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[Muna] Ein Gig

Muna atmete tief ein und aus – es tat so gut wieder hinter einem Drumkit zu sitzen – und dann auch noch zu wissen, dass es nur für sie gekauft worden war. Wäre Cyril hier würde sie ihn hemmungslos knutschen – auch auf die Gefahr hin, an seinen Lippen fest zu frieren.
Sie genoss das geschäftige Treiben um sich herum. Sie hatte ihre Vorbereitungen getroffen, und saß nun entspannt auf ihrem Platz. Sie ließ einen der schwarzen Sticks um ihre Finger kreisen und erinnerte sich kurz daran, wie ihr Cyril vor gefühlter Ewigkeit damit die Beherrschung der Geschwindigkeit beigebracht hatte. Sie wusste nicht woher Cyril so genau gewusst hatte, wie sie sich mit dem nötigen Geld ein Kit eingerichtet hätte, aber er hatte es ziemlich genau getroffen.
Die Kessel waren glänzend schwarz lackiert und trugen rote Sparkles die wie frisches Blut im Scheinwerferlicht glänzten. Die Spannringe für die Trommelfelle waren alle in schwarz gehalten und sogar die Spannschrauben waren schwarz lackiert. Auf dem Resonanzfell der Bassdrum prangte eine rote Rose.
Ihre eigene Snare in schlichtem schwarzen Kessel fiel mit den silbernen Beschlagteilen nur nicht auf, weil sie hinter den beiden Floor Toms und den drei hängenden Tom-Toms und von vorne nicht zu sehen war. Wie stolz war sie auf ihre schwarzen Cymbals gewesen – und wie lange hatte sie danach gesucht bis sie sowohl das 20 Zoll Ride, das 16 Zoll Crash und ein 14 Zoll Hi-Hat zusammen hatte. Wenn man genau hinsah, erkannt das kundige Auge, dass diese Cymbals älter waren, doch neben ihnen hatte sie nun auch ein 12er Splash, ein nach oben gewölbtes 16 Zoll China und ein weiteres 22 Zoll Ride auf dem Kit hängen. Die große satt tönende Bassdrum konnte sie mit einer Doppelfußmaschine feinster Qualität zum Tönen bringen. Und wie das I-Tüpfelchen waren alle Sticks aus schwarzem Holz statt aus dem üblichen hellen. Selbst die kleinen Mikrofone an jedem Fell waren unauffällig schwarz.
Inständig hoffte sie, dass dies kein Traum war, aus dem man sie wieder unsanft wecken würde.
Sie bemerkte, dass es allgemein ruhiger wurde – selbst Markus hatte aufgehört immer wieder mit dem Zwischenruf „Langweilig“ zu stören.
Eine gewisse Nervosität machte sich in ihr Breit. Sie konnte es sich noch nicht wirklich vorstellen, wie es klappen sollte, sofort live zu spielen, wenn man sich musikalisch nicht kannte, und vor allem niemand wusste, was gespielt werden sollte. Kurz huschte ihr Blick zu Wynn, der ihr zunickte, als hätte er ihren Gedanken aufgefangen. Es schien als wären alle bereit.
Wynn trat auf die Bühne, griff nach dem Mikro und sprach kurz zu ihnen, forderte sie alle auf, sich auf Cyril zu konzentrieren und die Musik einfach fließen zu lassen.
Muna schloss die Augen und versuchte sich ihren Erzeuger vor die Augen zu rufen. Und tatsächlich, plötzlich hatte sie ein kaltes Gefühl auf der Schulter, als würde Cyrils Hand dort liegen.

Blessed are you
Wie in Trance hörte sie wie die Lead-Gitarre gezupft wurde und ohne zu realisieren, was sie tat, betonte sie die Melodie mit winzigen, zarten Schlägen auf den Cymbals. Einzelne Töne des Basses fügten sich ebenso unmerklich in die Melodie ein.
Dann setzte Wynn mit einer Stimme ein, die ihr Gänsehaut über den Rücken laufen ließ.

„Pure ambition burns in me
It’s a beast, never to be tamed“

Während des Textes verstärkte sie einzele Akzente

„The only peace I can find“

Ein erster härterer Anschlag des Chinas.

„Is when I’m here with you
You are the ones that keep me high
You are the ones for which I’ll die“

Munas Geist driftete immer mehr ab – sie konnte nicht mehr sagen, was sie wirklich tat. Sie hatte das Gefühl als würde sie eins mit den anderen neun Kindern Cyrils. Sie alle handelten wie eine eingeschworene Gemeinschaft.

„Forever we will be
standing tall side by side

We’re the children of the night“

Und zum ersten mal fühlte sie den wahren Druck, den die Bassdrum entwickelte wenn sich alle Instrumente mit Wynns Stimme vereinigten und nun den Refrain begleiteten.

„Blessed are you
Blessed am I
Children of the night
Children of the night
Blessed are you
Blessed am I
Children of the night
Children of the night“

Wieder ein Wechsel zurück zum ruhigen Part der Strophen.

„So this song is for all of you
by my side, throught and trough
We’ll roam the world true and free
You are the ones that keep me high
You are the ones for which I’ll die
Forever we will be
standing tall side by side“

Ohne zu wissen woher sie die Gewissheit bezog, war sie sicher, dass ein jeder Vampir in Hamburg sie hören konnte und von diesem Song innerlich berührt wurde. Und die Botschaft verstand. Ohne zu Wynn zu blicken wusste sie, dass sich ihm Tränen in den Augen sammelten.

„We’re the children of the night“

Zum allerersten Mal war sie froh, auch zu dieser Gemeinschaft der Kinder der Nacht zu gehören. Wieder schwoll die Musik an und rollte über sie weg wie eine Flut.

„Blessed are you
Blessed am I
Children of the night
Children of the night
Blessed are you
Blessed am I
Children of the night
Children of the night“

Wynn trat etwas in den Hintergrund und überließ den Mittelpunkt der Bühne den drei Gitarristen. Muna ergab sich immer weiter der Musik und dem Drive der Gitarren. Eine lange Minute die ihnen Allen wie eine Ewigkeit vor kam verging eh sich die beiden Gitarren zurückzogen und Florenz nun zum zweiten Mikro trat. Wynns Stimme war plötzlich wieder da

„Blessed are you
Blessed am I
Children of the night
Children of the night

und wechselte sich nun mit Florenz ab, welcher etwas leiser einen Kontrapunkt zu Wynn setzte.

„Throug the storm we ride“
„Blessed are you“
„Side by side“
„Blessed am I“
„You keep me high“
„Children of the night“
„for you I’ll die“
„Children of the night“
„Through the storm we ride“
„Blessed are you“
„Side by side“
„Blessed am I“
„You keep me high“
„Children of the night“
„for you I’ll die“
„Children of the night“
„Through the storm we ride“
„Blessed are you“
„Side by side“
„Blessed am I“
„You keep me high“
„Children of the night“
„for you I’ll die“
„Children of the night“

langsam verklang die Musik – doch fast sofort setzte wieder Stephan mit seiner Gitarre ein, ebenso wie Muna, die mit den Toms und der Bass Akzente setzte.
I died for you
Total unüblich sür sie setzte sie dabei leichte Schläge auf den Rahmen einer Tom – eigentlich hätte sie lieber ein Holzstück dafür gehabt – aber Improvisation war ja ihre Stärke.
Und wieder erklang Wynns Stimme und schlug alle in ihren Bann.

„I can’t belive this now
This isn’t what I planned
I lived and died and now
I just can’t understand
With all the love I feel
I could never leave you
No matter what the cost
My soul ’s the price to see you“

Man konnte den Schmerz den Wynn innerlich empfand deutlich hören – und er zeigte ihn nun auch öffentlich indem er den dunklen Tränen auch ihren Lauf ließ.
Zum Refrain vielen wieder alle ein. Muna hatte ganz kurz das Gefühl, als würde sich die Line des Refrains nicht genug vom vorangegangen Song abheben, aber andererseits war dieser Song die logische Konsequenz aus dem ersten. Sie gab sich wieder ganz hin und spielte weiter ohne nachzudenken.

„Oh how I love you
The pain won’t go away
Oh when I need you
You’re always so far away
I cry for you
Leaving myself to blame
I died for you
I gave up everything“

und wieder fuhr Muna Wynns Interpretation von Cyrils Vermächtnis wie ein Messer ins Herz. Sie musste nun mit den Tränen kämpfen.

The pain was just to much
When I finally saw her
She’s happy and in love
In love with my best friend
What makes it hurt so bad
Is that I love them both
And they will never know
For love I sold my soul

Muna fragte sich woher Wynn diesen Text zog – war er durch Cyril in ihn gepflanzt oder hatte Wynn selbst diese Erfahrung gemacht, von der er jetzt sang? Ehe Muna sich länger Gedanken dazu machen konnte wechselte man schon wieder in den Refrain.

„Oh how I love you
The pain won’t go away
Oh when I need you
You’re always so far away
I cry for you
Leaving myself to blame
I died for you
I gave up everything“

Ohne zu wissen warum wechselte Muna nun in einen steten doublebass und trieb die Anderen an.

Ein letztes Mal erklang der Refrain – dieses Mal unterstütze Florenz ihn mit einer zweiten Stimme und sang sehr passende Variationen des Textes mit.

Mit einem sanften Bedauern bemerkte Muna, wie Jörn den Sound langsam ausfaden ließ und dann die Scheinwerfer abgeblendet wurden.

Dieser denkwürdige Gig, der ohne eine einzige Probe so perfekt verlaufen war, war zuende. Muna war zum heulen – aber tapfer kämpfte sie die Tränen hinunter.

Published inRollenspiel-Storys

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