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Zwischen Wahn und Sinn – Prolog – neuer Auftakt

Der Benzingeruch stieg mir wohlig in die Nase. Die Flamme züngelte sich den Docht entlang und ich konnte die Hitze auf meinen Wangen spüren.
Endlich war es soweit, nach all den Stunden brannte die Flamme lichterloh und entzündete das Liebste, das ich hatte: Eine Zigarette.

Ich weiß nicht mehr, wie lange die Fahrt in dem Auto gedauert hat, es müssen Stunden gewesen sein. Ich hasse lange Autofahrten. Man kann sich nicht die Beine vertreten, ohne Zeit zu verlieren, es ist eng, die anderen Autofahrer sind meistens rücksichtslos. Ich könnte diese Liste noch ewig weiter führen. Ich liebe Zugfahrten. Schön gemütlich, viel Platz (wenn man erste Klasse gebucht hat) und es gibt Raucherbereiche. Während der Fahrt rauchen! Göttlich. Wie gerne hätte ich das auf der Fahrt von Amsterdam nach Berlin getan. Aber Michael war ja der Meinung gewesen, dass wir keine Zeit verlieren dürfen und in seinem Auto wird nicht geraucht!
Pff, in seinem Auto. Als wenn er den SLK selbst bezahlt hätte. Es war sozusagen ein Dienstwagen, er hatte halt die Verantwortung dafür. Und er ließ mich nicht rauchen!

Aber okay, ich habe darüber hinweg gesehen, es war ein harter Tag gewesen und ich wollte seine Nerven nicht weiter strapazieren- es sollte mir genügen, dass er mich dafür verflucht hatte, dass ich neben ihm meine Fußnägel geschnitten habe.

Und endlich konnte ich mein Zippo entzünden und mir eine anstecken. Das war ein berauschendes Gefühl gewesen. Nicht nur die Zigarette war herrlich, auch die zehn Minuten, die mir vor dem Hintereingang in der kühlen Nachtluft blieben. Heraus aus dem einen Übel musste ich nach der langen Fahrt direkt zu dem Zirkeltreffen. Eine Krisensitzung. Es sollte das letzte Mal sein, dass wir so zusammen kamen, bevor allen Mitgliedern nahegelegt wurde, sich in kleineren Gruppen zu zerstreuen. Es hatte etwas von der Anonymisierung unserer kleinen Arbeitsgruppe. Wir hatten viel erreicht und ich brannte auch förmlich darauf, die Erfolge, die Michael und ich in Holland erreicht hatten zu präsentieren.
Der nächste Zug an der Kippe galt meinen Kollegen bei den Illuminaten, die ich über zwei Monate hinweg kennen und schätzen lernen durfte. Ich trauerte einen Augenblick um sie, dann schnippte ich den Glimmstängel in die nahe gelegene Mülltonne und bereitete mich darauf vor, mit stolzer Brust vom Tod und der Gefangennahme einiger Illuminaten zu erzählen.

Der Saal war gut gefüllt. Okay, es war ein kleiner Saal in einem kleinen Tanzstudio. In diesem Saal drängten sich ungefähr dreißig Mitglieder aus Tangs Zirkel in Richtung des kalten Buffets, eine Handvoll stand verstreut an Stehtischen und ich begutachtete mich in einem überdimensionalen Spiegel, abgelegen der anderen. Ich muss schon sagen, dass mir der schwarz-blau gestreifte Anzug durchaus gut stand. Sicherlich, ich erntete misstrauische Blicke einiger Anwesenden und das eine oder andere Mal musste ich mich erklären, aber oftmals genügte die Drohung, dass Drachentatoo an meinem rechte Oberschenkel zu präsentieren, dass ich in Ruhe gelassen wurde.

„Hey Rafael, hast du schon die Häppchen probiert?“, Michael trat an mich heran und grinste mir mit offenem Mund kauend ins Gesicht. „Die sind wirklich gut. Vor allem die mit der weißen Creme darauf, Ich habe zwar keine Ahnung, was das ist, aber es schmeckt!“.
Michael war stets da, wo es was zu essen gab. Und das sah man ihm auch an, nichtsdestotrotz hatte er die Zeit gefunden, sich umzuziehen und stand nun in bequemer Jeans und Rollkragenpulli vor mir. Ich sah an mir herab.

„Dir scheint ja noch viel an den Beiden zu liegen.“ Ich nickte. „Mach dir nichts daraus, sie waren der Feind. Es herrscht Krieg und der erfordert manchmal unschöne Opfer.“ Michael quetschte sich ein weiteres belegtes Brot in den Mund und klopfte mir dann auf die Schulter. Ich sah ihn schief grinsend an und nickte nur. Daraufhin watschelte der untersetzte, kleine Mann wieder in Richtung des Buffets und ich blieb mit mir allein.

Allein sein war nicht verkehrt, man konnte seinen Gedanken nachgehen und einfach die Ruhe genießen. Wie sonst sollte man sich vernünftig auf den nächsten Auftrag vorbereiten? Und der sollte Training bedeuten. Mein Studium sollte bald begingen und ich musste mich innerhalb der Arbeitsgruppe weiter bewähren. Die Infiltration der Illuminaten hatte vier Jahre Vorbereitung gekostet und ich hatte mich nun drei Monate in Holland aufgehalten. Nun musste ich einige Dinge mit meinem Leben in Deutschland wieder ins Reine bringen.

Das war auch schon das Stichwort für die diese unverhoffte Begegnung an diesem Abend.
„Rafael Strauß! Wie schön Sie hier anzutreffen!“. Der Tonfall Marcel Garcias war unheilverheißend. Ich drehte mich um und sah dem Italiener in seine dunkelbraunen Augen. Wie immer trug er einen perfekt sitzenden, grauen Anzug und schwarze Lackschuhe. Sein Schnurrbart war perfekt geschnitten und seine Haare perfekt geölt und zu einem Zopf gebunden. Dieser Mann war perfekt und deshalb wusste ich, dass er mich nicht ansprechen würde, wenn es nicht in seine perfekte Planung gehören würde.
„Herr Garcia, wie schön Sie hier zu treffen.“, ich versuchte erfreut zu klingen und grinste ihn an. Der hoch angesehene Zirkelspion reichte mir ein Glas Cola mit Schuss, wie ich sofort riechen konnte und legte einen Arm um meine Schultern. Nur mit Mühe konnte ich die Tränen unterdrücken, als mir der penetrante Geruch von Rasierwasser in die Nase stieg.

„Ich habe von Ihrem Erfolg in Amsterdam gehört und muss meine Hochachtung Ihnen gegenüber aussprechen. Sie haben den Drachen einen großen Dienst erwiesen…“, ich konnte einfach nicht länger dem Gesülze zuhören: „Danke, aber kommen Sie auf den Punkt, ich wollte den Abend noch ein wenig genießen und früh zu Bett gehen.“
Ehrlich überrascht über diese unhöfliche Unterbrechung und die schroffen Worte, nahm er einen Schluck aus seinem Sektglas und fuhr, nun mit gebürtigem Abstand zwischen uns, fort: „Also gut, es gibt in Hamburg Anzeichen dafür, dass sich die Templer und Illuminaten weiter verstärken und den Krieg versuchen, zu ihren Gunsten zu entscheiden. Das Chaos ist in Gefahr und ich möchte sie nach Hamburg entsenden, damit Sie die Stadt für uns zurück gewinnen (hier sei angemerkt, dass dieser Mann das absolute Gegenteil vom Chaos dazustellen schien. Aber war perfekt darin, mit wenigen Mitteln und einigen raffinierten Lügen, das Chaos in den Reihen der Feinde zu verbreiten und sie so von innen heraus zu zerstören). Natürlich werden Sie nicht allein gehen. Michael Hommel und zwei weitere Agenten werden Sie begleiten. Weitere Einzelheiten besprechen wir dann die nächsten Tage. Heute Abend wollen wir feiern.“ Mit diesen Worten verabschiedete er sich und ging zurück zu einigen anderen wichtigen Agenten.

Erleichtert darüber, dass ich mich nun endlich verdrücken und mich im Hotel aufs Ohr hauen konnte, wandte ich mich ab und hatte den Ausgang bereits im Blick, als ein Ruck durch mich fuhr und mir Cola ins Gesicht spritzte und meinen Anzug benetzte. Aus dem Gleichgewicht geraten, taumelte ich nach hinten und versuchte gleichzeitig nicht zu fallen und mir die Cola aus den Augen zu wischen. Während ich versuchte durch den Schleier von klebriger koffeinhaltiger Limonade zu blicken, hörte ich jemanden sich ungefähr zwanzigmal entschuldigen. Es war eine junge Frau, das war zu hören und sie schien mich ständig gegen die Brust zu pieken. Als ich endlich meine Augen frei bekommen hatte, sah ich, dass sie bereits einen Lappen zur Hand hatte und versuchte, die Cola von meinem Anzug zu tupfen.

Ich sagte erst einmal nichts, dafür war ich zu fasziniert von der kleinen Gestalt, die da an mir herum hantierte, bis sie anscheinend bemerkte, welche Farben der Anzug hatte und das ein Taschentuch mit aufgestickter Pyramide aus der Hemdtasche lugte. Es war interessant zu beobachten, wie alle Farbe aus dem ohnehin schon bleichen Gesicht wich und sie schnell einen Satz zurück machte. Schnell hob ich beschwichtigend die Hände.
„Keine Panik, ich komme gerade von einem kleinen Spionageeinsatz zurück. Ich bin einer von euch, hatte nur keine Zeit mich umzuziehen!“.

Ich schien nicht sonderlich überzeugend zu sein. Sie deutete mit ihrem Sektglas auf mich, als schien sie es als Waffe einsetzen zu wollen. Man konnte sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. Sie sah sich im Saal um, dann wieder mich an und musterte mich von oben bis unten. Dann senkte sie Glas.
„Du bist zu auffällig, als dass du wirklich ein Illuminat sein könntest.“, meinte sie dann trocken und warf mir den Lappen zu. „Tut mir leid, wegen dem Anzug. Aber blaue Streifen stehen dir eh nicht.“ Ich musste schmunzeln.
„Kein Problem, an wen darf ich die Rechnung der Reinigung schicken?“, ich grinste sie an. Wieder war es sehr amüsant zu beobachten wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. Die kleine Asiatin schien noch jung und neu im Zirkel zu sein. Ihr Zögern machte es deutlich. dann antwortete sie knapp und nun war ich dran, geschockt zu sein: „Sayuri Tokugawa“.

Mist, die Tochter vom Tokugawa. Ich hatte ja viel von ihr gehört. Noch mehr davon, dass es nicht schlau war, sich ihr ungebührend gegenüber zu verhalten. Einige Zirkelvorsteher hatten ein wachsames Auge auf sie.
„Alles klar, Sayuri, ich komme darauf zurück.“ Sie nickte und wollte gerade etwas sagen, als sie auch schon von einem mir unbekannten Zirkelmitglied entführt wurde. Wahrscheinlich ein Aufpasser, die junge Dame durfte wahrscheinlich nicht mit Fremden reden.

Nun gut, nach zwei eher unerwarteten Begegnungen an diesem Abend hatte ich endgültig genug. Ohne mich noch einmal von irgendetwas aufhalten zu lassen, verließ ich die Feier und eilte zum Hotel. Alles was ich an diesem Abend noch wollte, war schlafen.
Während ich mich auszog legte ich großen Wert darauf, jede Bewegung mit Bedacht auszuführen. Dieser Anzug war nicht nur mit Cola sondern auch dem Blut guter Freunde befleckt worden. Ich sollte ihn am nächsten Tag verbrennen. Andächtig betrachtete ich ihn noch einmal. Bald schon würde ich wieder einen ähnlichen tragen, neues Blut vergießen und Intrigen ausfechten.

Die Grenzen zwischen mir und den Illuminaten verwischten zunehmend.

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