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Angels ’n Demons

Ihre bleiche Hand glitt über meine Wange. Obwohl sie nackt war, hatte ich ihre Augen fixiert und versank darin. Das weiße Haar bewegte sich leicht im Wind und sie hatte ein warmes Lächeln aufgelegt. Aus ihrem Rücken schwebten helle Fäden, die wie Flügel gebogen waren und in einem silbrigen Licht schimmerten. Ihre Finger waren an meinem Kinn angelangt und zogen dieses zu sich, sodass ich folgte.

Sie strahlte diese Wärme aus, die sie wie eine Aura des Glücks stetig umgab, seitdem sie wieder lebendig war. Ihre Augen senkten sich zu meinen, war sie größer geworden? Vielleicht kam ich mir auch einfach klein vor. Vielleicht war es aber auch ihre innere Größe, die sich jetzt bemerkbar machte. Ich reckte meinen Kopf zu ihr hoch und sie beugte sich zu mir herunter. Als ihr Gesicht immer näher kam schloß ich langsam die Augen. Ein Kribbeln durchfuhr mich, als sich unsere Lippen berührten und breitete sich von dort im ganzen Körper aus – in weniger als einem Herzschlag.

Ich hob die Hand, um in ihren Nacken zu greifen. Als ich jedoch ihr Haar berührte durchzuckte mich ein stechender Schmerz und mein warmes Blut schoss aus meiner Handfläche. Erschrocken öffnete ich meine Augen wieder, blieb aber an ihren Lippen, sodass ich spürte, wie sie den Mund zu einem Lächeln verzog.

„Ronja?“, flüsterte ich. Irgendetwas war nicht richtig. In Ihren Augen blitzte etwas auf, ich erkannte spät, das es Überheblichkeit war. Das gehörte nicht zu Ronja!

Die flügelartigen Leuchtfäden bewegten sich, sodass sie überhaupt nicht mehr nach Flügeln aussahen – eher wie angriffslustige Lanzen, die sich nach mir ausrichteten. Ich machte einen halben Schritt zurück und erkannte, das meine Hand sich tatsächlich an ihrem Haar geschnitten hatte. Etwas von meinem Blut klebte noch daran.

„Wo willst du denn hin?“, flüsterte sie zurück. Es war beschwörend … und irgendwie unheimlich.

Ihre Gestalt flackerte für einen Moment. Es war, als hätte sich die Wirklichkeit gekrümmt. Ich erkannte hinter dem Licht die Dunkelheit und in dem Moment, wo es mir klar wurde, sprach ich es aus:

„Carmen…“

Die Lichtspieße schossen auf mich zu. Zu spät rollte ich mich zur Seite weg, sodass mich einer von den ersten in der Schulter erwischte und von den Füßen riss. Ich sah mein Blut spritzen – ein Anblick, der mir lange vergönnt war durch das Untotendasein. Es war alarmierend! Was auch immer es war, es hatte meine Schulter durchbohrt und riss nun daran. Der zweite Schlug direkt neben mir ein, was mich endlich aus dem Schockzustand rüttelte. Ich befreite mich von dem Lichttentakel und rollte mich weg.

Sie stand einfach nur da. Ich wusste, es war nicht Ronja, aber es schlug mich dennoch gefährlich in den Bann. Die nackte Frau mit dem überheblichen Lächeln…. Ich musste hier weg!

Irgendetwas trieb mich fort von ihr. Ich suchte nicht den Kampf… ich konnte nicht gegen sie kämpfen. Nicht in dieser Gestalt! Die Erkenntnis war fatal, ich hatte bereits verloren. Dennoch drehte ich mich von ihr weg und begann zu laufen.

Die Dinger, die aus ihrem Rücken kamen waren schneller als ich und so wickelte sich eines um mein Fußgelenk, was mich zu Fall brachte. Ich konnte mich gerade noch mit den Armen abfangen, als ein Ruck durch mich ging und ich wieder zu ihr zurück gezogen wurde. Vergeblich versuchte ich mich an irgendetwas festzuhalten. In diesem Moment vermisste ich meine Tierklauen und mir entfuhr ein Fluch. Meine Fingerkuppen scheuerten sich blutig bei dem Versuch am Boden halt zu finden, während ich auf sie zuschlitterte.

Ich rollte mich auf den Rücken und trat mit dem freien Fuß nach dem Lichttentakel, doch das blieb ohne Wirkung. Als ich direkt vor ihr stoppte, nutze ich den Schwung, um mich wieder aufzustellen. Tatsächlich war zuviel Kraft dahinter, sodass ich in sie hineinfiel. Mit dem Gesicht zwischen ihren Brüsten stoppte ich und spürte ihre Arme, die sich um mich schlangen. Eigentlich hätte ich mich über diese Position freuen müssen, aber sie drückte mich so fest an sich, das ich zu ersticken drohte.

„Wo willst du denn hin?“, hörte ich ihre Stimme abermals.

Verzweifelt stemmte ich meine Hände gegen ihren Körper, um mich aus dieser Umarmung zu lösen, aber die Fraue hatte eine unglaubliche Kraft. Mühelos presste sie mir die Luft aus den Lungen, was ich leider nur mit einem erbärmlichen Japsen beantworten konnte. Meine Sicht wurde bereits von Sternchen und Schwärze verschleiert, als sie mich an den Schultern packte und ein Stück von ihrem Körper wegzog. Keuchend versuchte ich nach oben zu ihr zu blicken, aber meine Augenlider waren unendlich schwer.

Sie beugte sich zu mir herunter, sodass ich in ihr Gesicht blicken konnte und gab mir einen Kuss, den ich diesmal kaum wahrnahm. Dann wanderten ihre Lippen an meiner Wange herab bis zu meinem Hals. Ihre Eckzähne stießen durch mein Fleisch wie brennende Dolche und verursachten einen Schmerz, der durch den ganzen Körper zog.

Ich saß aufrecht im Bett und spürte meinen rasenden Herzschlag als erstes, das schnelle heben und senken meines Brustkorbes kam erst danach an mein Bewußtsein. Mein Hals schmerzte, genauso wie meine Finger. Es kribbelte alles, ich riss die Decke von mir und drehte mich mit den Beinen zur Seite, um aus dem Bett heraus zu kommen. Wackelig trugen meine Beine mich mehr schlecht als recht zum Waschbecken, wo ich mir kaltes Wasser ins Gesicht klatschte.

Die ganze Zeit waren die Alpträume wie weggeblasen und ich hatte sie auf das Vampirdasein geschoben. Hatte es als Teil des Fluches gesehen…und jetzt waren sie einfach wieder da…

Ich blickte in den Spiegel, welcher über dem Waschbecken hing und hatte im ersten Moment den Eindruck, als würde es aus meinem Hals bluten, dort wo sie mich gebissen hatte. Der Schmerz war mir nicht fremd, so hatte es sich angefühlt, als der Tzimisce mich gebissen hatte vor meiner Wandlung. Das war eines der Erlebnisse, die ich wohl niemals vergessen würde… Vampirbisse waren immer gleichzusetzen mit Schmerzen für mich, bis auf…

Ich wandte mich herum, aber dort war niemand. Dabei war mir, als hätte ich sie im Spiegel gesehen.

„Himitsu*…“, murmelte ich mehr zu mir selbst. Ich wusste ihren Namen und obgleich er schön war, gehörte es irgendwie dazu sie mit etwas tiefgreifenderem zu betiteln. Wahrscheinlich, weil sie mir auch einfach einen Namen gegeben hatte…

Ich blickte auf meine pulsierenden Fingerkuppen. Die Alpträume waren wieder da… das war gefährlich – aber auch eine Prüfung des Geistes. Ich war bereit die Prüfungen zu bestreiten… wie konnte ich auch anders. Aufgeben war inaktzeptabel.

Und ich musste sie beschützen…

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*Himitsu, jap. Kanji, „Geheimnis“

Published inRollenspiel-Storys

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