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Shards

„Sei endlich still!“, donnerte es unter der Rüstung hervor. Der Drachenkrieger ergriff den violetschwarzen Speer, wirbelte ihn hoch und stieß damit zu. Er verfehlte nicht, durchbohrte damit die Brust des Tigers. Dieser hielt endlich inne, hörte auf wutentbrannt auf und ab zu wandern, zu fauchen und zu brüllen. Er starrte überrascht auf den Speer, welche aus seinem Rücken wieder herausragte.

Das Loch in des Tigers Brust formte sich rasch auch in der Drachenrüstung, sprengte diese und hinterließ eine scharfkantige Schwärze darin. Doch ehe das Blut austreten konnte, verschloss der Drache es mit einem Klumpen aus Eis.

Dem Mönch floss bereits Blut aus dem Mundwinkel, als er gurgelte: „Du wusstest, dass du dich damit auch verletzt…. warum?“

Der Boden unter ihren Füßen bröckelte bereits und bekam Risse, welche sich durch die gesamte Landschaft zogen. Das laute Knacken der Felsen war unheilvoll und kündigte bereits an, was als nächstes Geschehen würde.

Zwischen den beiden Mächten wurde aus dem Nebel immer mehr eine Gestalt. Rasch materialisierte sich der dritte Aspekt, durch ihn hindurch zog sich der Speer und der Nebel formte an dieser Stelle ein Loch in seiner Brust. Dieses Loch wollte sich auffüllen und sog so den Speer beiderseits in sich hinein, sodass der Drache diesen loslassen musste.

Der Boden splitterte und der Tiger fiel zuerst. Die Kette erreichte ihn beinahe zu spät, wickelte sich um seine Beine. Um nicht ab zu stürzen schlang sich die andere Kette um die Hüfte des Drachenkriegers. Keinen Moment zu früh, denn auch unter ihm gab der Boden nach.

Das Gewicht der beiden Riss die ätherische Gestalt zu Boden, die Ketten an seinen Handgelenken verankert, das Herz offen. Der Sog zog ihn komplett zu Boden und alles um ihn herum wurde hineingesogen, um das Loch zu füllen. Zuerst flogen all die Erinnerungen, kleine Schätze und Ideen hinein. Er sah sie auf sich zufliegen und in ihm verschwinden. Sein Geist wurde immer leerer, sein Herz immer schwerer, aber noch immer nicht gesättigt.

„Teshi?“, Amanda rüttelte an mir. Mein Arm schmerzte, also verzog ich das Gesicht und bemerkte dabei, dass dieses im Gras lag. Ich gab irgendeinen Laut von mir, um ihr mitzuteilen, dass ich wach war – irgendwie.

„So bekommst du mich nie, wenn du hier rumliegst.“, sprach sie auf ihre kindliche Art. Ich versuchte, mich mit dem intakten Arm auf den Rücken zu rollen. Oh ja, das tat weh. Ich musste irgendwie gestolpert und auf den gebrochenen Arm gefallen sein.

„Alles in Ordnung?“, die Kleine beugte sich weiter zu mir runter, begutachtete mich kurz und stellte dann mit einem Lehrer-Tonfall fest: „Teshi, du musst ins Bett. Wenn man krank ist, muss man sich hinlegen… aber nicht in den Garten.“, sie gab sich alle Mühe dabei wie Anastasia zu klingen und es gelang ihr auch fast.

Ich schüttelte mit dem Kopf und drückte mich mit einem Arm wieder in eine Sitzposition. Es drehte sich alles um mich herum. Vielleicht war etwas Schlaf tatsächlich nicht verkehrt. Als mein Kreislauf mir meine Sinne wiedergab saß Amanda neben mir und betrachtete den Grasboden.

„Was machst du da?“, fragte ich sie und musste mir eingestehen, dass ich so kaputt klang, wie ich war.

„Vierblättrige Kleeblätter suchen. Ich glaube, du sitzt auf einem.“

„Oh… warte, ich stehe auf.“, leichter gesagt als getan. Sie guckte mir interessiert zu und fragte sich bestimmt schon, warum ich es mir so schwer machte. Ich hielt mich an einer der größeren Wurzeln fest, um nicht wieder um zu fallen, während sie die freigewordene Grünfläche inspizierte.

„Schade, hier ist auch keins.“

„Warum dachtest du dann, ich säße drauf?“

„Weil ich überall schon geschaut habe, nur da nicht.“

Ich musste Lächeln. Natürlich, es war so einfach in ihren Augen. Aber die Welt war größer als mein Garten, um das Glück zu finden. Vielleicht fand man es nie. Konnte ich ihr den Traum nehmen? Nein.

„Wollen wir einen Film gucken?“, fragte ich sie.

„Wenn du dich dabei hinlegst?“

Ich blinzelte irritiert. Warum zur Hölle war sie Anastasia so ähnlich? Sie bestand doch aus mehr als ihrem Erbgut. „Nagut.“, damit war das Kleeblatt vergessen und ich konnte mich etwas ausruhen.

~*~

„Hey, nicht schlafen.“, Amanda stieß mir in die Seite.

Ich öffnete die Augen wieder und blickte auf den Fernseher: „Ich bin wach.“, murmelte ich. Das war gelogen, meine Lider waren schwer und ich wollte eigentlich auch schlafen, aber ich konnte irgendwie nicht. Eine gewisse innere Unruhe hielt mich davon ab. Ich war noch zu aufgewühlt. Allerdings musste ich erstmal genau hingucken, um festzustellen, welche Film Amanda sich da überhaupt rausgesucht hatte.

Musikausschnitt

„Guck mal, wie flauschig das Biest ist.“, meinte Amanda. Der Gesang weckte mich irgendwie noch mehr. Ich setzte mich wieder auf, streckte mich und legte meine Arme auf der Couchlehne ab. Großartig, das hatte mir gerade noch gefehlt. Ich seufzte und Amanda blickte zu mir auf: „Gefällt dir der Film nicht?“

„Der ist eigentlich noch nichts fürs dich.“, murmelte ich.

„Achwas, das Biest ist nur am Anfang ein bisschen unheimlich. Aber ich weiß doch, dass es zum Schluss zum Prinzen wird. Deswegen hab ich keine Angst. Der andere Mann da, der ist doof!“

„Gaston?“, unglaublich, dass ich den Namen noch kannte. Es war eine gefühlte Ewigkeit her, dass ich irgendeinen Kinderfilm gesehen hatte. Aber ich mochte den Kerl auch noch nie, dafür wurde er aber auch kreiert in der Geschichte – das man ihn nicht mag.

An einigen Stellen versteckte Amanda sich doch ein bisschen bei mir, obwohl sie den Film schon kannte. Ich hingegen war zeitweise nicht ganz so aufmerksam. Es schwankte zwischen Sekundenschlaf und Nachdenken. Ich wusste nicht genau warum, aber ich entspannte mich nach und nach.

Jules hatte gesagt, dass die Trennung der beiden Menschen katastrophale Folgen hatte, das dies aber passierte, weil meine Vorgänger zurückgewiesen wurden. Es gab irgendwie nur eine sinnvolle Lösung dafür. Ich durfte ihr nicht zu nah kommen, mich in sie verlieben – dann konnte sie mich auch nicht abweisen. Ich musste aber dennoch in ihrer Nähe bleiben. Ein Drahtseilakt. Eine Freundschaft, nicht mehr und nicht weniger.

Musikausschnitt
Amanda lehnte sich an mich: „Warum sind das so viele Leute mit den Fackeln? Das Biest hat denen doch gar nichts getan.“
„Sie wurden aufgewiegelt.“, antwortete ich müde.
Sie umklammerte meinen Arm mit ihren Händen: „Es muss doch was tun.“
Ich warf den Blick wieder auf den Fernseher: „Es denkt, Belle mag es nicht mehr. Und darüber ist das Biest so traurig, dass es keinen Sinn mehr darin sieht, etwas zu tun.“
„Aber das stimmt doch gar nicht. Sie versucht doch sogar, ihn zu warnen. Schau.“, Amanda deutete auf den Fernseher.
„Ja.“, ich nickte zustimmend und fühlte mich elend.

Ich erklärte ihr gerade meine Situation von einem anderen Standpunkt. Es wurde alles so klar.

Ich war so ein Trottel.

Published inRollenspiel-Storys

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