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Cloudy with showers

Ich riss die Augen wieder auf und blickte in das Gesicht des Tigers vor mir. Dieser saß einfach nur da und starrte mit seinen majestätischen Augen bis in meinen Kopf hinein. Genervt nahm ich die Hände aus meinem Schoß und streckte sie zur Verstärkung meines Ausrufs mit den Handrücken zum Boden.

„WAS?!“, schnaufte ich mit leicht überspitzter Stimme. Ich behielt den Schneidersitz bei, aber meine Haltung war alles andere als Entspannt. So konnte das mit dem Meditieren nichts werden, das wussten wir beide.

„Kannst du vielleicht für einen Moment mal aus meinem Kopf bleiben?“, sprach ich einfach weiter. Mein Avatar brauchte eigentlich garnicht zu antworten, ich tat es sowieso selbst. Wir waren eins. So wie früher mit dem Tier des Vampirs, aber er schürte keine Wut. Im Gegenteil, seine majestätische Ruhe war es, die mich rasend machte. Er war einfach der…professionellere Part.

„Vergiss es… aber ich kann mich wirklich nicht konzentrieren.“

Ich legte den Kopf in den Nacken und schloß kurz die Augen. Meditieren war sonst auch nie ein Problem, der Tiger lenkte mich eigentlich auch nicht ab. Ich wusste irgendwo, was das Problem war – aber ich wollte es mir nicht eingestehen.

„Ohmann… so war das alles nicht gedacht…“, murmelte ich vor mich hin. Es konnte mich eigentlich sowieso niemand hören und es gab auch keinen Grund, irgendetwas laut auszusprechen – die Unterhaltungen mit meinem Avatar funktionierten ja auch stumm in meinem Kopf. Aber irgendwie war es greifbarer das alles auszusprechen… ich fürchte Eve hat mich damit infiziert.

Eve… wird anstrengend. Sie bemuttert mich, macht sich zuviele Sorgen und nagelt mich langsam aber sicher fest. Umso mehr Entscheidungen ich in Verbindung mit ihr Treffen muss, umso mehr bindet sie mich an sich. Ich bin mir noch nicht sicher ob das gut oder schlecht ist… und ob ich diese Bindung will.

Ich öffnete meine Augen wieder und starrte an die Decke meiner Wohnung die mich mit einem sterilen weiß bedachte. Ich spürte meinen Herzschlag in meinem Kopf, es war ein unagenehmes Pochen, welches sich auf meinen Hals ausdehnte, bis ich den Kopf wieder nach unten nahm. Aber mein Herzschlag verriet es dennoch, ich war aufgewühlt und es hatten sich Emotionen aufgestaut.

Ich blickte wieder in das Gesicht des Tigers und seufzte: „Das hat heute keinen Sinn… ich kann meine Gedanken nicht leeren… Ja, ich weiß… ich sollte mich jederzeit darauf konzentrieren können… aber ich brauche dir nicht zu erzählen, das mein Herz mein Schwachpunkt ist… und das blutet …“, ich biss mir auf die Lippen. Dinge auszusprechen tat weh und löste irgendetwas aus. Ich musste den Blick senken und schluckte das heraufschwallende Gefühl herunter.

Ich sprang auf und begann auf und ab zu laufen, ich versuchte so die Energie der Gefühle abzubauen. Das half nichts, also tänzelte ich hin und her und schoss die Energie mit Schattenboxen von mir. Doch die leichte Wut, die ich damit verschleuderte, verwandelte sich in Frustration und Tränen. Ich stoppte meine Bewegungen und sank auf die Knie, wischte mir durchs Gesicht.

Vergiss es Teshi, vergiss es einfach. Sie gehört nicht zu dir, nicht so. Sie hat dieses Band zu ihm, sie sind von der gleichen Art. Sie gehören zusammen. Das ist unübertreffbar. Hör auf dir Hoffnungen zu machen, Teshi. Du hast doch Eve. Warum gibst du dich nicht mit ihr zufrieden? Warum jagst du immer noch dem weißen Engel hinterher? Ist der goldene Engel nicht viel näher? Wohin tragen dich diese Flügel?

Ich legte meine Hände vors Gesicht. So verquer meine Emotionen und dadurch die Gedankengänge waren, so rein war das Ergebnis. Ich starrte auf das salzige Wasser, welches zu Boden getropft war. Zwei Tränen die gleich groß wirkten hatten sich zu glitzernden Pfützchen gewandelt.

Was willst du, Teshi? Geborgenheit? Die gibt dir Eve. Genauso wie Sex, Ehrlichkeit und Mitgefühl. Was also…?

Es schmerzte. Das sollte es nicht. Ronja war glücklich. Ben konnte sie beschützen…sie konnte es jetzt sogar selbst besser als ich es je konnte. Sie hatte ihren Frieden mit sich und ihrem Draht zur Natur. Sie war das pure Leben selbst und sie strahlte so eine unglaubliche innere wie äußere Schönheit aus. Sie hatte einen starken Charakter und ging ihren eigenen Weg. Wir waren Freunde, aber Ronja brauchte mich nicht. Sie war eine Wandlerin, genauso wie Ben. Zwei Bären, die zusammen gehörten. Dieses Band von dem Ben gesprochen hatte, ging über alles vorstellbare hinaus, vielleicht sogar über Liebe. Ich war raus. Es schmerzte. Das war der Beweis. Ich liebte Ronja.

Mein Kopf sank hinab, sodass ich ihn einfach hängen ließ. Meine Augen brannten und ich schloß sie. Eve hatte von einer Familie geredet, aber ich konnte nicht ewig so tun, als wäre ich nur der große Bruder, der auf seine Schwestern aufpasst. Da war soviel mehr… und ich hatte mich nie getraut Ronja genau das zu sagen. Es gab kein Blutsband mehr, aber mich verlangte es noch immer nach ihr. Das schlimme war, das dies langsam bösartige Züge annahm. Als Vampir war es Besitzergreifend und ich übertrat meine selbst auferlegten Schwellen. Das funktionierte jetzt zum Glück nicht mehr – aber ich fürchtete, das es zurück kommen könnte.

Wie weit würdest du gehen für jemanden den du liebst?

Ich würde sterben… und das war nicht gut. Nichts in mir trieb mich ans äußerste. Aber ich würde töten, ich würde mein Leben riskieren und vor nichts halt machen, wenn ihr irgendwas zustieße was dies verlangt… ja, ich würde das auch für Eve tun… oder Onoko.

Ich setzt mich wieder hin und blickte zu meinem Avatar: „Was soll ich tun? Es einfach aktzeptieren? Wenn ich es ihr sage, hat sie ein schlechtes Gewissen, weil… also… wenn sie anders empfindet…. das ist so wie bei Eve und mir… sie erwartet viel mehr von dieser Beziehung als ich ihr geben kann… und so wird es bei Ronja auch sein. Sie ist an Ben gebunden…“ Trauer machte sich in mir breit.

Ronja… ich musste dieses Kapitel irgendwie abschließen. Wenn das gelang, wäre das sicherlich ein Segen für Eve…

Umeko…

Published inRollenspiel-Storys

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