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Guardian

Markus hörte, wie die Tür hinter ihm langsam zuschwang und dann mit einem Klick ins Schloss fiel. Für einen Moment blieb ihm noch das Gesicht von Natalia im Kopf. Beruhigt, aber doch weiterhin um sie besorgt, er hatte das Gefühl gehabt, dass sie ein bisschen hin und her gerissen zwischen ihrer Mutter und Raziel gewesen war. Das Bild verschwand und durch die Schwaden tauchte Raziels Gesicht vor ihm wieder auf.

Es war grausam sie so zu sehen, angeschlossen an all diese Maschinen. Ihr hübsches Gesicht war fast ganz mit der Beatmungs und wohl auch irgendwie mit der Ernährungsmaschinerie bedeckt, aus ihren Armen ragten überall Schläuche. Verstohlen schaute sich der Vampir im Zimmer um, doch außer ihnen war niemand hier, dann hob er die Bettdecke kurz an und ließ sie dann wieder sinken. Der Anblick des Katheters widerte ihn ein bisschen an, auch wenn es natürlich nur logisch war. Wie sollte sie denn auch…

„Pfffff….“ war das einzige Geräusch das er von sich gab, als er lange die Luft aus seinen in letzter Zeit weniger benutzten Lungen stieß. Irgendwie war die gesamte Situation doch verdammt deprimierend. Kurz ließ er Raziels Hände los um einen Stuhl zu holen und wieder Platz zu nehmen. Die Linke legte er jetzt auf ihre Hände, während er den rechten Arm auf das Bett stemmte und das Kinn in die Handfläche legte. So machten es doch alle großen Denker, erstmal die typische Pose einnehmen. Dann ließ Markus so langsam die Denkmaschinerie an und um warm zu werden versuchte er die jüngsten Ereignisse zusammen zu kriegen.

Also, da war… alles war mit dem Lasombra los gegangen, den hatten sie verfolgt und dann war ihnen da dieser kleine… war es ein Junge oder ein Mädchen gewesen? Oh man, das war wirklich schwer, Markus kratzte sich am Kopf. Ja, das war ein Mädchen gewesen… glaubte er. Das hatte ihnen geholfen bei der Suche nach dem Lasombra, beziehungsweise sie hatte ihn gefunden. Und so komische Fuchsohren. Dann waren sie in die Lagerhalle gestürmt und er hatte Raziels… puuuh, ein Organ von ihr gefunden, scheisse, wie hatte er es da nur liegen lassen können, das wäre sicherlich noch gut gewesen… fuck. Und dann war er der Blutspur gefolgt, hatte dann das Taxi bestiegen und dann war er hier gewesen. Jaaaa und dann stellte sich heraus, dass Huan ein kleines dämonisches Techtelmechtel gehabt haben musste. So unruhig hatte sich Markus seit langem nicht mehr gefühlt wie in dem Moment, wo Natalia angefangen hatte zu knurren. Joa… und dann?

Ahjaaaa, ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Er hatte ein bisschen Spaß im Schloss mit Niklas´ Vater gehabt. Dass Menschen jetzt auf einmal so schnell kaputt gingen… Tja, war nix zu machen, allerdings die Gargoyles waren schon ziemlich beeindruckend gewesen. So einen als Reittier, damit konnte man sicherlich nen geilen Auftritt hinlegen. Aber andererseits, wenn das Reittier stärker als der Reiter wäre, dann wäre bald das Reittier der Reiter und der Reiter das Reittier, irghs, bloß nicht von so einer Kreatur bestiegen werden. Vielleicht könnte er ja nen anderen geeigneten Ersatz für sein Motorrad finden, wo war das eigentlich abgeblieben, oder wer hatte es geklaut oder aber wo hatte er es mal wieder stehen gelassen. Uff, sein Gedächtnis. Aber so ein gepanzertes Knochenpferd, mit flammenden Nüstern und schneller als ein Motorrad, DAS hätte wirklich seinen Reiz. Joa, vielleicht gabs sowas ja auch, müsste er mal bei Gelegenheit nachfragen. Zu doof, dass es keine Plattform für übernatürliche Kreaturen gab. „Suche Werwolf, biete Einhorn.“ Oder: „Magier entlaufen, wenn ihn jemand gesehen hat, bitte melden bei Ignus, Dämon der dritten Höllenstufe. Zum Magier, er hat nichts an, überall Narben von langwierigen Foltern und wird sicherlich mit angsterfülltem Gesicht irgendwo in einer Ecke sitzen. 2 Wünsche als Belohnung für sachdienliche Hinweise.“

Markus lachte ein bisschen über seine eigenen Gedanken, dann drang wieder das Piepen an seine Ohren, das man wohl in jedem Krankenhaus hörte und das einem wenn es langsam und beständig piepte wohl ein gutes Gefühl geben sollte. Naja, besser Koma als tot, soviel stand schonmal fest. Er legte den Kopf schief und die Wange auf die Hand um Raziel weiter anzuschauen. Kein Zucken im Gesicht, keine Regung, ihre Finger waren nicht steif, aber einfach irgendwie leblos. Er verzog die Mundwinkel. Seine Finger tippelten gegen sein Gesicht, er konnte nicht so lange ohne große Ablenkung sitzen bleiben und denken, er war schon ganz hibbelig geworden. Sein Blick glitt suchend durch das Zimmer.

So gut wie nichts war da. Ein kleiner Tisch, der wohl zu dem Stuhl gehörte auf dem er jetzt saß, darauf eine leere Vase, weiße Vorhänge.

„BOOOOOOOOAAAAAH, mir ist langweilig,“ gab er laut zu Wort, mit einem Auge auf Raziel schielend, ob sie JETZT vielleicht doch die Gelegenheit sah aufzuwachen und ihn zu entertainen. Nix.

Markus kramte das Handy aus seiner Unterhose und spielte ein bisschen damit herum. Mh, nix aufregendes, irgendwie hatte man ihm ein Handy gegeben, das nicht mal Spiele drauf hatte. Es gab zwar einen Ordner, aber da stand nur „Inhalt gelöscht“. Als ob das jemand gewusst hätte oder ihn hatte ärgern wollen. Er schaute noch ein bisschen verdrießlicher aus der Wäsche und steckte das Handy wieder weg. Sicherlich hatte Canis damit gerechnet, dass er sonst nur Unfug damit gemacht hätte und deshalb jede Art von Unterhaltung entfernt. Mh, irgendwie schade um die Kleine. Er hatte sie nur selten gesehen, und war auch nie wirklich mit ihr ins Gespräch gekommen, aber die Leute die zu ihnen standen waren rar geworden, jeder weitere von ihnen der starb hinterließ eine größere Lücke. Sie konnten wohl nicht mehr ins Schloss zurück. Eine derart konforme Gesellschaft, die auf jede Regel achtet, da gehörte er irgendwie nicht rein. Er hatte ja schon vorher gegen diverse Regeln verstoßen. Firewall war auch weg, mitgenommen und wahrscheinlich schon verurteilt, ob sie noch mehr als ein Häufchen Asche war? Sie hatte er noch mehr gemocht als Canis, wenigstens vermisste er sie mehr. Schließlich hatte sie nie missfallen an dem gezeigt was oder wie er etwas tat, sie hatte ihn immer wieder aufgebaut. Auch nach dem Verhör war sie nett zu ihm gewesen, obwohl er wenn er es sich selbst eingestehen sollte wirklich nicht so viel erreicht hatte, außer dem Jäger irgendwas kaputt zu machen.

Markus seufzte laut und legte den Kopf mit der Stirn auf die weiße Decke. Alles war hier so verdammt weiß…

Wer hatte ihm nochmal vorgeschlagen, dass er die anderen Caitiffs unter sich versammeln sollte? Eine sehr gute Frage gratulierte ihm sein Gehirn zu diesem Gedankengang und bot ihm keine Detailantwort. Es könnte immer noch seine eigene gewesen sein. Wäre gut, nah, eher mittelwahrscheinlich möglich, er traute sich ja bei solchen Gedanken selbst nicht über den Weg. Aber es blieb, die Idee war ein Anfang. Jetzt fehlte bloß noch der Kontakt zu allen Caitiffs in Hamburg, die Akzeptanz als ihr Anführer und schon hätte er sein Ziel erreicht.

Ein noch lauteres Seufzen hallte durch den Raum und übertönte fast das ständige Piepen.

Auf der Decke drehte er den Kopf zum Tisch. Die Augen wurden zusammen gekniffen. Er könnte auch Blumen für die Vase besorgen gehen. Geld hatte er keins, aber es war Frühling, fast Sommer, da sollte draußen doch irgend etwas blumenartiges wachsen. Wenigstens würde es die Sterilität aus dem Raum nehmen… dann biss er sich auf die Unterlippe. Konnte er sie überhaupt, auch nur für so einen kleinen Moment allein lassen? Vielleicht wartete man genau darauf, dass er das Zimmer verließ, um ihr gänzlich den gar aus zu machen, oder sie wieder zu entführen. Er wusste auch immer noch nicht was das für eine Mafia war, die sie seit neuestem verfolgte. Toll, niemand zum kurz wache stehen…

Sehnsüchtig schaute er nach draußen, dann wieder auf Raziel. Das konnte er nicht riskieren.

Published inRollenspiel-Storys

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