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Zeitsprung? III

Razorclaw schloss die Augen und sank auf die Knie. Es zeriss ihn innerlich, seine geballten Fäuste zeugten davon. Als er die Augen wieder öffnete, sah er seinen Tränen zu, wie sie zu Boden fielen. Gänsehaut zog über seine Arme, seinen Nacken – und er fing an zu lachen. Es war ein lautes, ehrliches Lachen.

Er fühlte wieder!

Jahrhundertelang war ihm das fremd gewesen, die Natur seines Clanes hatte alles ausgelöscht was man Emotionen nennen konnte. Jetzt, vor seinem Ende, als Mensch – überkam ihn alles auf einmal. Es war eine gewaltige Welle, als hätte sich alles Erlebte nur aufgestaut um jetzt über ihn hereinzubrechen. Sein Körper fing an zu zittern und es war ein Lachen und Weinen zugleich, es war Verzweiflung, Hoffnung und Angst. Da war Hass, Liebe und Zweifel. Stolz, Besorgnis und… Wärme. Razorclaw stützte sich mit den Händen auf dem Boden ab und ließ den Kopf sinken. Er konnte keinen Schritt mehr tun.

Jeder das, was er verdient.

Razorclaw hob den Blick nicht, er wusste das sie neben ihm stand – das sie ein selbstzufriedenes Grinsen aufgelegt hatte. Er konnte es in Raziels Stimme wahrnehmen. Ja, er wusste jetzt wie sie sich gefühlt hatte. Aber im Gegensatz zu ihr verneinte er dieses Dasein nicht. Es war ein erfrischender Moment der Lebendigkeit – der Menschlichkeit. Sie hatte es so leichtfertig weggeworfen. Dummes Kind. Es war ein Geschenk gewesen.

Fünf Minuten gab er sich dem hin, dann erhob er sich wieder, wischte sich Tränen von den Wangen, Freudentränen, Trauertränen. Seine Hände zitterten immernoch. Aber nur weil er jetzt wieder Sterblich war, hieß das noch lange nicht, dass er sein Analytisches Denken verloren hatte. Es gab eine Aufgabe zu erledigen, oder alles war verloren. Alles. Was gab es dann noch zu studieren?

~*~

Diese Studien hatten sich gelohnt, er ließ sich in die Felle sinken. Ihm gefiel die Ironie, erst vollkommen Mensch zu sein, um den Tod zu empfangen. Sie strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht und zauberte ein einziges Lächeln auf ihr eigenes. Razorclaw bedauerte, dass sie mit solchen Momenten so sparsam war.

„Acutus…. trink. Trink und ich werde dich an meiner Seite wissen, damit du mir alles vermittelst, was du weißt.“, Razorclaw nahm die Vitae gierig auf, die Schmerzen die durch seinen Körper schossen waren es Wert. Zu sterben, um zu herrschen. Brujahs Blut flüsterte von wahrer Macht, ihm war als könnte er Kain selbst spüren. Es war unbeschreiblich…

…und dann war es vorbei. Sein Herz setzte entgültig aus und der Fluch Kains zersetzte seinen Körper. Er war eine wandelnde Leiche, würde das Sonnenlicht nie wieder sehen.

„Troile!“, rief er erschrocken aus, als jener wutentbrannt den Schlafraum stürmte.

„Deine Brüder und Schwestern wurden ermordet und du hälst hier Schäferstündchen!“, fauchte er seine Erzeugerin an, in der gleichen Bewegung rauschte ein Säbel haarscharf an Razorclaws Gesicht vorbei. Er hatte nicht vergessen wie man Vitae richtig einsetzt – sehr zur Überraschung des rasenden Brujah. Mit einem weiteren Satz brachte Razorclaw seinen Körper aus der Säbelreichweite.

Blut spritzte, als Razorclaw sich an der Wand hochziehen konnte. Als er sich wieder herumwand, stockte er abrupt. Vor ihm lagen zwei Hälften von der Frau, die erst vor kurzem seine Menschlichkeit in ihm entdeckt hatte. Razorclaws Blut kochte und der Zorn kroch durch seine Adern.

Troile starrte entsetzt den Säbel in seiner Hand an, von dem das Blut heruntertropfte. Dann starrte er auf seine Erzeugerin, die sich ihm in den Weg geworfen hatte – als er den Blick zu Razorclaw hob, sprang dieser ihn bereits an. Troile kassierte mehrere wirklich schmerzende Faustschläge im Gesicht.

„Sei verflucht!“, spie Razorclaw wutentbrannt aus, mit jedem weiteren Hieb sprach er ein weiteres Wort: „Du und deine ganze Brut, seid verflucht!“

Troile stieß ihn von sich fort, Razorclaws Flug entdete draußen – etwa fünf Häuser weiter.

Published inRollenspiel-Storys

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