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[Muna] Selbstaufgabe

Muna blickte auf ihre Hand. Sie war voller dunkelroter Brandblasen – die sich aber nicht mit Flüssigkeit gefüllt hatten. Mit dem Zeigefinger der anderen Hand berührte sie eine der Blasen. Die verbrannte Haut splitterte wie sprödes Glas.

Sie seufzte und konzentrierte sich, wie es ihr Enigma beigebracht hatte, um diese Wunden zu heilen – doch nichts passierte. Sie lehnte sich im Beifahrersitz zurück und schloss resigniert die Augen.

Diese Nacht entwickelte sich zur Schrecklichsten ihres Lebens.

Seit gefühlten und durchlebten drei Tagen ging einfach nichts mehr seinen gewohnten Gang.

Heute erst war sie aufgewacht und musste neben ihrem Bett Cyril finden, der sich drei Kugeln in den Schädel gejagt hatte – aber nur mit Amnesieerscheinungen wieder aufgewacht war.

Dann hatte ihr Tarot Erklärungen versprochen, doch als sie in das große Zimmer gekommen war, zeigte er nur Bilder eines explodierten Flugzeuges über Hamburg im Fernsehen.

Die winzige Erwähnung, dass Spice mit der Maschine hätte fliegen sollen, es aber nicht getan hätte, brachte alle, selbst Cyril dazu sofort wie kopflos zum Flughafen zu fahren. Markus hatte dabei eine ihrer Lieblings-CDs einfach zerbrochen, was sie mit heißer Wut füllte. Weniger der Verlust der Daten nervte sie dabei – soviel sie noch wusste, müssten die wichtigen Tracks noch auf ihrem Player sein, als vielmehr die Ignoranz mit der Markus dabei vorgegangen war. Schon im Dämonenhaus hatte sie dies zum Kochen gebracht. Wenigstens hatte sie im Auto endlich eine Zigarette rauchen können. Sie konnte gar nicht beschreiben was für eine Erleichterung das war.

Am Bahnhof hatte sie dann wieder einmal die Bestätigung, dass Cyril dringend ein Kindermädchen brauchte. Er hatte das Auto mit laufendem Motor einfach offen stehen lassen und war kopflos ins Terminal gelaufen. Sie hatte es irgendwie geschafft Anschluss an ihn zu halten während alle anderen sonst wohin gerannt waren. Wider ihr Erwarten hatten sie schließlich diese Spice gefunden und waren dann irgendwie wieder zu Tarot gekommen.

An die folgenden Szenen hätte sie sich lieber nicht erinnert. Markus musste wieder auf diesem Dämonenpakt herumreiten und sie daran erinnern, dass sie nach seinem Verständnis dabei mit zu helfen hätte den Hamburger Michel zu schänden. Der Typ war heute sowieso irgendwie total gaga. Dauernd murmelte er was vor sich hin oder sprach laut – als wäre noch wer anwesend.
Enigma und Markus wollten ihr tatsächlich weiß machen, dass es für sie schreckliche Konsequenzen haben könnte, würde sie sich nicht fügen. Fügen? Sie? Was dachten die Beiden sich eigentlich? Sie hatte die letzten fast 8 Jahre für sich allein gesorgt – hatte sie von niemandem irgendwas zwingend vorschreiben lassen und war gut dabei gefahren. Sie hatte nicht vor an diesem Zustand etwas zu ändern, nur weil dieser verfluchte Lorenzo sich entschlossen hatte, sie zu beißen.

Lorenzo – bei dem Gedanken an diesen Wichser kochte es wieder in ihr und sie schwor sich ein ums andere Mal es dem Kerl auch noch heimzuzahlen.
Aber das musste warten – für sie war jetzt erstmal nur eines Wichtig – Das WGT in Leipzig auf dem sie für einen Mann drummen wollte, der ihr letztes Jahr so wahnsinnig geil erschienen war und der sie ehrlich beeindruckt hatte – wie zuvor fast kein Mann. Aber selbst das hatte sich im Lauf der Nacht noch grundlegend geändert…
Als nächstes hatte sie, als sich sich gewohnheitsmässig am Nacken gekratzt hatte, herausgefunden, dass sie dort nun ein Branding hatte. Den selben tribalartig ausgeführten Tiger trug Markus jetzt neuerdings als Tattoo am Arm. Da Enigma das Ding als Startbildschirm auf seinem Rechner hatte, mutmaßten die Beiden, dass es wohl das sichtbare Zeichen für den Pakt mit dieser Dämonin aus dem Haus sein musste. Sie müsste also dabei helfen, den Pakt zu erfüllen.

Genervt durch Enigma und vor allem Markus hatte sie sich entschlossen einfach abzuhauen, mit Cyril ihr Zeug zu holen und sich dann zu überlegen, wie sie nach Leipzig kommen würde.
Gerade als sie Cyril von seinem Gameboy losgerissen hatte und mit ihm gehen wollte, hatte sie Markus noch mal dumm angemacht und dann hatte es bei ihr ausgesetzt. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, was passiert war – aber einer Erklärung der Anderen zufolge war sie wohl das erste Mal in Raserei verfallen und hatte versucht Markus anzufallen.
Als sie wieder zu sich gekommen war, hatte Cyril ein Stück Holz im Herz hängen und kurz drauf versuchte dann Markus ihn anzugreifen – fast wie im Affekt hatte sie ihm daraufhin von hinten ihre Sticks in den Leib gerammt um Cyril zu schützen. Nachdem alle dann wieder auf dem Damm waren und die Streiterei weiterging hatte Cyril einen Anruf bekommen, der ihn wohl etwas durcheinander gebracht hatte.

Er hatte sie danach gefragt, ob sie einen Dero kenne – dumme Frage, schließlich hatte er ihm in ihrem Namen eine Mail geschickt um ihr Schweigen zu erklären. Nach etwas hin und her stellte sich heraus, dass Dero in Hamburg war und beim Primogen der Toreadors nach ihr Fragen würde.
Sie verstand die Welt nicht mehr – bis ihr Cyril klarmachte, dass auch Dero ein Vampir sei – und wohl in seiner Domäne Braunschweig eine Genehmigung erhalten hätte sie umzuwandeln. Im ersten Moment war sie erleichtert gewesen – aber dann dämmerte ihr bei den weiteren Ausführungen von Cyril, dass dies nicht sehr positiv war – weder für sie noch für die Leute um sie herum. Vor allem Cyril könnte darunter zu leiden haben.
Cyril hatte von Wynn – diesem Primogen und sein eigenes Child den unmissverständlichen Befehl erhalten Muna sofort zu seinem Haus zu bringen.

Sie hatte eigentlich so gar keine Lust sich wie ein Stück Vieh dort vorführen zu lassen – aber wieder schlug ihr verdammtes Ehrgefühl zu und sie konnte es nicht verantworten Cyril zu gefährden.
Immerhin konnten sie vielleicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – der Michel lag auf dem Weg zu diesem Haus. Cyril fuhr also mit allen Dreien zum Michel. Während Muna nur einmal die Lage peilen wollte, Musste Markus mal wieder mit der Türe ins Haus fallen… – nun ja – eigentlich mit einem prachtvollen Buntglasfenster in die Kirche, aber das waren Kleinigkeiten. Obwohl Muna Kirchen nicht leiden konnte, tat es ihr irgendwie um das kunstvolle Fenster leid und sie haderte lange mit sich ob sie diese Kirche betreten sollte.
Aber da es nach dem Absturz von Markus verdächtig ruhig blieb und auch von Enigma, der Rein gegangen war nichts mehr zu hören war folgte sie ihm doch während Cyril im Auto blieb und irgendwie wie in Trance auf seinem Lenkrad mit den Fingern rumtrommelte.

Naja – die Vorgänge innen hätte sie lieber nicht erlebt. Markus hatte sich ganz geschickt beim Fall selbst auf einem Holzteil einer Kirchenbank auf der Empore selbst gepflockt und Enigma bezeichnete sie lauthals als Mama – nur weil da so ein Kerl auftauchte – wohl angelockt vom Krach als das Fenster zerbrochen war.
Ehe sie sich versah, war sie in einen Kampf verwickelt und war gezwungen die Dev/Null einzusetzen. Aber verdammt – gegen den Kerl kamen sie selbst zu dritt nicht an.
Markus versagte total im Nahkampf, obwohl er doch sonst alles mit Links zerpflückte. Der Kerl war von irgendeinem geheimnisvollen Feld umgeben dass wohl verhinderte, dass ihn Markus oder Enigma, der sich mal wieder als Kampfflummi betätigt hatte berühren konnten. Einzig ihre Kugeln trafen – mit der antrainierten Präzision die ihr ihr erster Kerl beigebracht hatte.
Aber irgendwie hatte der Kerl mehr auf Lager – sie wusste nicht wie er das gemacht hatte aber plötzlich standen Lichtsäulen in dieser Kirche und brannten wie Feuer auf der Haut. Ihre Haut verbrannte – doch zu ihrem Glück hatte sie sich wohl schnell genug in den Schatten gerollt und nur Markus fing wirklich am Ganzen Körper Feuer und rannte, nachdem er durch eine Mauer gebrochen war weg.
Auch sie wollte nur raus hier – aber als sie draußen war, fehlte Enigma und sie konnte auch nicht ausmachen, wo er war. Also rannte sie noch einmal hinein um nach ihm zu sehen. Sie fand ihn gepflockt in den Hals des Kerls verbissen auf ihm liegen. Da sich ein zweiter Kerl – ein altes Männchen im Ornat eines Priesters – verdächtig langsam aber beängstigend selbstsicher näherte schnappte sie sich nur Enigma und machte dass sie so schnell wie möglich zu Cyril ins Auto kam.

Der hatte glücklicherweise mal aufgepasst und wusste in welche Richtung Markus abgehauen war, sodass sie ihn schließlich in einem Pool wiederfinden konnten. Ihn hatte es noch schrecklicher erwischt. Er war regelrecht verkrüppelt und konnte sich nicht mehr rühren. Auch ihn schleppte sie ins Auto. Und so lag er jetzt hilflos hinter ihr auf dem Rücksitz.

Muna berührte vorsichtig ihr Gesicht – auch hier fühlte sie wie die Haut unter dem leichten Druck ihrer Finger zerbröselte. Sie musste schrecklich aussehen. Und da das Heilen auch hier versagte, würde sie dieses Gesicht auch so behalten müssen.
Sie überlegte.

Körperlich entstellt, angeblich als Vampir gezwungen den Befehlen von älteren Vampiren unterworfen und mit der Aussicht in Zukunft nicht mehr ihren Neigungen folgen zu können resignierte sie.
Dann erinnerte sie sich an ein paar Informationen, die ihr Cyril gegeben hatte. Sie konnte vernichtet werden – wenn man ihr den Kopf von den Schultern trennte – oder wenn ein anderer Vampir sie restlos austrank. Ihr war klar, so wollte sie nicht weiter unleben. Sie überlegte, öffnete die Augen einen winzigen Schlitz und spähte zu Cyril hinüber. Er schien total ins Fahren vertieft und achtete nicht auf sie. Vorsichtig schnallte sie sich los, und drehte sich im Sitz nach hinten, als wolle sie nach Markus sehen.
Sie rammte sich den langen Nagel ihres rechten Daumens in die Vene des linken Handgelenks und rieß sie auf. Dann konzentrierte sie sich darauf, ihr Blut dorthin zu lenken und hielt Markus das Handgelenk vors Gesicht.

„Trink, du musst sehr durstig sein“ flüsterte sie ihm zu

Published inRollenspiel-Storys

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