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Geschwisterliebe

„Und ich dachte die Geräte bei uns wären alt…“, erklang Adamas Stimme hinter dem Kühlschrank.

„Mecker nicht… bekommst du ihn wieder hin?“, Eevee betrachtete den Kühlschrank und die Stiefel ihres Bruders, die hinter dem Gerät herausschauten. Er saß auf dem Boden und betrachtete wohl die Elektronik die unten am Kühlschrank herausguckte.

„Willst du mich beleidigen?“, kam die rhetorische Frage zurück, ehe er mit seinem Gesäß nach vorn rutschte und sich dann auf den Rücken legte um besser an die Innereien des alten Kühlschranks heran zu kommen. „Sonne~nocheins, das Ding steht hier echt schon Jahrzehnte…“

Eevee setzte sich auf die Arbeitsfläche der Küche, griff sich eine der silbrig-glänzenden Pistolen und rieb sie mit einem der Stoffetzen ab, die sie im Bad gefunden hatte. Die Waffe war voller Staub und Blut und sie hatte gerade sowieso nichts besseres zutun als die Waffen zu säubern. Eher beiläufig meinte sie zu ihrem Bruder, der sich an dem Kühlschrank lautstark zu schaffen machte: „Sag mal… stimmt es, dass deine Kräfte verschwinden?“

Adama hörte für einen Moment auf, mit dem selbst gefertigten Werkzeug an den verrosteten Schrauben für die Kabelverbindungen herum zu drehen: „Wer erzählt denn sowas?“

„Hey, ich bin nicht völlig blöd, okay? Ich hab‘ Augen im Kopf!“

„Dann guckst du nicht genau hin. Hier verschwindet gar nichts, es ist nur… anders.“

„Anders? Also wird es doch weniger.“

Adama setzte sich wieder auf und lugte hinter dem Kühlschrank hervor zu seiner Schwester, welche die Pistole in ihrem Schoß liegen hatte und mahnend anblickte. Er schüttelte mit dem Kopf: „Nein, aber was verstehst du schon davon?“

Eevee lies das Magazin aus der Waffe gleiten und holte die Kugeln eine nach der anderen heraus: „Erklärs mir, oh mein allmächtiger Bruder.“

„Tz… es liegt an dieser Welt. Sie ist viel starrer als bei uns.“

„Starrer?“, Eevee lachte kurz auf. „Hier herrscht noch mehr Chaos als bei uns. Bei uns gibt es nur Sand, Ruinen und noch mehr Sand.“

Er schüttelte abermals den Kopf und seufzte, ehe er entgegnete: „Es sind die Menschen, Eevee. Sie sind starr, festgefahren in ihrem denken über Magie. Die Dinge, die bei uns akzeptiert, alltäglich sind – sind hier ‚übernatürlich‘, anders… gehören nicht in die Welt hinein.“

„Willst du damit sagen, dass Menschen deine Kraft verringern… mit bloßer Anwesenheit?“, sie hob ungläubig eine Augenbraue.

„Ja, jetzt hast du’s verstanden.“, er legte sich wieder hin und schraubte weiter an dem Kühlschrank.

„Das ist doch Schwachsinn!“, Eevee zählte die Kugeln und steckte sie anschließend zurück ins Magazin. Dann begann sie, die Waffe auseinander zu nehmen und den Dreck aus den Einzelteilen heraus zu pusten. Sie verbrachte mit der Reinigung einige Zeit, ehe sie das Gespräch wieder aufnahm: „Niklas meinte, es hätte dich eigentlich längst zerreißen müssen… oh… was ist?“

Adama stand auf einmal vor Eevee und sie kannte den Blick nur zu gut. So finster guckte er nicht oft. Sie schaute auf sein Werkzeug, welches er noch in der Hand hielt – seine Knochen waren gut unter der Haut zu erkennen, sosehr presste er seine Faust darum. „Hab‘ ich was falsches gesagt?“, fragte sie ihn.

„Das du überhaupt mit dem Kerl redest.“, presste er zwischen den Zähnen hervor.

Eevee brauchte einen Moment – ehe sich ihr fragender Blick zu einer Erkenntnis formte: „Was…? Hey! Warte mal! Das sind zwei verschiedene Dinge, okay!“

Adama wollte etwas dazu sagen, aber sie hielt ihm den Mund zu, was ihn empört und erstaunt zugleich die Augenbrauen hochziehen lies. Noch ehe er seine Hand an ihrem Handgelenk hatte, sprach sie weiter: „Was fällt dir eigentlich ein so über andere zu urteilen?!“

Solange sie ihm den Mund zuhielt, antwortete er bloß mit den Augen, die sie jetzt wieder strafend anblickten. Er ergriff ihr Handgelenk und zog daran.

„Lass das, ich warne dich!“, ihr Griff wurde fester, sie fand mit ihren Fingern halt an seinem Kieferknochen. „Lass mich gefälligst auch mal ausreden! Immer erzählst du mir was gut oder schlecht für mich ist – du bist nicht meine Eltern! Jetzt nicht mehr, Brüderchen, jetzt nicht mehr!“

Adama behielt die Hand an ihrem Handgelenk, zog aber nicht weiter daran und blickte sie an. Es war ein Erkennen in seinen Augen – eins das irgendwie wehtat.

Eevee war von diesem Blick für einen Moment gebannt und es nahm ihr völlig den Wind aus den Segeln. Ihre Stimme war nicht mehr aufbrausend als sie weiterredete: „Was da bei uns passiert ist… ist etwas anderes. Das sind nicht die gleichen Leute – nicht ganz. Du bist der intelligentere von uns Beiden und sogar ich hab‘ das mittlerweile verstanden. Das hier ist nicht unsere Vergangenheit… nicht ganz.“ Sie ließ ihren Bruder wieder los, woraufhin er sich über den Mund wischte.

Adama betrachtete Eevee nachdenklich, bis er schließlich meinte: „Vielleicht ist das so, aber vergessen werde ich diese Dinge bestimmt nicht.“

Eevee setzte ihre Waffe wieder zusammen und meinte dabei, ohne von der Pistole auf zu schauen: „Gnade war uns immer ein Fremdwort, weil wir ums Überleben kämpfen mussten. Wir haben viele Entscheidungen getroffen, die auch das Ende anderer Lebewesen bedeutet haben… aber hier ist soviel anders, Adama. Der Krieg hier… das ist nicht unser Krieg. Das ist nicht unsere Welt.“

Adama guckte misstrauisch: „Hat dich das Schlitzauge also doch vollgelabert…“

„ARGH, KANNST DU EIGENTLICH AUCH EINMAL AUFHÖREN MICH WIE EIN KIND ZU BEHANDELN?!“, schrie Eevee ihn an.

„Du willst das nicht verstehen, oder?“, Adama blieb leise, wenn auch genervt. „Ich mache das nicht, weil ich dich für ein Kind halte. Ich mache das, weil ich nicht will, dass dir was passiert!“

„Das ist das gleiche! Ich kann meine eigenen Entscheidungen fällen!“, Eevee beugte sich vor, sodass die Gesichter der Zwillinge sich fast berührten.

Adama wandte sich ab: „Klar… deswegen lässt du dich auch blutsbinden und verrätst damit die ganze Gruppe!“

Nur einen Augenblick später schmeckte Adama sein Blut und zog sich an der Wand wieder hoch. Er hielt sich den Kiefer, da dieser schmerzte. Warum blutete er? Adama hob den Blick zu seiner Schwester, die wie versteinert dastand und auf die Pistole starrte an der Adamas Blut klebte. Das Metall hatte ihm die Haut aufgerissen, sie hatte ihn tatsächlich damit geschlagen.

„Es… es tut mir leid.“, stammelte Eevee mit zittriger Stimme, als die Tränen in ihre Augen schossen. Adama hatte sich gerade vollständig aufgerichtet, als seine Schwester hektisch die Waffe wieder ins Holster steckte und die Küche mit einem leisen „Ich muss hier raus…“ verließ.

Es dauerte nicht lange, bis man dumpfe Trommelschläge an der verschlossenen Eingangstür des Bunkers hörte. Dafür dauerte es um so länger, bis Eevee aufgab und sich an der Tür hinabsinken ließ, die Beine anzog und ihren Kopf zwischen den Knien versteckte, die Arme um ihre Beine geschlungen. Adama betrachtete sie einige Zeit aus der Ferne. Er fühlte sich schlecht.

Eine Hand legte sich auf seine Schulter und er wurde leise gefragt: „Hey, alles in Ordnung?“ Adama wandte den Blick von seiner Schwester ab und blickte in die freundlichen Augen von Hypolo. Sie nickte zu der Platzwunde an seinem Kinn, aber er schüttelte nur abwehrend mit dem Kopf und murmelte: „Ist nicht schlimm…“

„Ihr wart so laut, ich konnte eh nicht schlafen…“, Hypolo blickte dann zu Eevee. „Du solltest deine Schwester trösten.“, aufmunternd lächelte sie ihm wieder zu. Adama setzte sich in Bewegung und noch während er zu Eevee hin ging verschwand Hypolo wieder ins Wohnzimmer und krabbelte auf die Couch, um sich wieder zu Raziel zu kuscheln. Diese fragte im Halblschlaf: „Und? Was ist mit den Kindern?“ Hypolo zog die Decke zurecht: „Ach, die haben sich nur gekabbelt, nichts ernsthaftes. Schlaf weiter.“

Adama hockte sich neben seine Schwester, die sofort versuchte das schluchzen zu unterdrücken. Er legte seinen Arm um sie: „Du hast Recht… tut mir leid.“

„Du bist soein Idiot!“, schniefte Eevee, während sie sich an ihn kuschelte.

„Ich weiß…“

Published inRollenspiel-Storys

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