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Abrechnung

Stimmung
Ben hatte die letzten Tage bei Charlotta verbracht. An keinem hatte er sich besonders wohl gefühlt. Die Gefühle die er empfand waren nicht die Seinen. Und Für Ronja musste es ein unglaubliches Chaos sein, denn das vorherrschende Gefühl war Verwirrung. Immer wieder durchsetzt mit Angst, Trauer, Verlust, Liebe. Das Mädchen schien alle diese Gefühle nicht zu kennen und er fragte sich langsam wie sie so geworden war. Heute war es besonders schlimm. Seit er am Abend erwacht war fühlte er einen Inneren Druck der auf ihm lastete. Als, wenn die Schwerkraft seine Seele herunterdrücken und zerquetschen wollte. Er wusste das Ronja diese Gefühle aus sandte, dass Band zwischen ihnen war Segen und Fluch zugleich. Sie war irgendwo da draußen und er würde sie finden können, wenn es nötig wäre. Aber jetzt war sein Inneres vollkommen auf ihre Gefühle gerichtet. Unter dem Enormen Druck den irgendetwas in ihr Aufbaute konnte er etwas anderes Spüren. Ein kribbeln in der Magengegend, eine leichte Berührung mit Schmetterlingsflügeln, die seine Seele leichter machte, ein unbewusster Sprung in eine warme Quelle. Liebte sie jemanden?
Er erhob sich vom Bett und zog sich an, während das Gefühl blieb und Charlotta ihren Kopf durch die Tür steckte.

„Hey…möchtest du Frühstück?“

Ihr Gesicht aber verzog sich zu einer Grimasse, als sie Bens Gesichtsausdruck sah. Das Gesicht ihres Vaters war eine Mischung aus Nachdenklichkeit und Schmerz. Charlotta trat an ihn heran und schlang die Arme, um ihren Vater. Sein ganzer Körper zitterte leicht und unter dem T Shirt konnte sie kalten Schweiß spüren. Irgendetwas schien überhaupt nicht in Ordnung mit ihm zu sein. Sein Blick war Abwesend, die Hände, welche sich um ihre Hüften gelegt hatten, eiskalt.

„Heyyy was ist los mit dir?“

Ihre Stimme war beruhigend und sie versuchte ihn mit ihrer Wärme irgendwie wieder aufzubauen, allerdings schien ihn das nur noch mehr aus der Fassung zu bringen. Normalerweise wirkte Ihre Berührung beruhigend auf ihren Vater aber heute hatte sie das Gefühl das dieses etwas, was ihn so außer Fassung brachte schien diesmal fiel tiefer zu gehen, als es die Bindung zu seiner Tochter zu tun pflegte.
Bens Hände streiften die ihren ab und er schob sie von sich. In seinem Blick lag etwas gequältes. Etwas das sie nicht fassen oder verstehen konnte. Ein tiefgreifender Schmerz der ihn von innen verbrannte und gleichzeitig in Kälte hüllte und somit zu einem Tod im Eis seiner Seele, welches er selbst geschaffen hatte. Sein Körper hatte.

„Mit mir ist alles in Ordnung. Ich habe nur noch etwas zu erledigen…“

Seine Stimme klang unsicher, beinahe so brüchig wie ein Stück getrocknetes Backpapier, wenn es zu lange im Ofen war. Irgendwie wusste sie das er nicht mehr zu dieser Sache sagen würde. Aber es hatte auch nicht zwangsweise etwas mit seinem Zustand zu tun. Irgendetwas belastete ihn darüber hinaus und es war eine sehr tiefgehende Beunruhigung, die von ihm Besitz ergriffen hatte.

Ben blickte in die Augen seiner Tochter und erkannte Sorge in ihr. Er wünschte sich innig ihr etwas von dem erzählen zu können, was ihn bewegte und was er wohl tun musste. Aber er hatte sie bisher immer aus seinen Problemen herausgehalten und würde das auch weiterhin tun. Sie wusste wenig über diese Dunkle Welt und so sollte es auch bleiben. Seine Hand strich ihr über den Kopf.

„Mach dir keine Sorgen. Ich muss jetzt los. Sonst schiebe ich das immer weiter vor mir her.“

Charlottas Gesichtszüge wurden nicht weicher, sondern eher noch Sorgenvoller.

„Es hat wieder etwas mit deinem Wesen zu tun oder?“

Ben nickte und atmete tief ein und aus. Anschließend ging er an seiner Tochter vorbei und griff nach seinen Schuhen. Als er wieder aufblickte sah Charlotta ihn an.

„Pass auf dich auf!“

„Das werde ich!“

versprach Ben und zog die Wohnungstür hinter sich zu. Es wurde Zeit Olafs Rat zu befolgen.

~*~

Stimmung

Das Mondlicht beschien die Straßen und Gehwege. Alles erstrahlte in einem fahlen Silberglanz. Beinahe erinnerte ihn der Anblick ein wenig an Ronja, die auch immer ein wenig silbriges Licht zu umgeben schien. Die Nacht war warm und kaum ein Lüftchen regte sich. Der Druck der ihn innerlich zu zerquetschen drohte, nahm eine andere Richtung an. Plötzlich fühlte es sich nicht mehr wie ein Gewicht an, sondern wie Pferde die ihn Vierteilen wollten. In alle Richtungen gleichzeitig zogen sie und wollten seine Seele, seinen Körper und seinen Geist zerreißen. Seine Hand berührte kalten Backstein und wandte den Kopf zur Seite. Er hatte an einer Hauswand halt gefunden, auf die ein Graffiti gemalt war. In grell bunten Farben stand dort: „desperatio“ geschrieben. Ein gequältes Lächeln überzog seine Lippen, denn irgendwie erschien ihm dieses Wort für seine derzeitige Situation sehr passend. Bevor er seinen Blick wieder nach vorn richtete strich er über die Mauer und fühlte eine Frustration, eine Hilflosigkeit und eine Angst, die tiefer ging als ein Gefühl es tun sollte.

Die Bäume umfingen ihn mit ihrem Schatten und der Wald nahm ihn mit seinen Gerüchen und Geräuschen gefangen. Der Geruch nach warmer Erde, das rufen einer Eule und das Rascheln von kleinen Tieren im Unterholz waren beruhigend, aber sie dämpften die heftigen Gefühls stürme in seinem Inneren kaum, denn es waren nicht die Seinen. Trotzdem musste er das mit Titus heute tun, denn wenn es noch schlimmer werden würde, dann könnte er ihm nicht mehr gegenübertreten. Dem Wald war dieser Krieg zwischen ihnen beiden vollkommen egal. Er war schon lange vor ihnen hier gewesen und würde es immer noch sein, wenn sie beide längst Staub wären.
Auf der heiligen Lichtung im Zentrum des Grunewaldes fand er schließlich wonach er suchte. Fast zwei Stunden Fußmarsch lagen hinter ihm und die Innere Unausgeglichenheit war stetig schlimmer geworden. Inzwischen war er hin und her gerissen zwischen Verzweiflung, Wut, Angst und Entschlossenheit das hier zu beenden, denn wenn das Band in Beide Richtungen funktionierte, wie Ronja es ihm gezeigt hatte, dann würden seine Gefühle die Ihren derzeit nur verstärken was einem Teufelskreis gleichkam, der sich immer mehr in die Tiefe schraubte und sie beide mit sich riss, wie ein endloser Malstrom, der alles zermalmend sein Werk tat. Titus stand in seiner Crinosgestalt in der Mitte des Platzes und vor ihm standen ein weiteres Dutzend Werwölfe, alle in ihrer Schrecklichen Kriegsgestalt. Wie es schien war dies hier ein Kriegsrat aber Ben konnte auch von hier erkennen das keiner dieser Wölfe unverletzt war. Sie alle hatten vor kurzem gegen die Bestien des Wyrms gekämpft und waren dabei verletzt worden. Nun wollte Titus sie wieder in den Kampf schicken. Jeder der Werwölfe war knapp vier Meter groß und weit massiger, als er aber er hatte keine Angst vor ihnen. Warum auch?

„Titus! Ich muss mit dir reden!“

rief er laut und deutlich über die Lichtung. Der große Wolf mit dem blutverschmierten Fell drehte sich zu ihm herum und knurrte ihn an. Seine Brust war aufgeschlitzt und immer noch sickerte Blut aus der Wunde. Das sonst dunkelbraune Fell war inzwischen blutverschmiert und sein Bein schien ebenfalls verletzt zu sein, denn er hinkte, als er sich langsam auf ihn zubewegte. Das knurren und die blutunterlaufenen Augen wirkten bedrohlich und Ben wusste das er ihm auf gleicher Augenhöhe gegenübertreten musste, sonst würde er ihm nicht zuhören. In seinem Inneren kämpften immer noch die Vernunft und Wahnsinn, um die Oberhand und so fiel ihm die Verwandlung leicht. Seine Muskeln dehnten sich und er wuchs. Seine ganze Körpermasse vervielfachte sich und bald überragte er Titus und sein knurren war angriffslustig. Nichts war von seiner Ruhe geblieben. Sein Innerer Kampf war inzwischen so außer Kontrolle das er sich nicht mehr auf ein ruhiges Gespräch konzentrieren konnte.

„Was machst du hier Titus?“

seine Stimme war nur ein tiefes Brummen, es war die Sprache der Wandler. Titus verstand ihn das wusste er.

„Ich bereite sie auf die Schlacht vor Ben!“

„Was für eine Schlacht? Du schickst sie in den Tod, wenn du ihnen keine Pause gönnst!“

„Wenn du hier gewesen wärst Ben dann bräuchten sie keine Pause!“

„Ich kann auch nur ihre Wunden heilen Titus! Nicht ihre Erschöpfung verschwinden lassen! Lass ihnen doch wenigstens ein wenig Ruhe, bevor sie sich wieder in den Kampf stürzen du Sturrkopf!“

„Darf ich dich daran erinnern mit wem du redest?“

Die Stimme des Werwolfs war gefährlich ruhig geworden, der lauernde Unterton war kaum zu überhören und das reizte Ben noch weiter. In seinem Inneren war der Druck inzwischen fast unerträglich geworden und die Seile seiner Seele, die ihn mit Ronja verbanden waren zum zerreißen gespannt. Er wusste langsam nicht mehr weiter. Was sollte er tun? Sollte er ihn töten? Sollte er ihn seine Schranken aufzeigen? Dann passierte es. Die Brücke, die seine Seele mit der von Ronja verband brach unter dem Enormen Druck der Gefühle zusammen und durchtrennte die Verbindung zwischen ihnen. In ihm war Plötzlich eine Leere, die er noch nie gefühlt hatte. Ein unendlich tiefes Schwarzes Loch, welches ihn auffraß. Aus seinem Maul drang ein gequältes Heulen, er krümmte sich und lies Titus damit aus den Augen. Der Werwolf nutzte die Gelegenheit und stürzte sich auf den Ghural. Seine Klauen fuhren hernieder und schnitten durch das Fleisch seines Halbbruders, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Ben sackte in sich Zusammen, die Schmerzen waren so groß das er die Wunden kaum spürte, die Titus ihm zufügte. Nicht nur, dass Ronja aus seinem Geist verschwunden war, nein nun griff ihn sein bester Freund auch noch direkt an. Zum zweiten Mal fühlte er wie die Klauen seine Brust aufrissen und dann war es vorbei.

Der Schmerz war verschwunden. Die Unsicherheit war weg. Alles war im Gleichgewicht. Eine Innere Ruhe hatte ihn ergriffen, wie er sie sonst nur bei der Meditation spürte. Die Klauen, die eben noch in unheimlicher Geschwindigkeit auf ihn zugerast kamen verlangsamten sich plötzlich. Er sah sie deutlich vor sich und fing die Hände mit seinen Pranken ab. Er hielt der Kraft des Garous mühelos stand und warf ihn dann auch zurück. So kam er wieder hoch, denn Titus hatte ihn auf den Rücken geworfen gehabt. Knurrend rammte Titus seine Klauen an den Füßen in den Boden und kam wenige Meter später zum stehen. In seinen Augen glänzte Mordlust und von seinen Klauen tropfte Bens Blut. Der Geruch des Lebenssaftes schien den Anführer der Werwölfe noch weiter in die Raserei zu treiben. Ben aber war das alles egal. Er brauchte nicht einmal hinsehen, um die Bewegungen von Titus vorauszuahnen. Die Schläge der Klauen blockte er mit den Unterarmen ab, die beinahe die Dicke von Baumstämmen erreichten. Der Tritt des Garou erreichte ihn nicht mehr, denn Ben holte aus und lies seine Pranke auf Titus niederfahren. Die Wucht allein lies den riesigen Garou bereits zurück taumeln. Ben setzte nach, denn mit Titus war in diesem Blutrausch nicht zu reden. Er musste die Sache beenden. Ein weiterer Prankenhieb schickte Titus zu Boden. Dieser machte zwar Anstalten sich zu erheben, aber Ben brüllte auf und schmetterte ihm die Faust ins Gesicht. Titus Körper erschlaffte und blieb in seiner Menschlichen Form im Gras liegen.

Published inRollenspiel-Storys

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