danach öffnete sich die Fahrertür des Unfallwagens und weitere Schüsse fielen. Der eigentliche Fahrer des Wagens glitt leblos aus dem Auto heraus. Cuervo drehte beiläufig den Kopf seiner Begleitung zur Seite und hob ihn an, sodass er in dessen Hals beißen konnte. Nach zwei Schlucken fiel sein Imbiß in Raserei, sodass er doch tatsächlich die zweite Hand nehmen musste, um seine Arme fest zu halten. Diese Tierklauen störten. Aber Cuervo betrachtete weiterhin nur die Szenerie unten auf der Straße.
Der Verräter schoß seine ehemaligen Kollegen einfach nieder und kaperte den noch intakten Wagen mitsamt der Gefangenen, die darin gepflockt lagen. Er machte sich allerdings nicht die Mühe, die Tzemisce von dem anderen Wagen mit zu nehmen. Das war zu erwarten gewesen. Cuervo nahm noch einen großen Schluck aus dem Vampir und verfolgte die Flucht zuerst nur mit den Augen. Als sein Snack leer war, ließ er ihn einfach fallen und erhob sich aus der Hocke.
Cuervo machte einen Schritt nach vorn und ließ sich einfach vom Dach fallen, federte die Landung nur ab, um keine auffälligen Schäden im Asphalt zu hinterlassen und betrachtete die herumliegenden Ghule. Nachdem er alle gesehen hatte, wusste er, wer der eigentliche Verräter war. Dann öffnete er den Kofferraum des noch vorhandenen Wagens, in dem die Tzemisce lag und entfernte ihren Pflock. Wie zu erwarten war, hatte sofort das Tier die Kontrolle und sprang auf ihn zu. Der Kofferraum war jedoch schneller wieder zu, als sie herauskam. Cuervo lauschte ein paar Sekunden dem Lärm, den die Vampirin verursachte während sie in ihrem kleinen Gefängnis tobte.
Er musste sich keine Sorgen um Zuschauer machen, die Umgebung war leer. Unterbewußt meideten die Sterblichen diese Straßen, solange Cuervo es wollte. Er nahm einem der angeschossenen Ghule eine Pistole ab und feuerte das gesamte Magazin in den Kofferraum. Das machte die rasende Fleischformerin noch wütender, gab ihr aber auch die Chance aus dem Kofferraum auszubrechen. Die Löcher waren im Kreis geschossen worden und genau dort hindurch schlüpfte jetzt die Tzimisce.
Sie verbiss sich in Cuervos Arm, was auch nur gelang, weil er absichtlich nicht auswich. Es gab viele Kainiten, welche die Fähigkeit der Tzimisce gerne benutzen würden. Wie leicht konnte man die Blutsauger mit ihrem Sirenengesang manipulieren, auch gegen den Sabbat wäre das ja eine vortreffliche Waffe. Cuervo betrachtete die Vampirin ohne Ausdruck im Gesicht, während sie die ersten Schlucke seiner Vitae herunterschlang. Mit dem Sirenengesang konnte man Vampire in einer Menschenmasse aufspüren und sie so herausholen – ohne Blutvergießen und vielleicht Jahrelanger Indiziensuche. Das musste toll klingen in den Ohren dieser Frischlinge. Cuervo war anderer Meinung. Übermächtige Waffen hatten die Angewohnheit in die falschen Hände zu gelangen.
Die Sirene krümmte sich, zog ihre Fänge aus seinem Arm und presste beide Hände an ihren Mund, während dieser verbrannte. Sie hatte eine Menge seiner Vitae geschluckt und dadurch keine Chance dem ätzenden Gift zu entkommen. Es löste sie von innen heraus auf und die Schreie aus Schmerz und Zorn blieben still – so wie die gesamte Umgebung. Der Malkavianer sah der Kreatur beim sterben zu, bis nichts mehr als Asche von ihr übrig blieb.
Unfälle waren das, was die Pläne des Rates zerschlug. Eine Prise Chaos war eben in allem. Cuervo blickte hinauf zum Himmel und nickte dem Mond zu, ehe er von dannen zog.
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