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Druswyns Geschichte

Der Wald

„Du wirst niemals wie dein Vater werden, Dru!“

Die junge Frau blickte finster drein. Ihr Pferd ging gemächlichen Schrittes über die Wiese. Neben ihr ritt ein weiterer Hauptmann. Zusammen hatten sie ihre Ausbildung absolviert.

„Warum gehst du noch immer davon aus, dass ich so werden will, Richard?“, entgegnete Druswyn, ohne ihn dabei anzublicken. Ihre Aufmerksamkeit lag ganz bei dem Pfad vor ihnen.

Die Sonne hatte ihren höchsten Stand erreicht, als die beiden Hauptmänner mit ihren Pferden über die Wiesen von Thal spazierten. Sie waren, wie so oft, auf dem Weg zum Fluss. Dort konnte man in aller Seelenruhe etwas trainieren, ohne das man allzu viele Schaulustige dabei hatte. Druswyn und Richard pflegten ihre Kampftaktiken nicht jedermann offen zu legen.

Das Fell von Druswyns Pferd war mit Kakaobraunen Flecken übersäht. Es war nicht so ein reinrassiges Pferd wie der weiße Schimmel Richards, aber es reichte ihr. Ihre Mutter hatte all das Ersparte geopfert, damit ihre Tochter diese Ausbildung genießen konnte.

„Warum wohl zieht eine so hübsche Frau wie du in die Schlacht? Ich weiß, dass er dein Vorbild ist!“, grinsend griff er in die Zügel von Druswyns Pferd und sorgte dafür, dass es stehen blieb. „He, schau mich an, wenn ich mit dir rede!“

Druswyn blickte mürrisch in Richards Gesicht. Er war einer jener blonden Frauenhelden, welche mit lockigem Haar und einem schelmischen Grinsen die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Auch hatte er es zu einem erfolgreichen und ansehnlichen Hauptmann geschafft. Es gab kaum jemanden in Thal, der ihn nicht kannte.

Neben ihm wirkte Druswyn immer nur wie ein verblasster Stern. Es war nicht einfach, sich als Frau durchzusetzen. Noch dazu war ihr Vater vor langer Zeit verstorben. Gerüchte weisen darauf hin, dass er Opfer einer Räuberbande geworden wäre. Ein nicht gerade ehrenhafter Tod.

„Du weißt, warum ich das tue…“, Druswyn schüttelte den Kopf und seufzte. Ja, es war das Bedürfnis nach Rache. Eines Tages würde sie diese Banditen ausfindig machen und zur Strecke bringen. Aber auch die Sorge um ihre kranke Mutter hatte sie oft genug angespornt. Als Hauptmann konnte man durchaus Ansehen und Geld gewinnen. Vielleicht konnte sie ein Heilmittel für ihre Mutter finden. Wenigstens ein Heilkundiger… niemand wusste wirklich, an was ihre Mutter erkrankt war.

Richard machte eine wegwerfende Handbewegung. „Immer noch auf der Suche nach Vergeltung? Das ist jetzt fast zehn Jahre her, Dru…“, richtig Druswyn war damals noch ein Kind.

„Was verstehst du schon davon?“, genervt wollte sie ihm die Zügel wieder aus der Hand reißen. Richard kam ihr jedoch zuvor und packte ihre Hände. Etwas verdutzt blickte sie ihm nun doch direkt in die grünen Augen.

Er lächelte sie an: „Ich verstehe davon eine Menge…“, säuselte er und zog sie näher an sich heran. Druswyns Herz klopfte so stark, dass sie es spürte. Eine Mischung aus Angst und Scham regte sich in ihr. Es kam, wie sie vermutete… Wenige Augenblicke später spürte sie seine Lippen auf den ihren. Zwei Herzschläge zögerte sie noch, dann ließ sie es einfach geschehen und schloss ihre blauen Augen…

Ein Lachen ließ Druswyn wieder erwachen. Es dauerte eine Weile, bis sie realisierte, dass sie sich in einem Wald befand. Erschrocken stellte sie fest, dass sich ihre Hände in denen eines Mannes befanden. Aber es war nicht Richard.

„Mich würde jetzt ja interessieren, was du geträumt hast…“, hörte sie den Mann, welcher mit seinem Gesicht ziemlich nah an dem ihren war. Druswyn stieß ihn von sich und setzte sich auf. Da war er wieder, der Schmerz in ihrem Kopf. Auch ihren gebrochenen Fuß spürte sie wieder. Ein Blick darauf brachte auch die Erinnerungen an die letzte Nacht zurück.

Sie hatten sich durch das Lager der Schwarzwolds geschlagen und diese beiden Hobbits befreit. Druswyn blickte sich um, als sie ihren Kopf hielt. Die Hobbits hatten in dem Wald scheinbar etwas Essbares gefunden, denn sie kochten gerade irgendeine Kräutersuppe über einem kleinen Feuer.

Andromos, so hatte er sich vorgestellt, erhob sich nun auch und ging zu dem in Decken gewickelten Amdir. Richtig, Druswyn erinnerte sich wieder. Amdir hatte gestern Nacht eine Auseinandersetzung mit einem Nazgûl, welche ihn fast sein Leben gekostet hätte.

Druswyn wunderte sich etwas, dass Andromos schon wieder so gut auf den Beinen war. Aber er war vermutlich genauso ein guter Schauspieler, was die Schmerzen betraf wie sie selbst. Während die beiden Halblinge keinerlei Verletzungen davongetragen hatten, waren die drei Menschen mehr mit Glück als Verstand davongekommen.

Ein Geräusch im Wald gewann Andromos’ Aufmerksamkeit. Er blieb zwar bei Amdir sitzen, lauschte aber und suchte die Gegend mit seinen Augen ab. Der Wald war nicht gerade die beste Umgebung für einen Schurken wie ihn. Stadtgeräusche konnte er eher einordnen.

Druswyn nahm gerade wieder ein paar Schlucke des Schmerzlindernden Gebräus aus Amdirs Wasserschlauch, als etwas durch das Gestrüpp brach. Sichtlich überrascht viel Andromos hintenüber, als der hässliche Ork ihn ansprang. Geistesgegenwärtig griff Druswyn zu dem Zweihänder, welchen sie letzte Nacht im Lager der Schwarzwolds ergattern konnte.

Die Hobbits reagierten unterschiedlich. Während der Mürrische Beutlin-Abkömmling sich hinter Amdir in Deckung brachte, griff die tapfere Hobbit-Dame nach einem Holzscheit ihres Lagerfeuers, um sich dem nächsten Ork kampfbereit entgegen zu stellen.

Druswyn zählte ein halbes Dutzend Orks, welche das kleine Lager umzingelt hatten. Bereits als sie sich erhob, konnte sie einen mit ihrer Waffe von den Füßen heben. Es war also nur noch eine Handvoll, als sie den Hobbits zur Hilfe kam.

Andromos’ Stärke war der Hinterhalt, nicht eine direkte Konfrontation mit dem Feind. Der Ork bohrte trotz dem Versuch des Menschen, auszuweichen, seinen rostigen Säbel in dessen Schulter. Mit einem wütenden Schrei stieß Andromos den Ork mit seinen Füßen von sich. Der Säbel blieb in seiner Schulter stecken.

Mehr schlecht als recht drehte der Mensch sich herum und versuchte dem Ork davon zu kriechen.

Druswyn hingegen war im Kampfesrausch. Jeder tote Ork bestärkte sie nur noch mehr in ihrer Handlung. Sie brüllte den Grünlingen ihren ganzen Kampfeswillen entgegen und tötete diese dann mit ein paar gezielten Schlägen. Mit einem Furcht einflößendem Kampfschrei sorgte sie dann letztendlich dafür, dass der nun unbewaffnete Ork für eine Sekunde von Andromos abließ. Mit erhobenem Zweihänder und ein paar großen Sätzen sprang sie auf diesen zu.

Der Ork schien tatsächlich über eine Flucht nachzudenken, seine Kameraden waren tot. Einer von den Orks brannte lichterloh auf dem Lagerfeuer der kleinen Gemeinschaft, überall war das dunkle Orkblut zu sehen. War es Dummheit oder gab es doch noch Orks, die etwas mehr Mumm in den Knochen hatten?

Der Ork grinste Druswyn mit seinem Gebiss aus scharfen und schiefen Zähnen an, als er zwischen seiner schäbigen Rüstung ein scharfkantiges, gezacktes Messer hervorholte. Er hob schnell den Arm, um mit dem Messer auf Andromos zu werfen. Druswyn sah dies und wusste sie würde nicht rechtzeitig dafür sorgen können, dass dieses Messer die Hand des Orks verließ.

So sprang die Hauptmännin in die Wurfbahn des Messers und tat es dem Ork gleich. Sie warf ihren Zweihänder nach der hässlichen Kreatur, während sie Andromos mit nichts als sich selbst schützte.

Mit einem erschrockenen Schrei sah sie das Messer noch auf ihr Gesicht zufliegen, bis die Wucht des Messers und der Schmerz sie zu Boden warfen. Andromos rollte sich zur Seite, um nicht von der fallenden Menschenfrau erschlagen zu werden. Er konnte sehen, wie der Ork fast zweiteilig zu Boden ging. Die lange Klinge von Druswyns Zweihänder hatte sich komplett durch ihn gebohrt.

Mit Hilfe der Hobbitfrau konnte Andromos sich dann auch von dem Säbel des Orks befreien. Erst dann gelang es ihm, sich aufzusetzen und zu Druswyn zu krabbeln. Er fühlte sich fast schlecht, als er das Gesicht von ihr betrachtete. Aber das verbarg er hinter seiner Maske aus Gleichgültigkeit, welche ihm als Schurke schon oft geholfen hatte.

Das Messer hatte knapp das Auge Druswyns verfehlt, ihre Wange war komplett aufgerissen und Andromos glaubte sogar schon etwas von ihrem Wangenknochen sehen zu können. Natürlich blutete die Wunde stark und die junge Frau war nicht bei Bewusstsein.

Es würde einen weiteren Tag brauchen, bis die kleine Gruppe wieder reisebereit war. Bisher hatte Druswyn den Waldläufer Amdir getragen. Beide wären unmöglich zu transportieren. Also musste Andromos wieder auf die Kräuterkenntnis der Halblinge setzen. Sie würden sich auch um seine Schulter kümmern. Zuerst aber musste dieses Feuer aus. Es verriet sie nur und wer wusste schon was sie noch anlocken würden…

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